2.500 Jahre „demokratia“ – was hat sich seither verändert?

Die Demokratie herrscht – mehr oder weniger durchgängig – seit rund 2.500 Jahren. Seit ihrer Geburt im antiken Griechenland hat sie sich in weiten Teilen der Welt durchgesetzt. Doch was hat sich seither verändert? Würden die antiken Griechen sie wiedererkennen?
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Hat sich die Demokratie von ihren Wurzeln entfernt? Symbolbild.Foto: Felix Geringswald/iStock
Von und 5. März 2025

Die seit Kurzem über den Atlantik hinweg geführte Debatte zum Thema Meinungsfreiheit zeigt: Spätestens seit der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident können sich die Spitzenvertreter der Politik in Deutschland oder der EU nicht mehr auf einen westlichen Konsens berufen, was die Deutungshoheit von Begriffen angeht. Unterschiedliche Interpretationen scheint es insbesondere beim Begriff „Demokratie“ zu geben.

„Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt“, erklärte zuletzt der amerikanische Vizepräsident JD Vance am Valentinstag während seiner viel beachteten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Er ergänzte: „Es gibt keinen Raum für Brandmauern“.

Obwohl Vance es vermieden hatte, eine deutsche Partei beim Namen zu nennen, dürfte die Bedeutung seiner Ansage eindeutig sein: Die Regierung der Vereinigten Staaten sähe es lieber, wenn die AfD nach der Bundestagswahl von den übrigen Parteien nicht weiter ausgegrenzt würde. Denn mit den 20,8 Prozent nach der Bundestagswahl vertritt die blaue Partei immerhin die Interessen jedes fünften Bürgers in Deutschland – bei 59,2 Millionen Wahlberechtigten also knapp 12 Millionen Menschen.

Aus Sicht von Vance ist dies offenbar zu viel, um deren Anliegen – wie in Deutschland seit Jahren parteiübergreifender Konsens – von vornherein unter den Tisch fallen zu lassen.

Wie haben sich ihre Erfinder die Demokratie vorgestellt?

Die Aussage des US-Vizepräsidenten rührt an einem fundamentalen Punkt: Wer entscheidet in einer Demokratie, was „zählt“ und was nicht? In Deutschland, wie in vielen anderen westlichen Ländern, hat sich die Praxis etabliert, bestimmte politische Kräfte durch sogenannte Brandmauern von der Regierungsverantwortung auszuschließen. Vance stellt dieses Prinzip infrage – mit einem Rückgriff auf das demokratische Grundverständnis.

Doch wie haben sich eigentlich die Erfinder der Demokratie, die alten Griechen, dieses politische System vorgestellt? War ihre Version der Volksherrschaft näher an der von Vance betonten „Stimme des Volkes“ oder der modernen repräsentativen Demokratie? Ein Blick auf die Ursprünge des Begriffs zeigt, dass die griechische Vorstellung von „demos kratos“ – der Herrschaft des Volkes – einige markante Unterschiede zu heutigen Demokratien aufweist.

Vor rund 2.500 Jahren haben die antiken Griechen in Athen die Demokratie ins politische Leben gerufen. Wie bei jeder Erfindung war auch diese zu Beginn nicht perfekt, und es dauerte viele Jahre und kreative Köpfe, bis sie zu einem Prinzip heranreifte, das nicht nur gedanklich, sondern auch im realen Leben funktionierte.

Ein Blick auf die Bedeutung des Wortes „demokratia“, das im Jahr 425 vor Christus zum ersten Mal in Schriftquellen erwähnt wird, zeigt bereits den Grundgedanken dieser damals neuen Regierungsform.

Was bedeutet das Wort „Demokratie“?

Dieser Begriff setzt sich aus den beiden griechischen Worten „demos“ und „kratos“ zusammen. „demos“ bedeutet Volk, während „kratos“ mit Kraft oder Macht übersetzt werden kann – zusammen also die „Kraft des Volkes“.

Und genau das forderten die Athener Bürger, die bisher nur die Aristokratie kannten und nicht länger die Regeln des teils tyrannischen Adels übergestülpt bekommen wollten. Den Anstoß zur Demokratie gab zunächst Solon, Philosoph und einer der sieben Weisen Griechenlands. Mit seiner Reform führte Solon unter anderem das Wahlrecht ein, womit die reine politische Kontrolle durch den Adel unterbunden wurde.

Ausgebaut wurde dieser Gedanke später durch Kleisthenes von Athen, den „Vater der attischen Demokratie“. Da diese sehr gut dokumentiert ist, wissen Forscher heute, wie die Demokratie einst angelegt war – und dass die moderne Demokratie markante Unterschiede aufweist.

Nur Schein statt Sein?

Anstatt die Macht an eine Person zu koppeln, teilte Kleisthenes die Athener Bürger in zehn Stämme ein. Sie sind mit heutigen Wahlkreisen vergleichbar, denn sie richteten sich nach dem Wohnort und nicht wie zuvor nach dem Vermögen.

„Wahlberechtigt“ und die Politik mitbestimmen durften jedoch nach antikem Standard nur freie Männer, die in Griechenland geboren wurden und mindestens 18 Jahre alt waren. Kleisthenes sah jedoch vor, dass all diese männlichen Mitglieder auch aktiv am politischen Geschehen teilnehmen sollten. Und genau da liegt der Unterschied zwischen der Demokratie der Antike und der Moderne.

