Ampel-Regierung streitet über Weiterbetrieb von AKWs
Die Ampel-Koalition streitet zunehmend über längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen AKWs in Deutschland. Die Grünen wiesen am Dienstag einen dahingehenden Vorstoß von FDP-Fraktionschef Christian Dürr zurück. Auch Unionspolitiker fordern wegen eines drohenden Gasmangels seit längerem, Atomkraftwerke (AKW) über das Jahresende hinweg laufen zu lassen. Umweltverbände hingegen sprachen von einer „Scheindebatte“.
Seit Montag wird wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr über die Ostseepipeline Nord Stream 1 geliefert. Dies dauert in der Regel bis zu zehn Tage. Wegen des Ukraine-Kriegs und der westlichen Sanktionen gegen Russland besteht nun jedoch große Sorge, dass der Gashahn zubleiben könnte.
Dürr: Gas nicht für Stromerzeugung nutzen
„Es kann passieren, dass nach den Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 kein Gas mehr fließt“, sagte FDP-Fraktionschef Dürr der Deutschen Presse-Agentur. Der russische Präsident Wladimir Putin mache, was er wolle. Es wäre kaum verwunderlich, wenn er technische Gründe vorschieben sollte, um den Gashahn endgültig abzudrehen. „Wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen“, sagte Dürr. „Aber wir müssen uns auf ein Szenario einstellen, das weitreichende Konsequenzen für private Haushalte und die deutsche Industrie haben könnte. Kein Kubikmeter Gas sollte mehr verstromt werden müssen. Deswegen wäre es jetzt richtig, die Laufzeiten der Kernkraftwerke über den Winter hinaus zu verlängern.“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge lehnte die Forderung ab. „Die Debatte um die Laufzeitverlängerung von AKWs ist eine Scheindebatte“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Denn natürlich wissen auch die Befürworter der Atomenergie, dass die drei verbliebenen AKWs keinen nennenswerten Beitrag zur Sicherung der Gasversorgung leisten können.“ Hinzu kämen Sicherheitsrisiken und das Fehlen von Brennstäben. Dröge warf der Union vor, von eigenen Fehlern wie der einseitigen Abhängigkeit von russischem Gas ablenken zu wollen. „Das, was jetzt wirklich hilft, sind Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs und für mehr Energieeffizienz. Dafür braucht es einen gemeinsamen Kraftakt.“
Die drei Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 müssen nach geltendem Recht spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) hatten in einem Prüfvermerk im März von längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke abgeraten. Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen, hieß es damals.
Verlängerung wohl keine Auswirkung auf kommenden Winter
Eine Verlängerung der Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke würde im kommenden Winter keine zusätzlichen Strommengen bringen, hieß es – sondern frühestens ab Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neu hergestellten Brennstäben. Die drei Atomkraftwerke stellen rund 5 Prozent der deutschen Stromproduktion dar. Auch die drei Betreiber der Anlagen haben Laufzeitverlängerungen eine Absage erteilt.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz appellierte jedoch an die Grünen, einer weiteren Nutzung der Atomkraft in Deutschland zuzustimmen. „Liebe Grüne, springt über Euren Schatten. Keine Denkverbote. Tut es für Deutschland“, schrieb Merz in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung. Angesichts der Energiekrise „sollten wir uns nicht die Möglichkeit nehmen, unsere Kraftwerke weiter laufen zu lassen, um damit Gas bei der Stromerzeugung einzusparen.“ Auch die Union wolle ein „baldiges Ende der alten Atomkraft“ – aber nicht jetzt.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der „Bild“-Zeitung: „Putin stellt Deutschland das Gas ab und die Grünen uns die Atomkraft. Das provoziert doch geradezu den Blackout im Winter.“
Kritik an „Scheindebatte“
Die SPD-Fraktion verwies auf Aussagen von Fraktionsvize Matthias Miersch, der vor einigen Wochen in der „taz“ gesagt hatte: „Wir brauchen jetzt keine Scheindebatten über Laufzeitverlängerungen von AKWs. Gefragt sind echte Lösungsansätze zur Überwindung der Gaskrise.“ Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte der dpa: „Wir haben kein Strom-, sondern ein Wärmeproblem.“ Der Beitrag von Gaskraftwerken zur Stromerzeugung sei überschaubar. „Das ist eine völlige Scheindebatte“.
Bundestag und Bundesrat machten in der vergangenen Woche den Weg dafür frei, vorübergehend mehr Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung heranzuziehen. Damit soll Gas eingespart und stattdessen eingespeichert werden. Ein Änderungsantrag der Unionsfraktion, der eine längere Laufzeit von AKWs zum Ziel hatte, wurde im Bundestag hingegen abgelehnt. (dpa/mf)
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