800 Milliarden Euro neue Schulden? Union und SPD verhandeln über Sondervermögen

Am Montag, 3.3., werden Medienberichten zufolge die am Freitag begonnenen Sondierungsgespräche zwischen den Unionsparteien und der SPD im Bund fortgesetzt. Der Parteichef der Sozialdemokraten, Lars Klingbeil, spricht von einem „Willen, Gemeinsames hinzubekommen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen möglicherweise „schon vor Ostern“ abgeschlossen sein könnten. Unterdessen ist das Thema möglicher neuer Schulden in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt.
Sondervermögen für zwei Bereiche stehen zur Debatte
Die Union und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatten nach langem Zögern die Bereitschaft erkennen lassen, eine Reform der Schuldenbremse zuzulassen. Merz wollte über dieses Thema jedoch nicht zeitnah diskutieren. Jedoch stehen nun gleich zwei neue Sondervermögen im Raum, die möglicherweise noch auf Grundlage der Mehrheitsverhältnisse im alten Bundestag beschlossen werden sollen.
Insgesamt soll es dabei um mindestens 800 Milliarden Euro gehen, die abseits der Schuldenbremse generiert werden sollen. Von 400 Milliarden Euro ist dabei die Rede, wenn es um ein weiteres Sondervermögen für die Verteidigung geht. Die Ansagen von US-Präsident Donald Trump, keine bedingungslose Unterstützung für europäische Verbündete leisten zu wollen, haben die Akteure in Berlin aufgeschreckt.
Weitere 400 bis 500 Milliarden Euro sollen für dringliche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in ein weiteres Sondervermögen gehen. Dies berichtet die Nachrichtenagentur „Reuters“ unter Berufung auf Verhandlungskreise. Die Grundlage für die Erwägungen sind ein Vortrag von Bundesfinanzminister Jörg Kukies über die Haushaltslage und gemeinsame Vorschläge von vier Ökonomen.
Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt umfasst jährlich 440 Milliarden Euro. Neben dem Bundeshaushalt würden damit in Höhe von fast zwei Bundeshaushalte neue Schulden aufgenommen.
Was diesen Weg von regulären Haushaltsschulden unterscheidet
Zwar prüften Experten auf der Fachebene noch weitere Möglichkeiten, Mittel für diese Aufgabenbereiche zu mobilisieren. Allerdings zeichnet sich ab, dass der alte Bundestag im März noch beide Sondervermögen auf den Weg bringen könnte. Im neu gewählten Parlament würden AfD und Linkspartei eine Sperrminorität bilden können.
Sondervermögen sind im deutschen Haushaltsrecht als wirtschaftlich verselbstständigte Nebenhaushalte definiert. Diese sind für die Erfüllung einzelner begrenzter Aufgaben des Bundes in besonderen Situationen bestimmt. Sie werden vom regulären Haushaltsvermögen getrennt verwaltet.
Was die Sondervermögen, die durch Kreditaufnahmen finanziert werden können, von regulären Haushaltsschulden unterscheidet, ist, dass sie nicht der Schuldenbremse unterliegen. Dafür sind die dort zusammengefassten Mittel strikt zweckgebunden.
Wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 2023 entschieden hat, ist auch eine nachträgliche Umwidmung in den Sondervermögen gebundener Mittel nicht statthaft. Dies wäre eine Umgehung der Schuldenbremse. Gleichzeitig scheint der Maßstab bezüglich der zweckgebundenen Verwendung von Sondervermögen nicht allzu streng zu sein. Im Kontext des bestehenden 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr monierte die Union mehrfach, daraus würde auch der reguläre Betrieb der Truppe finanziert.
Grundgesetz-Artikel zu den Streitkräften als alternative Option
Derzeit zeichnen sich drei mögliche Wege ab, um den hohen Finanzbedarf, den man in den Reihen von Union und SPD sieht, noch in der auslaufenden Legislaturperiode zu befriedigen. Einer davon ist eine Kreditaufnahme unter Berufung auf die Ausnahme des Artikels 109 Absatz 3 Grundgesetz zur Schuldenbremse.
Aufgenommene Kredite würden dort nicht unter diese fallen, wenn es sich um eine „außergewöhnliche Notsituation“ handelt. Diese müsse sich „der Kontrolle des Staates entziehen“ und „die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Allerdings dürfte die Bundesregierung auch dann Geld nicht auf Vorrat dort deponieren, sondern müsste das Bestehen dieser Notsituation jährlich neu prüfen.
Einfacher ließe sich eine Änderung des Artikels 87a des Grundgesetzes zur Aufgabe und Finanzierung von Streitkräften veranlassen. Dort ist derzeit die Rede von einem Sondervermögen von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro, das abseits der Schuldenregel geschaffen werden könne. Allerdings benötigen Union und SPD dafür Unterstützung aus den Reihen der früheren weiteren Ampel-Parteien.
Sondervermögen bedeuten in jedem Fall massive Neuverschuldung
Die Ausnahmeregel zur Schuldenbremse selbst lässt sich jedoch nicht so einfach umschreiben, auch nicht durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die Union, SPD und Grüne im künftigen Bundestag nicht mehr hätten. Das ist auch einer jener Gründe, warum Merz skeptisch ist bezüglich einer zeitnahen Änderung der Schuldenregel.
Zwar könnte man etwa die Kreditaufnahme für Investitionen als weiteren Ausnahmetatbestand in die Regel zur Schuldenregel aufnehmen. Allerdings würde das nur dazu führen, dass sich künftig Debatten entlang der Definition des Begriffes ergeben – und des Verständnisses davon, was alles eine „Investition“ darstellen sollte.
In jedem Fall wäre in Anbetracht der angespannten Haushaltslage nicht damit zu rechnen, dass sich die Sondervermögen lediglich durch Umschichtungen im regulären Haushalt bewerkstelligen ließen. In jedem Fall liefen sie auf eine erhebliche Ausweitung der Staatsverschuldung hinaus.
Außerdem gibt es erfahrungsgemäß keine Garantie dafür, dass der finanzielle Spielraum, der dadurch gewonnen würde, streng für die angestrebten Zwecke genutzt würde. Der DGB warnt seinerseits, dass eine Reform der Schuldenbremse nur für einzelne Bereiche wie die Rüstung Reformbereitschaft in anderen Bereichen bremsen könne.
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