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Ein Täter, der in kein Raster passt

80 Hinweise übergangen? Innenausschuss auf Spurensuche nach Magdeburg-Attentat

Nach dem Anschlag von Magdeburg hat der Innenausschuss des Bundestages erste Schritte zur politischen Aufarbeitung unternommen. Innenministerin Nancy Faeser drängt auf mehr Mittel und Reformen, während die Opposition auf Versäumnisse bei den Sicherheitsbehörden hinweist.

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Innenpolitiker erwarten Aufklärung von Ministerin Nancy Faeser.

Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images

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Erstmals nach dem Anschlag von Magdeburg hat sich am Montag, 30.12., der Innenausschuss des Deutschen Bundestages mit der Bluttat befasst. Bereits am Vormittag hatte es eine dreistündige Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gegeben. Oberste Verantwortungsträger der Bundesbehörden wie BKA-Präsident Holger Münch standen den Abgeordneten Rede und Antwort. Im Innenausschuss informierte unter anderem Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang über den aktuellen Erkenntnisstand.

Faeser: Umgang mit unspezifischen Gefährdern entwickeln

Bundesinnenministerin Nancy Faeser trat am späten Nachmittag vor die Presse. Dabei dankte sie den Behördenleitern für ihre Berichte. Die Ermittlungen stünden jedoch erst am Anfang, und es gelte, „gründlich und genau“ alle Hintergründe auszuleuchten. Man müsse „jeden Stein umdrehen“.
Derzeit lägen diese bei der Generalstaatsanwaltschaft und beim LKA Sachsen-Anhalt. Dort fände der Großteil der Auswertungen statt, das BKA unterstütze diese jedoch. Im Innenausschuss hätten jedoch die Bundesbehörden und deren Arbeit im Vordergrund gestanden.
Der Täter, der „unfassbar brutal und grausam“ gehandelt habe, passe in kein gängiges Raster. Das Motiv sei nach wie vor unklar. Es müssten nun dessen „tausende“ Äußerungen in Netzwerken und alle gegen ihn geführten Verfahren untersucht werden. Daraus müsse man Strategien für den künftigen Umgang mit solchen Tätertypen entwickeln, die unter anderem „psychisch auffällig und oft von wirren Verschwörungsideen getrieben“ seien. Ein möglicher Weg dazu wären Fallkonferenzen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser stand nach der Sitzung des Innenausschusses den Medien Rede und Antwort.

Foto:.

Ministerin wirbt für Sicherheitspaket: „Wird Bundespolizei stärken“

Nach Solingen habe man, so Faeser, umfassende Konsequenzen veranlasst. Jedoch bräuchten die Sicherheitsbehörden, um effektiv arbeiten zu können, auch die erforderlichen Mittel und das nötige Personal. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sehe eine Milliarde Euro mehr für Sicherheitsbehörden vor sowie 1.000 weitere Kräfte bei der Bundespolizei.
Die Ministerin appellierte an die Union, auf dem Tisch liegende Gesetzentwürfe zur Stärkung der inneren Sicherheit „dringend“ und noch vor den Wahlen zu beschließen. Diese beträfen die automatisierte Datenanalyse – gerade, wenn es um eine Vielzahl vorhandener Informationen gehe. Allerdings brauche man auch Grundlagen für den biometrischen Internetabgleich und die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Konkretisierung des BKA-Gesetzes.
Vor allem betreffe dies die Speicherung von Beschuldigteninformationen im polizeilichen Informationsverbund. Aber auch das neue Bundespolizeigesetz müsse auf den Weg gebracht werden, das diese massiv stärken werde. Faeser wiederholte außerdem ihre Forderung nach einer rechtssicheren Speicherung von IP-Adressen. Mit Blick auf den bevorstehenden Silvestertag kündigte die Ministerin an, man habe die Polizeipräsenz verschärft. Der Rechtsstaat werde hart auf mögliche Gesetzesüberschreitungen reagieren.

Throm kritisiert Faeser für Stopp von VERA-Projekt

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, hat es begrüßt, dass die parlamentarische Aufarbeitung des Anschlags von Magdeburg begonnen habe. Allerdings hätten Sachsen-Anhalts Ministerin Zieschang und die im Ausschuss anwesenden Behördenchefs die Chronologie über die Erkenntnisse bezüglich des Täters zwar präsentiert, jedoch nicht schriftlich vorgelegt.
Throm kritisierte, dass es bis zu 80 Hinweise über den Tatverdächtigen an Stellen des Bundes gegeben habe. Dazu seien solche aus Saudi-Arabien selbst gekommen. Allerdings hätten die Bundesbehörden diese nicht einmal vollständig untereinander ausgetauscht – geschweige denn an Sachsen-Anhalt weitergegeben. Zuvor hatte SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann hingegen erklärt, von den 80 Hinweisen seien viele mehrfach vorhanden gewesen. Den Bundesbehörden seien deutlich weniger zugänglich gewesen.
Unionspolitiker Throm rechtfertigte die Blockade des Sicherheitspakets im Bundesrat damit, dass dieses „unzureichend“ sei. Dies liege unter anderem daran, dass Ministerin Faeser die technischen Voraussetzungen zum Datenabgleich nicht geschaffen habe. Es sei unverständlich, warum sie das von vielen Ländern vorangetriebene VERA-Analysesoftwaresystem auf Eis gelegt habe.
Auch die Vorratsdatenspeicherung sei im Innenausschuss von den Vertretern der Sicherheitsbehörden erneut empfohlen worden, fügte Throm hinzu. Wenn Faeser einen Konsens über das Sicherheitspaket anstrebe, solle der Bund den Vermittlungsausschuss anrufen.

Grüne: „Politische Verantwortung übernehmen“ – FDP gegen zusätzliche Überwachung

Für die Grünen erklärte Sicherheitssprecherin Irene Mihalic, es gelte, nach dem Anschlag noch umfassende Aufklärungsarbeit zu leisten. In Innenausschuss seien Sachverhalt, Tatablauf und Informationsfluss dargestellt worden. Vieles sei jedoch noch unklar geblieben. Es müsse geklärt werden, ob und inwieweit der Anschlag prognostizierbar gewesen.
Jemand müsse am Ende auch politisch Verantwortung übernehmen – anders als in den Fällen der „Love-Parade“-Katastrophe oder des Breitscheidplatz-Attentats. Allerdings seien Schlussfolgerungen zum jetzigen Zeitpunkt „pietätlos“, vor allem aber verfrüht. Gleiches gelte für Spekulationen über mögliche Gesetze.
Vonseiten der FDP kündigte der Abgeordnete Konstantin Kuhle an, es werde noch eine Vielzahl weiterer Sitzungen des Innenausschusses zur Aufarbeitung des Anschlags von Magdeburg geben. Diese werde auch nicht mit der Bundestagswahl enden. Allerdings verböten sich Diskussionen über zusätzliche Überwachungsmaßnahmen, so Kuhle. Behörden in Bund und Ländern hätten den mutmaßlichen Attentäter längst gekannt. Die nun angeregten Maßnahmen hätten im konkreten Fall keinerlei Mehrwert gebracht.

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