AfD vor Spaltung? Poggenburg will Nationalkonservative neu organisieren
Obwohl in diesem Jahr mehrere Wahlen bevorstehen, die für die Alternative für Deutschland (AfD) günstige Erfolgsvoraussetzungen erahnen lassen, hängt innerhalb der rechtskonservativen Partei nach wie vor der Haussegen schief.
Bereits im Oktober des Vorjahres hatten mehrere Dutzend Mitglieder und Funktionsträger der Partei, darunter auch Landtagsabgeordnete, mit dem „Stuttgarter Aufruf“ ein, wie es darin hieß, „deutliches Signal an die AfD-Vorstände aller Ebenen zur Einigkeit und die Sammlung aller auf eine echte Alternative zu den bestehenden Parteien ausgerichteten Kräfte innerhalb der AfD“ lanciert.
Die Unterzeichner erklärten weiter:
„Wir widersetzen uns allen Denk- und Sprechverboten innerhalb der Partei und zeigen allen Vorständen die rote Karte, die sich an Machenschaften beteiligen, den Mitgliedern ihr Recht auf das freie Wort und eine eigenständige Analyse der politischen Zustände zu nehmen.“
Es gäbe, so der Aufruf, nur eine rote Linie: das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch.
Fast-Bundessprecherin soll aus der Partei ausgeschlossen werden
Das Dokument sollte im Kern eine Reaktion darstellen auf eine von den Initiatoren als solche wahrgenommene Verengung des Meinungsspektrums innerhalb der AfD und eine Mehrzahl in jüngster Zeit initiierter Parteiausschlussverfahren, die sich auch gegen gewählte Abgeordnete und exponierte Funktionsträger richteten.
Der prominenteste Fall dieser Art ist das jüngste Vorgehen gegen die frühere Fraktions- und Landeschefin der AfD in Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, der auf dem Bundesparteitag von Hannover im Dezember 2017 lediglich eine Stimme gefehlt hatte, um gleichberechtigt neben Jörg Meuthen Bundessprecherin zu werden.
Die bundesweit bekannte Politikerin war bei ihrer eigenen Fraktion in Ungnade gefallen, weil sie einem Verein angehört und diesen beworben haben soll, dem rechtsextremistische Persönlichkeiten in führender Position angehört hatten. Der Verein stand zudem auf der Unvereinbarkeitsliste des Bundesvorstandes. Zudem soll von Sayn-Wittgenstein gegenüber einem Fraktionsmitarbeiter den Holocaust geleugnet haben. Bezeugen kann einen solchen Vorfall nur der Mitarbeiter selbst. Allerdings hat der pensionierte Oberstaatsanwalt aus Kiel, der selbst kein Parteimitglied ist, diesbezüglich eine eidesstaatliche Erklärung an den Bundesvorstand gerichtet.
Von Sayn-Wittgenstein hat mittlerweile einen Sieg vor dem Landesschiedsgericht der AfD errungen, das eine vorläufige Aufhebung von Mitgliedsrechten als unzulässig erachtete. Sie wird mit dabei sein, wenn sich am 9. Februar 2019 in Ulm unter der Schirmherrschaft der baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Dr. Christina Baum die Initiatoren des „Stuttgarter Appells“ treffen und unter anderem mehrere Parlamentarier der Partei auftreten, gegen die zurzeit Parteiausschlussverfahren laufen.
Initiatorin weist Spaltungsgerüchte zurück
Die Veranstaltung, die vom Herausgeber der Zeitschrift „Compact“, Jürgen Elsässer, moderiert werden soll, könnte, so vermuten Beobachter wie der Publizist David Berger, zur „Geburtsstunde einer neuen, rechts von der AfD anzusiedelnden Splitterpartei“ werden. Organisatorin Dr. Christina Baum weist diese Spekulationen zurück und schreibt:
„Wir wollen damit nur zum Ausdruck bringen, dass wir nicht alle Entscheidungen des Bundesvorstands einfach so hinnehmen. Wir wehren uns gegen ungerechtfertigte Entscheidungen des Vorstandes.“
Ein noch prominenterer Exponent des nationalkonservativen Flügels der Partei, der frühere Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, scheint unterdessen eine neue Plattform zur Vernetzung gleichgesinnter Parteimitglieder organisieren zu wollen. Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ schreibt, will Poggenburg am kommenden Wochenende in Thüringen ein Vernetzungstreffen abhalten.
In welchem Verhältnis die Gruppe „Die Nationalkonservativen“ zum bisherigen Interessensverband der Parteirechten, dem „Flügel“, steht, ist noch unklar. Poggenburg hatte zwar in Interviews der jüngsten Zeit davor gewarnt, dass es zu einer Abspaltung unzufriedener Mitglieder vom rechten Flügel der AfD kommen könnte, aber sich dabei nicht selbst als aktiven Betreiber einer solchen Entwicklung ins Spiel gebracht.
