AfD plant über Mitwirkung im EU-Parlament Europas Umgestaltung

Die AfD gab ihr Programm für das EU-Parlament bekannt. Darin fordert sie die Auflösung des EU-Parlaments – also jenes Parlaments, in dem sie mit ihrem Wahlprogramm wieder Mandate gewinnen will.
Titelbild
Demonstranten schwenken deutsche Fahnen mit der Aufschrift „WIR SIND DAS VOLK“.Foto: Omer Messinger/Getty Images
Epoch Times26. Juli 2023

In den Umfragen erlebt die AfD derzeit einen Höhenflug. Parteiintern gibt es Diskussionsbedarf: Insgesamt sechs Tage wollen die Parteitags-Delegierten der AfD in der nächsten und der übernächsten Woche in Magdeburg über eine inhaltliche Positionsbestimmung beraten. Im Zentrum steht die Verabschiedung eines Programms für die Europawahl 2024. Der 92-seitige Entwurf der Programmkommission läuft auf eine radikale Umgestaltung der europäischen Politik hinaus.

„Nation“, „Souveränität“ und „Identität“

Die zentralen Punkte des EU-Programms der AfD:

EU auflösen

Mit der versehentlichen Forderung nach Auflösung der EU hat die AfD-Führung vor dem Parteitag für Verwunderung gesorgt: „Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an“, heißt es in dem Leitantrag. Davon rückte die Parteispitze wieder ab: Die Forderung sei durch ein „redaktionelles Versehen“ in den Text geraten. Vor dem Parteitag konnte der Antrag allerdings aus Fristgründen nicht mehr geändert werden. Nun wird es den Delegierten in Magdeburg obliegen, den Satz auf Bitten der AfD-Spitze per Parteitagsvotum wieder zu streichen.

Bund europäischer Nationen gründen

Keine Auflösung also – aber eine Art Neugründung der EU: „Wir wollen eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen“, heißt es im Programmentwurf. Ausdrücklich lehnt die AfD das Ziel eines „europäischen Bundesstaats“ ab: „Ein solches Gebilde verfügt weder über ein Staatsvolk, noch über das erforderliche Mindestmaß an kultureller Identität, welche notwendige Voraussetzungen für gelingende Staaten sind.“

„Nation“, „Souveränität“ und „Identität“

Die Argumentation der AfD dreht sich stark um Begriffe wie „Nation“, „Souveränität“ und „Identität“. Allein die Begriffe „Nation“ und „national“ tauchen 145 Mal in dem Wahlprogramm auf. Entscheidungen sollen nicht in Brüssel gefällt werden, sondern von den Nationalstaaten.

Die AfD fordert in dem Wahlprogramm die Auflösung des EU-Parlaments – also jenes Parlaments, in dem sie mit ihrem Wahlprogramm wieder Mandate gewinnen will. Die Kompetenzen des Parlaments sollen bis zu einer nicht näher erläuterten „Neuordnung der Verhältnisse“ an die Nationalstaaten übergehen.

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Kampf gegen „globalistisch eingestellte Eliten“ und den Islam

Gleich in der Präambel des Programms ist von „globalistisch eingestellten Eliten“ die Rede, die sich der EU bemächtigt hätten. Es greift damit eine in Rechtsaußen-Kreisen gängige Sichtweise auf: „Globale Eliten“, die sich gegen die „normalen Bürger“ verschworen hätten. Ein weiteres Feindbild sieht die AfD im Islam, den sie als „Gefahr für Europa“ einstuft. Der Islam sei „mit den europäischen Grundprinzipien von Recht, Freiheit und Demokratie nicht in Einklang zu bringen“. Auch deshalb müsse die Zuwanderung „massiv beschränkt“ werden – auch mithilfe der „Errichtung physischer Barrieren“ an den EU-Außengrenzen.

Deutschland und Europa keine Gefolgsleute einer Großmacht mehr

Eine ausdrückliche Verurteilung des russischen Angriffskriegs findet sich in dem Wahlprogramm nicht. Es enthält lediglich die Feststellung: „Die russische Invasion in der Ukraine hat unter den Betroffenen viel Leid erzeugt.“ Die AfD fordert eine Wiederannäherung an Russland. Die Wirtschaftssanktionen müssten „sofort“ beendet werden. Zu den USA geht die AfD auf Distanz: Deren Interessen „unterscheiden sich in zunehmendem Maße von denen Deutschlands“. Und weiter: „Deutschland und Europa dürfen sich nicht zu Gefolgsleuten einer Großmacht reduzieren lassen.“

Für die traditionelle Familie – gegen Abtreibung

„Wir unterstützen es, wenn Menschen traditionelle Geschlechterrollen leben“: In dem Programm gibt sich die AfD als Hüterin traditioneller Familienbilder. Das Recht auf Abtreibung will sie weitgehend einschränken auf „absolute Ausnahmen“ – etwa aus medizinischen Gründen oder bei Vergewaltigungen. Die Homo-Ehe lehnt die AfD ab, fordert aber auch „Respekt“ für „andere Formen des Zusammenlebens als die Ehe zwischen Mann und Frau“.

