Ampel gescheitert: Scholz kündigt Vertrauensfrage an – mögliche Neuwahl bis Ende März
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Bundesfinanzminister Christian Lindner entlassen. „Ich habe soeben den Bundespräsidenten um die Entlassung des Bundesministers der Finanzen gebeten“, teilte Scholz bei einem Pressestatement im Kanzleramt mit. Lindner habe „zu oft mein Vertrauen gebrochen“, hieß es weiter. Der Kanzler will die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Die Abgeordneten könnten dann entscheiden, ob sie den Weg für vorgezogene neue Wahlen frei machen, sagte er. „Diese Wahlen könnten dann unter Einhaltung der Fristen, die das Grundgesetz vorsieht, spätestens bis Ende März stattfinden.“
Scholz sucht Gespräch mit Merz
Scholz werde davor auch das Gespräch mit Oppositionsführer Friedrich Merz suchen. Dabei solle es unter anderem um die Stärkung der Wirtschaft gehen. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, „die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung“, sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: „Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen.“ Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das „vielleicht dringender denn je“. Der Kanzler sagte: „Es geht darum, jene Entscheidung zu treffen, die unser Land jetzt braucht. Darüber werde ich mit der verantwortlichen Opposition das Gespräch suchen.“
Scholz plant Gesetzesoffensive ohne FDP
In den verbleibenden Sitzungswochen bis zum Jahresende will Scholz derweil offenbar nur mit den Grünen „alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die keinerlei Aufschub dulden“. Dazu zählten der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die schnelle Umsetzung der Regeln des gemeinsamen europäischen Asylsystems sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie. Wie er dafür Mehrheiten organisieren will, ließ Scholz aber offen.
In seinem Statement schob Scholz die volle Verantwortung für das Ampel-Aus auf Lindner. Dieser habe zu oft „Gesetze sachfremd blockiert“. Zu oft habe er „kleinkariert parteipolitisch taktiert“ und zu oft sein Vertrauen gebrochen, so Scholz. „Es gibt keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit.“ Eine „ernsthafte Regierungsarbeit“ sei nicht möglich. Lindner gehe es nur um die eigene Klientel. „Ihm geht es um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei“, sagte er Kanzler, der dem FDP-Chef zudem Respektlosigkeit vorwarf. Zu den anderen FDP-Ministern äußerte er sich nicht.
Lindner wirft Scholz kalkulierten Bruch der Koalition vor
Lindner macht seinerseits den Bundeskanzler für das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich. „Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen“, sagte der von Scholz entlassene Bundesfinanzminister.
Linder warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen „kalkulierten Bruch dieser Koalition“ herbeigeführt zu haben. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging.“
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— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) November 6, 2024
Damit führe Scholz Deutschland in eine Phase der Unsicherheit, so Lindner weiter. Er habe dem Kanzler stattdessen einen gemeinsamen Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen, „um geordnet und in Würde eine neue Bundesregierung zu ermöglichen“. Dieses Angebot habe der Bundeskanzler „brüsk“ in der Sitzung des Koalitionsausschusses zurückgewiesen.
Lindner warf der SPD und den Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass Deutschland einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige. „Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost“, sagte Lindner.
„Seine Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche unseres Landes zu überwinden, damit wir unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherung und unsere ökologische Verantwortung erhalten können“, so der FDP-Chef.
Als Grund für das Scheitern der Koalition nannte Lindner, dass Scholz von der FDP verlangt habe, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen. „Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte.“ Zur Zukunft der weiteren FDP-Minister im Kabinett machte Lindner zunächst keine Angaben.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Habeck nennt Ampel-Aus „geradezu tragisch“
Die Grünen wollen unterdessen nach dem Ende der Ampel-Koalition zunächst Teil einer Minderheitsregierung mit der SPD bleiben. Das machte Vizekanzler Robert Habeck am Mittwochabend in Berlin deutlich. Die Entlassung des Finanzministers bezeichnete er als „folgerichtig“.
Das Ampel-Aus sei „geradezu tragisch, an einem Tag wie diesen, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss“, sagte er am Mittwochabend vor dem Bundeskanzleramt. Es sei auch nicht nötig gewesen, aber man habe es nicht geschafft, die Haushaltslücke zu schließen. Die FDP sei nicht bereit gewesen, die nötigen Schritte zu gehen.
„Wir werden jetzt zügig den Weg zu geordneten Neuwahlen frei machen“, fügte Habeck hinzu. Im Frühjahr werde Deutschland eine neue Entscheidung zu treffen haben, für die nächste Regierungskonstellation.
Lindner hatte „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen
Lindner hatte schon vor einiger Zeit den „Herbst der Entscheidungen“ für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
(dpa/afp/dts/dl)
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