Für den britischen Psychologen Steve Taylor von der Leeds Beckett University ist unser modernes Konzept der Demokratie eine starke Abwandlung des griechischen Originals und hat nur noch wenig mit dem ursprünglichen Gedanken einer „Volkskraft“ zu tun.

„Die moderne Demokratie ist lediglich repräsentativ, das heißt, wir wählen Beamte, die in unserem Namen Entscheidungen treffen“, erklärte Taylor.

Das antike Griechenland indes pflegte das Prinzip der direkten Demokratie – dem Gegenteil der indirekten Demokratie von heute. Deutlich wird dies durch eine genauere Betrachtung der politischen Struktur:

Demokratie mit drei Gewalten

So gab es bereits im antiken Griechenland eine Art Gewaltenteilung mit den drei Hauptorganen der Regierung: die Ekklesia, die Bule und die Dikasteria. Die erste Gewalt – die Ekklesia – ist vergleichbar mit dem Parlament und damit der Legislative, also der gesetzgebenden Gewalt.

Im Gegensatz zu heute waren alle „wahlberechtigten“ Griechen aus den zehn Stämmen berechtigt, an den Volksversammlungen teilzunehmen, wo sie über politische Entscheidungen abstimmten. Über einen Beschluss konnte jedoch nur abgestimmt werden, wenn 6.000 „Wähler“ anwesend waren. Wer trotz Mitstimmungsrecht nicht teilnahm, wurde als „idiotai“ – griechisch für „Privatbürger“ – bezeichnet.

Die zweite Gewalt war die Bule, die auch als Rat der Fünfhundert bekannt ist. Sie ist vergleichbar mit der heutigen Exekutiven, der ausführenden Gewalt. Entsprechend ihrem Beinamen gehörten hierzu 500 per Los ausgewählte Männer – 50 aus jedem Stamm. Sie übernahmen entsprechend ihrer Funktion die praktischen Aufgaben der Regierung wie den Haushalt, Verfahren zu Amtsenthebungen oder die Entscheidung, über welche Themen in der Ekklesia als Nächstes diskutiert und abgestimmt werden sollte.

Die dritte und letzte Gewalt, die Dikasteria, ist mit der modernen Judikative gleichzusetzen, also der richterlichen Gewalt. Auch sie bestand aus 500 sogenannten Geschworenen, die ebenfalls per Los gewählt wurden. Sie beaufsichtigten „Gerichtsverhandlungen“, wo Rechtsstreitigkeiten zwischen athenischen Bürgern vorgetragen wurden. Die Geschworenen fällten jedoch nicht wie Richter Urteile oder entschieden über Strafen, darüber stimmten die anwesenden Bürger im Mehrheitsverfahren ab.

Nicht für die Demokratie geeignet?

Bereits in der Antike gab es Kritik an dieser Form der Demokratie – speziell in Bezug auf das Auslosen der Mitglieder des Rates der 500 und der Geschworenen. So sprach sich unter anderem Platon in seinem Werk „Politeia“ dagegen aus, da so viele Personen bestimmte Ämter bekleiden, ohne die erforderlichen Fähigkeiten oder Kenntnisse zu besitzen.

Bereits Kleisthenes führte zudem eine Möglichkeit ein, um die neu entstandene Demokratie gegen mögliche Bedrohungen zu verteidigen. So kannten auch die antiken Griechen aus der Vergangenheit die Gefahr für die Freiheit, wenn ungeeignete, tyrannische Personen an die Macht kamen. Um sich vor diesen Personen „zu schützen“, führte Kleisthenes die sogenannte Ächtung ein.

Einmal im Jahr entschieden die Bürger in der Ekklesia, ob eine Ächtung stattfinden soll. Wenn die Abstimmung ein Ja ergab, ritzten die Mitglieder die Namen der als gefährlich angesehenen Personen auf Tonscherben. Wer bei der anschließenden Auszählung die meisten Stimmen erhielt, musste Athen für zehn Jahre verlassen – ohne gleichzeitig seinen Besitz oder seine Rechte zu verlieren.

Mit der Ächtung und der Auslosung von Ämtern versuchten die Griechen, ihre frisch eingeführte Demokratie vor machtgierigen Tyrannen zu schützen. Dass diese Schutzmaßnahmen berechtigt sind, belegt die moderne Wissenschaft. So zeigten laut dem Psychologen Taylor einige Forschungsergebnisse, dass Menschen mit negativen Persönlichkeitsmerkmalen von hohen (politischen) Ämtern angezogen werden.

Für den Psychologen hat die antike Demokratie dahingehend einen wesentlichen Vorteil: „Direkte Demokratie bedeutet weniger Macht für den Einzelnen und mehr Kontrolle und Begrenzung der individuellen Autorität. Regierungen und Organisationen werden weniger hierarchisch, mehr kooperativ als konkurrierend und basieren eher auf Partnerschaft als auf Macht“, so Taylor. Für viele andere Fachleute ist dagegen die moderne Demokratie das richtige Maß. Welche Form die bessere ist und welcher Meinung man sich anschließt, kann indes jeder Bürger selbst frei wählen.



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