„Aufgeheizte Stimmung“: Ausstellung über Flüchtlinge nach zweieinhalb Stunden abgebrochen

Die Integrationsbeauftragte des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat im Landratsamt Pirna eine Ausstellung über das Schicksal und den Alltag der Flüchtlinge im Erzgebirge präsentiert. Nach nur wenigen Stunden ließ dieses die Bilder abhängen – weil sie eine „aufgeheizte Stimmung“ erzeugt hätten.
Titelbild
Symbolbild: die Altstadt von Pirna.Foto: Jens Dauterstedt/Stadt Pirna
Von 21. September 2024

Bereits am Mittwoch, 11. September, ist es im Landratsamt von Pirna zu einem Eklat gekommen. Erst in den vergangenen Tagen drangen darüber erste Berichte an die Öffentlichkeit. Mit Blick auf die Interkulturelle Woche vom 22. bis 29.9. hatte die Integrationsbeauftragte des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Yvonne Böhme, eine Präsentation im Foyer der Behörde initiiert.

Einblick in Schicksal, Gegenwart und Fluchtrouten

Diese zeigte Fotos und Texte von Geflüchteten, die diese in Kooperation mit dem Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg im Erzgebirge erstellt hatten. Dort sind die Flüchtlinge auch untergebracht. Am 25. September sollte eine Vernissage dazu stattfinden.

Die Präsentationen sind Teil eines Projekts mit dem Titel „Es ist nicht leise in meinem Kopf“. Dieses soll Einblicke in die Lebenswelt, das Schicksal und den Alltag Geflüchteter geben – und so Vorurteile und Distanz zwischen diesen und der schon länger dort lebenden Bevölkerung abbauen.

Das Projekt soll Geschichte und Gegenwart von 35 Asylbewerbern zeigen. Bevor die dazugehörige Ausstellung nach Pirna kam, war sie bereits an mehreren anderen Orten in Sachsen zu sehen. Auch im Landtag und in der Arbeitsagentur Chemnitz waren die Inhalte bereits gezeigt worden.

Landratsamt Pirna: Ausstellung „nicht geeignet, Vorurteile abzubauen“

Bereits nach wenigen Stunden soll das Landratsamt die Bilder und Texte jedoch wieder aus dem Foyer entfernt haben. Außerdem wurde die Vernissage abgesagt. Grund dafür seien „mehrere Beschwerden“ gewesen. Die Veranstaltung, so das Landratsamt, habe von Anfang an polarisiert und „für eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern“ gesorgt.

Es hat der Darstellung der Kreisverwaltungsbehörde in Pirna zufolge „zu keiner Zeit ein positives Feedback“ von Bürgern, aber auch von Behördenmitarbeitern gegeben.

Mitarbeiter des Landratsamts und zufällig anwesende Bürger, die am 11. September ihren Terminen nachgingen, zeigten sich vor allem durch einige Aussagen der Geflüchteten irritiert, die auf den Tafeln dokumentiert waren. Darin äußern diese ihren Unmut über die Unterbringung („Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer“) oder als rassistisch aufgefasste Polizeikontrollen. Einige stellen auch ihre Zukunft in Deutschland infrage. Nicht wenige sehen in Äußerungen dieser Art einen Ausdruck von Undankbarkeit.

Das Landratsamt äußerte Verständnis für den Unmut und attestiert der Ausstellung, diese sei „nicht geeignet, Vorurteile abzubauen, wie im Vorfeld kommuniziert“. Vielmehr würden deren Inhalte diese „vielmehr noch verstärken“. Aus diesem Grund habe man von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und den Abbau der Präsentation veranlasst.

Kirchen bieten sich als Ersatzaussteller an

Mitorganisatorin Lenore Lobeck betont hingegen, dem Landratsamt in Pirna seien die Inhalte der Ausstellung schon im Vorfeld bekannt gewesen. Außerdem zeige sie – entgegen der Darstellung der Behörde, die lediglich auf die Klagen der Flüchtlinge Bezug nehme – auch Erfolgsgeschichten.

Die Integrationsbeauftragte Böhme bedauerte die Entscheidung, könne sie jedoch auch nachvollziehen. Sie erklärte gegenüber der „Welt“, die Texte seien „völlig anders interpretiert“ worden, als sie gemeint gewesen seien. Das Ziel, Verständnis zu wecken, hätten sie nicht erreicht. Nun habe man versucht, „noch schlimmere Anfeindungen“ zu verhindern.

Böhme gab auch zu bedenken, dass die Ausstellung im Landratsamt Pirna keine Möglichkeit zum Dialog gegeben habe. Sie deutete an, dass auch dieser Umstand zur mangelnden Akzeptanz beigetragen haben könnte. Im Nachhinein sei klar, dass „das Landratsamt für eine nicht betreute Ausstellung einfach der falsche Ort“ sei.

Als Ersatzveranstalterin hat sich mittlerweile die katholische Kirchgemeinde St. Kunigunde in Pirna angeboten. Sie soll nun vom 25. September bis zum 10. Oktober in der Klosterkirche zu sehen sein. Auch die evangelische Kirche vor Ort sei in das Vorhaben eingeweiht. Eva Howitz vom Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg zeigte sich „schockiert“ über das Abhängen der Bilder. Dieses „zeigt die gesellschaftliche Entwicklung in erschütternder Weise“.

Kritische Reaktionen auch aus der Politik vor Ort

Der am 1. September für das BSW in den Landtag gewählte Abgeordnete aus Pirna, Lutz Richter, zeigt sich über das Vorgehen des Landratsamts verwundert. „Demokratie muss verschiedene Positionen aushalten“, äußerte er gegenüber der Epoch Times. Dabei seien öffentliche Räume ein guter Ort für Disput, Kontroverse und Dialog – gerade, wenn es um strittige Themen gehe. Cancel Culture und eine Verengung des Meinungskorridors seien nie gut, egal, von welcher Seite sie kämen, betonte Richter.

„Es gehört durchaus zu den Aufgaben eines Landratsamts, diese Themen aufzunehmen und für gesellschaftlichen Diskurs zu sorgen. Auch das ist ein Beitrag zur Willensbildung der Bürger. Allerdings ist es wichtig, dass auch andere Meinungen präsentiert werden.“

Der Kreisrat der Konservativen Mitte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Peter Pfitzenreiter, spricht hingegen von einer „verunglückten“ Art der Darstellung. Die heftigen Reaktionen aus der Bevölkerung haben nach seiner Überzeugung eine Vorgeschichte.

Gegenüber der Epoch Times meinte er: „Die Menschen in unserem Landkreis waren sehr solidarisch gegenüber Geflüchteten. Sie müssen auf vieles verzichten, weil die Kommunen nach der Erfüllung ihrer Aufgaben für die Schutzsuchenden kein Geld mehr übrig haben. Stattdessen werden sie seit Jahren in den Medien diffamiert und in die rechte Ecke gestellt. Ihnen zu diesem Zeitpunkt auch noch unkommentiert eine Ausstellung dieser Art im Landratsamt vorzusetzen, zeugte von fehlendem Fingerspitzengefühl.“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion