Anschläge, Sabotage, Spionage: Wie Deutschland sich auf den Ernstfall vorbereitet

Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt vor Sabotageakten, Cyberangriffen und Spionageversuchen, die vom Kreml oder anderen Akteuren ausgehen könnten. Mit dem Kritis-Dachgesetz will die Bundesregierung die Resilienz des Landes gegen hybride Bedrohungen stärken – doch die Umsetzung stockt.
Die Innenministerin ist besorgt. (Archivbild)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will das sogenannte Kritis-Dachgesetz noch vor der Wahl auf den Weg bringen. Die Innenministerin ist besorgt. (Archivbild)Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 2. Dezember 2024

Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt vor einer „immer aggressiveren“ Gangart der Russischen Föderation gegenüber dem Westen. Knapp zwei Wochen, nachdem mehrere NATO-Mitgliedstaaten die Führung in Kiew autorisiert haben, mit westlichen Waffen Ziele weit auf russischem Territorium anzugreifen, beklagt sie zunehmende Sabotageversuche in Europa. Deutschland sei dabei in besonderer Weise im Fokus – „weil wir der größte Unterstützer der Ukraine in Europa sind“.

Diese befindet sich seit Februar 2022 in einem grenzüberschreitenden Krieg mit Russland. Der Kreml beschuldigt den Westen, er würde die Ukraine, die weder NATO- noch EU-Mitgliedstaat ist, auch bei Sabotageakten auf russischem Boden unterstützen.

Hybride Kriegsführung: Faeser warnt vor Eskalation und möglichem NATO-Bündnisfall

Im „Handelsblatt“ äußert Faeser, es habe bereits konkrete Pläne für Anschläge auf Militäranlagen gegeben. Es sei jedoch – teils mithilfe verbündeter Sicherheitsdienste – gelungen, diese zu vereiteln. Auch Cyberangriffe seien an der Tagesordnung. Sie hoffe, so Faeser, dass nicht „die Schwelle zum NATO-Bündnisfall überschritten wird“.

Deutschland müsse „weiter entschieden, aber zugleich besonnen handeln“. Dies habe Bundeskanzler Olaf Scholz stets getan, um ein solches Szenario zu verhindern. Dennoch nehme die „hybride Bedrohungslage“ zu. US-Geheimdienste hätten einen Attentatsplan auf Armin Papperger, den CEO des Rüstungskonzerns Rheinmetall, aufgedeckt.

Neben „Desinformationskampagnen“ und der mutmaßlichen Sabotage von Unterwasserkabeln in der Ostsee – derer jedoch ein chinesisches Schiff verdächtigt wird – könnten auch Brandanschläge Teil der „hybriden Kriegsführung“ sein. Solche hätten sich in Großbritannien und Polen gehäuft, aber auch in Leipzig habe ein DHL-Luftpostpaket gebrannt. Allerdings gebe es bisher keine Hinweise darauf, dass Sabotage den Absturz eines in Leipzig gestarteten DHL-Flugzeugs in Litauen ausgelöst habe.

Kritis-Dachgesetz soll elf Sektoren betreffen

Gefährdet durch die „hybride Kriegsführung“, so Faeser, seien nicht nur Rüstungskonzerne, sondern sämtliche Unternehmen in Deutschland, die zur kritischen Infrastruktur gehörten. Die Angriffe seien so vielgestaltig, dass sie auch Spionage zum Zweck des Know-how-Abflusses umfassten. Unter anderem betreffe dies Innovationen im medizinischen Bereich.

Faeser forderte die Union dazu auf, das geplante „Kritis-Dachgesetz“ noch vor der Wahl im Februar mitzutragen. Dieses liege nach dem Ampel-Aus vorerst auf Eis. Das Gesetz soll für Unternehmen und Einrichtungen in elf Bereichen gelten. Diese sind: Energie; Transport und Verkehr; Finanz- und Versicherungswesen; Öffentliche Verwaltung; Gesundheit; Ernährung; Trinkwasser; Abwasser; Siedlungsabfallentsorgung; Informationstechnik und Telekommunikation sowie Weltraum.

Auch der Verfassungsschutz berate zu Schutzmaßnahmen gegen Cyberattacken, Spionage und Sabotage. Man habe, so Faeser, auch gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das Unterstützung bieten soll.

Erheblicher Mehraufwand bei Umsetzung von Kritis-Dachgesetz möglich

Im Kritis-Dachgesetz selbst soll es um bundeseinheitliche und sektorenübergreifende Maßnahmen gehen, um die Resilienz und den physischen Schutz entsprechender Infrastrukturen zu stärken. Es soll jedoch nicht nur Sabotage als Gefahrenlage, sondern auch menschliches Versagen und Naturkatastrophen im Blick haben.

Der derzeitige Entwurf sieht vor, dass sich Betreiber kritischer Infrastruktur bis Juli 2026 bei mehreren Stellen registrieren müssen. Dazu gehören das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Das Kritis-Dachgesetz sieht Mindeststandards für Sicherheitsmaßnahmen und Meldepflichten für Störungen vor. Es soll bereits bestehende IT-Sicherheitsvorgaben ergänzen und die EU-Richtlinie zur Resilienz kritischer Einrichtungen (CER) umsetzen. Die Normadressaten sollen „geeignete und verhältnismäßige technische, sicherheitsrelevante und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung der erforderlichen Resilienz“ setzen.

Faeser weist auf Investitionen des Bundes in Sicherheitssysteme hin

Auf die betroffenen Unternehmen kommen auch regelmäßige Risikoanalysen und Sicherheitsmaßnahmen zu, die zu implementieren sind. Entsprechende Berichte und Bewertungen wären alle vier Jahre vorzulegen – erstmals maximal neun Monate nach dem Inkrafttreten.

Überschneidungen zu den EU-Vorgaben wie NIS-2 oder DORA sind möglich, was für die Betroffenen einen weiteren Rechercheaufwand nach sich ziehen kann. Betreiber müssten sich permanent an branchenübliche Standards anpassen und ihre Betriebsstätten und Anlagen entsprechend schützen. Bei Verstößen drohen Bußgelder, deren Höhe der Entwurf jedoch noch offenlässt.

Faeser selbst betont, die Bundesregierung habe in erheblichem Ausmaß in den Schutz der Bevölkerung investiert. So gebe es neue Handy-Warnsysteme. Sirenen, die bereits abgebaut worden seien, habe man wiedererrichtet. Zudem habe der Bund fast zwei Milliarden Euro in neue Hubschrauber für die Bundespolizei investiert – und er habe ein modernes Konzept für Schutzräume erarbeitet.

Bürger sollen notfalls im eigenen Keller Zuflucht finden

Im Ernstfall müsse es möglich sein, dass Bürger „Schutzräume im sehr nahen Umfeld“ fänden. Dazu, so Faeser, gehörten „gut erreichbare Zufluchtsorte wie Tiefgaragen, U-Bahn-Stationen oder Keller von öffentlichen Gebäuden, die über Navigations- und Warn-Apps schnell zu finden sein müssen“. Man gebe auch Hinweise, wie man mit einfachen Mitteln auch eigene Keller schützen könne. Wann das Konzept fertig sei, ließ die Ministerin offen. Sie erklärte dazu:

Wir arbeiten daran. Aber wir können Versäumnisse von Jahrzehnten nicht innerhalb weniger Jahre aufholen.“



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