Keine irrationale CO₂-Hysterie

Die AfD lehnt Maßnahmen im Kampf gegen die Erderwärmung ab. „Wir teilen die irrationale CO₂-Hysterie nicht, die unsere Gesellschaft, Kultur und Lebensweise strukturell zerstört“, heißt es in dem Programm. Das Klima habe sich „seit dem Bestehen der Erde“ stets gewandelt. „Die jetzigen klimatischen Veränderungen ordnen sich vollkommen normal in diese Wechsel ein.“ Die EU-Vorgaben zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes wertet die AfD als „Dystopie eines ökosozialistischen Brüsseler Haftungs- und Umverteilungsstaats“.

AfD im Europaparlament als Teil der Fraktion Identität und Demokratie

Die AfD im Europaparlament gehört der Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, zu der sich rechts- und national-konservative EU-Abgeordnete aus neun Ländern nach der Europawahl 2019 zusammengeschlossen haben. Mit derzeit 62 Mitgliedern ist sie die sechststärkste Fraktion im EU-Parlament, Vorsitzender ist Marco Zanni von der italienischen Lega-Partei. Bei ihrer Gründung lag die Zahl der ID-Abgeordneten noch bei 73.

Die migrationskritische Lega-Partei stellt mit 25 Abgeordneten die meisten Mitglieder der Fraktion. Darauf folgen die rechte Partei von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) mit 18 Parlamentariern. Die AfD stellt neun Abgeordnete, die österreichische FPÖ drei, der belgische Vlaams Belang drei, die tschechische Partei Freiheit und direkte Demokratie zwei sowie die Dänische Volkspartei und die estnische Konservative Volkspartei jeweils einen Parlamentarier.

Kommissarischer Leiter der AfD-Delegation im EU-Parlament ist seit Februar Joachim Kuhs. Der vorherige Leiter Nicolaus Fest war nach Querelen in der AfD-Gruppe von dem Posten zurückgetreten. Der frühere AfD-Chef Jörg Meuthen hatte die ID-Fraktion Anfang 2022 verlassen; kurz zuvor war er aus der AfD ausgetreten.

Bekämpfung illegaler Migration

Die ID-Fraktion arbeitet nach eigenen Angaben „aktiv an der Rückgabe von Zuständigkeit und Macht von der EU zu den Mitgliedsstaaten, den Bundesländern, Gemeinden und damit zu den Bürgern“. Die EU solle „aufhören, sich in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitgliedstaaten einzumischen“, so die Forderung. Die europäische Zusammenarbeit solle „auf freien und souveränen Nationalstaaten aufbauen“. Einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit ist dabei die Bekämpfung illegaler Migration.

Ebenso wie die AfD im Bundestag aufgrund des Widerstands der anderen Parteien keinen Vizepräsidenten stellt, wurde auch im EU-Parlament ein Vizepräsident aus den Reihen der ID-Fraktion durch die anderen Fraktionen bisher verhindert.

Neben der ID-Fraktion im Europaparlament gibt es eine ID-Partei mit Sitz in Paris sowie eine ID-Stiftung.

Der AfD-Bundesvorstand sieht zwei Gründe, die aus seiner Sicht für einen Beitritt zur ID-Partei sprechen. Zum einen enthalte diese „Finanzmittel aus dem EU-Haushalt abhängig von der Anzahl der Europaabgeordneten ihrer Mitgliedsparteien“. Ein Beitritt würde „dementsprechend zu einer Mittelerhöhung führen“. Zum anderen sei die ID-Partei eine „sehr gut geeignete Plattform, um die Vernetzung mit europäischen Schwesterparteien der AfD weiter voranzutreiben“.

Anschluss an ID-Partei in der AfD umstritten

Der Anschluss an die ID-Partei ist in der AfD allerdings umstritten. So wird in einem Antrag gefordert, einen Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen. Begründet wird dies damit, dass ansonsten „die AfD zu einem nationalen Verband einer EU-Partei“ werde und bei Themen wie „Euro-Exit“ oder Krieg in der Ukraine nicht mehr unabhängig entscheiden könne.

„EU-Parteien dienen dem gleichen Zweck wie die Währungsunion: Sie sind Mittel, um den Zentralstaat EU zu verwirklichen“, heißt es zur Begründung. Die Programmatik einer EU-Partei müsse den Werten der EU entsprechen; eine EU-Partei unterliege dem EU-Parteienrecht und damit der Kontrolle von EU-Behörden – die Gegner eines Beitritts zur ID-Partei befürchten somit eine stärkere Einbindung der AfD in die EU anstelle der beabsichtigten Distanzierung.

Auf einem eintägigen AfD-Bundesparteitag am 28. Juli, der dem Europaparteitag vorausgeht, steht ein Antrag des Parteivorstands zur Abstimmung, der auf den Beitritt der AfD zur ID-Partei abzielt. Dies solle bis spätestens 15. September umgesetzt werden.

(afp/er)



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