Aus dem Landtag geflogen – Streit in AfD bricht wieder auf
In der AfD ist nach ihrer Wahlniederlage in Schleswig-Holstein der Streit über die inhaltliche Ausrichtung und die Besetzung der Parteispitze neu aufgebrochen.
Parteichef Tino Chrupalla bezeichnete am Montag das Ausscheiden aus dem Landtag zwar als Enttäuschung, sieht darin zugleich aber „nichts Ungewöhnliches“. Spitzenvertreter der AfD forderten dagegen eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung, um auch im Westen zu punkten.
Die AfD habe mit ihrem Ukraine-Kurs einen Teil ihrer konservativen Anhänger verloren, sagte Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar. „In Schleswig-Holstein sind diese Wähler scharenweise zu CDU, FDP und sogar zu den Grünen übergelaufen. Die AfD braucht nun unbedingt eine Offensive West, um dort wieder mehr als ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren.“ Ein „Weiter so“ sei nicht die Lösung.
„Neue Themen und einen neuen Stil“ gefordert
Der stellvertretende AfD-Fraktionschef im Bundestag, Norbert Kleinwächter, forderte, die Partei müsse sich neu sortieren. „Wir brauchen neue Themen und einen neuen Stil, mit denen wir Wähler dauerhaft an uns binden können. Dazu braucht die Bundesspitze der Partei dringend neue Köpfe mit sicherem Auftreten und neuen Ideen.“
Chrupalla sagte der Deutschen Presse-Agentur zum Ausscheiden aus dem Landtag: „Das ist natürlich eine Enttäuschung, wenngleich es zum politischen Alltag dazugehört, dass man auch mal eine Niederlage einstecken muss.“ Für kleinere Parteien sei das aber auch nichts Ungewöhnliches, fügte er hinzu. Er wies eine persönliche Verantwortung zurück: „In Schleswig-Holstein stand Jörg Nobis zur Wahl und nicht Tino Chrupalla. Von daher sollte man das nicht überbewerten.“
Die AfD war nach ihrer Gründung 2013 nach und nach in alle deutschen Landesparlamente eingezogen, 2017 auch in den Bundestag. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein scheiterte sie am Sonntag laut vorläufigem Ergebnis aber mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde und wurde damit erstmals wieder aus einem Landtag herausgewählt.
Bis hoch in die Spitze der AfD stehen sich zwei Strömungen gegenüber: Diejenigen, die gern das „Bürgerliche“ und „Moderate“ betonen und mit Inhalten und Auftreten konservative Wähler der Union vor allem im Westen überzeugen wollen – diese Strömung vertrat der inzwischen ausgetretene Ex-Co-Chef Jörg Meuthen. Der in Schleswig-Holstein erfolglose AfD-Spitzenkandidat Jörg Nobis zählt auch dazu.
Parteichef Chrupalla vertritt eine andere Position: Die Wähler wollten keine neue CDU, sagte er am Montag und kritisierte, dass im Wahlkampf in Schleswig-Holstein die Unterscheidbarkeit zu CDU und FDP gefehlt habe.
AfD wählt im Juni neue Spitze
Beim Parteitag der AfD im Juni dürfte sich entscheiden, in welche Richtung die Partei geht. Der 14-köpfige Vorstand inklusive Parteispitze wird neu gewählt. Am Wochenende hatte sich Björn Höcke, Landeschef der Thüringer AfD und laut Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang einer der „zentralen Akteure“ innerhalb der sogenannten „Neuen Rechten“, zu Wort gemeldet und eine Bewerbung für den Vorstand nicht ausgeschlossen.
„Eine persona non grata sollte nicht aus der Gruft auferstehen, vor allem nicht direkt vor der Wahl“, kritisierte Kleinwächter bei Twitter die Ankündigung. Der frühere rheinland-pfälzische AfD-Chef, Uwe Junge, vermutet sogar, dass der Zeitpunkt bewusst gewählt wurde. Das sei bei den Wählern im Norden angekommen, schrieb er bei Facebook. „Ein bürgerlicher Nobis und Meuthen-Mann durfte nicht gewinnen.“ Mit der Bundesvorstandswahl werde die AfD „endgültig zur proletarischen Ostpartei verkümmern“, schrieb Junge, der zwar längst aus der AfD ausgetreten ist, sich aber immer wieder zu Wort meldet.
Zunächst richten sich die Blicke aber auf den kommenden Sonntag, wenn im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt wird. Die AfD stand in Umfragen zuletzt bei 6 bis 8 Prozent. Chrupalla zeigte sich optimistisch: Schleswig-Holstein sei eine reine Personen-Wahl gewesen, mit großer Zufriedenheit mit der Landesregierung und dem Ministerpräsidenten. „In NRW sieht das ein bisschen anders aus.“ (dpa/red)
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