Strategie der Spannung durch deftige Wortwahl?
Auch die jetzige Sammlung ist noch weit von einer alternativen Parteigründung entfernt. Allerdings ist die Zusammenfassung von Mitgliedern in einem einigermaßen straff geführten Block seit den Erfahrungen mit dem „Weckruf“ von Bernd Lucke im Jahr 2015 etwas, das in der AfD Alarmglocken schrillen lässt.
In den letzten Wochen hat Poggenburg offenbar bewusst mehrfach durch seine Wortwahl die Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Dezember nannte er die CDU auf einer Kundgebung in Rostock eine „politische Hure“, in einem Neujahrsgruß benutzte er das Wort „Volksgemeinschaft“, und zwar – anders als etwa die Ideologiekritiker von „Bonjour tristesse“, die das Bonmot von der „Volksgemeinschaft gegen rechts“ mit Blick auf selbsternannte „Anständige“ und „Antifaschisten“ geprägt hatten – ohne ironischen Kontext.
Es ist nicht auszuschließen, dass Poggenburg die bewusste Provokation sucht, um auch gegen sich selbst Ordnungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Die in einem solchen Fall zu erwartende Empörung im rechten Parteiflügel könnte er nutzen, um einer eigenständigen Neugründung zusätzlichen Elan zu verleihen.
André Poggenburg genoss lange Zeit zumindest in den Ost-Verbänden der AfD ein hohes Maß an Autorität. Er schaffte es, den zuvor heillos zerstrittenen Landesverband in Sachsen-Anhalt zu ordnen und mit 24,3 Prozent im März 2016 zum bisher besten Ergebnis bei einer überregionalen Wahl zu führen.
Pegida als möglicher Gründungspartner
In seinem Landesverband wuchs jedoch mit Fortdauer der Zeit der Unmut über seinen Führungsstil, innerparteiliche Gegner warfen ihm zudem Tendenzen in Richtung Vetternwirtschaft vor. Die Aschermittwochsrede Poggenburgs im Februar 2018, in der dieser von Türken als „Kameltreibern“ und „Kümmelhändlern“ gesprochen hatte, war der offizielle Anlass für Fraktion und Landesvorstand, ihn zur Niederlegung seiner Ämter zu bewegen.
Tatsächlich dürfte Poggenburg bereits zuvor entscheidende Teile seiner Landesgruppe verprellt haben, als er auf dem Landesparteitag im Januar 2018 das Landesschiedsgericht frontal angriff, nachdem dieses seinen Antrag abgelehnt hatte, einen Kreisverband aufzulösen. Daraufhin traten die Mitglieder des Schiedsgerichtes – mehrheitlich selbst Nationalkonservative und zuvor loyale Poggenburg-Anhänger – geschlossen zurück.
Sollte Poggenburg tatsächlich Ambitionen entwickeln, eine Konkurrenz zur AfD zu etablieren, wird damit gerechnet, dass er versuchen wird, dabei die Bürgerbewegung Pegida mit ins Boot zu holen. Eine Schlüsselrolle als Netzwerker könnte dabei auch dem Publizisten Jürgen Elsässer zukommen, der bereits in den letzten Jahren mehrere gemeinsame Veranstaltungen mit Poggenburg durchgeführt hatte.
Ohne Höcke keine Erfolgsaussichten
Das Risiko eines Scheiterns ist für eine solche Parteigründung rechts der AfD allerdings jetzt schon sehr hoch. Neben dem vor allem im Westen geringen Wählerpotenzial würde ein Verbleib des nationalkonservativen Thüringer Landeschefs Björn Höcke, dessen Parteiausschlussverfahren Anfang 2018 gescheitert war, in der AfD einen erheblichen Teil des Zielpublikums für Poggenburg & Co. zum Verbleib in der Partei animieren.
Höcke jedoch, der seit dem Ende des gegen ihn gerichteten Ordnungsverfahrens moderatere Töne anschlägt und zuletzt ebenfalls die AfD davor gewarnt hatte, eine „Dauerrolle als Oppositionspartei“ anzustreben, genießt bei den Nationalkonservativen immer noch den größten Rückhalt – während er es zunehmend schafft, auch Sympathien bei Parteifunktionären zu sammeln, die ihn zuvor erbittert bekämpft hatten. Gelingt es dem Thüringer Landesverband unter Höcke, bei den Landtagswahlen im kommenden Herbst deutliche Zugewinne einzufahren, würde dies den Anfang vom Ende eines möglichen Abspaltungsprojekts bedeuten.
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