Armut in Deutschland angestiegen – Linkes Bündnis fordert „entschiedene Schritte zur Umverteilung“
Die Armut in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verfestigt: Für Langzeitarbeitslose und Menschen in prekären Jobs gibt es immer weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Das geht aus dem sechsten Armuts- und Reichtumsbericht hervor, der am Mittwoch das Kabinett passierte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein in Armut lebender Mensch fünf Jahre später noch immer arm ist, stieg demnach seit Ende der 1980er Jahre von 40 auf 70 Prozent.
Zahlreiche Sozialverbände mahnten deshalb einen politischen Kurswechsel an. Auch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping rief zu Konsequenzen auf: „Diese Ungleichheit ist ein Sprengsatz an den Grundpfeilern der Demokratie“, warnte sie. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte „eine Infrastruktur, die allen Menschen offensteht, damit sie nicht nur räumlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B, sondern auch sozial von unten nach oben kommen können“. Der Sozialverband VdK machte sich dafür stark, die Hartz-IV-Sätze und den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen und die prekäre Beschäftigung einzudämmen.
Auch Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) räumte Handlungsbedarf ein: Die staatliche Grundsicherung müsse reformiert werden und der Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde steigen. Gleichzeitig hob Heil auch positive Entwicklungen hervor: Bei den Beschäftigten im untersten Einkommensbereich etwa seien die Löhne durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns überdurchschnittlich stark gestiegen. Zudem lebe der Großteil der Deutschen in stabilen sozialen Lagen: „Deutschland ist keine Abstiegsgesellschaft.“
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Der Armuts- und Reichtumsbericht wird alle vier Jahre erstellt und soll eine Bestandsaufnahme der sozialen Lage im Land liefern. Bei der sechsten Auflage spielten auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle. Von den wirtschaftlichen Auswirkungen seien vor allem Geringverdiener und befristet Beschäftigte betroffen. Der Bericht hebt aber auch hervor, dass staatliche Maßnahmen wie Hilfspakete und Kurzarbeitergeld die negativen Folgen abgemildert hätten: „Diese Hilfen haben (…) die wirtschaftlichen Härten besonders für die untere Einkommensmitte abgefedert.“
Der Regierungsbericht zeigt ferner, wie ungleich der Reichtum in Deutschland verteilt ist: Die oberen zehn Prozent der Gesellschaft besitzen demnach fast 64 Prozent des Nettogesamtvermögens – noch mehr als bislang vermutet. Die Nationale Armutskonferenz – ein Bündnis von mehreren Organisationen und Initiativen – sieht dadurch den sozialen Frieden gefährdet und fordert „entschiedene Schritte zur Umverteilung“. (dpa)
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