Serie antisemitischer Angriffe auf Passanten – Polizei Wien verhaftet 24-Jährigen – Kanzler Kurz besorgt um „jüdisches Leben in Österreich“
Wien, 19. Juli 2018, kurz nach 11 Uhr: Ein 24-jähriger Mann stößt in der Lassallestraße eine Frau (37) zu Boden und schlägt auf sie ein. Plötzlich lässt er von ihr ab und geht einfach weiter.
Laut „OE24“ war die unverletzt gebliebene Frau von dem Angriff des jungen Mannes im weißen T-Shirt mit der Aufschrift „Miami Beach“ derart geschockt, dass sie einen Abtransport mit dem Rettungsdienst ablehnte. Dieser wurde nach seiner Festnahme als der arbeitslose und polizeibekannte Burkay S. identifiziert, ein österreichischer Staatsbürger mit türkischen Wurzeln.
Schweigender Hass-Angriff
Doch bald schon, vor einem jüdischen Restaurant in der Taborstraße, attackierte er die nächsten Passanten, drei Männer mit Kippa, von denen einer eine Tasche mit hebräischer Aufschrift trug.
Benjamin Gilkarov, ein Augenzeuge des Vorfalls sagte der überregionalen Tageszeitung, dass die Männer damit eindeutig als jüdische Bürger erkennbar gewesen seien. Der Mann habe die drei jungen Männer vor dem Restaurant „auf Deutsch und Arabisch beschimpft“. Der Mann machte demnach den Anschein, dass er „psychisch krank“ sei. Dennoch habe er „die drei ganz gezielt angegriffen“, so der Zeuge. Dabei sei er einem der Opfer mit einer Art Karateangriff mit beiden Beinen in den Rücken gesprungen.
Der von dem Angriff getroffene junge Mann berichtet gegenüber dem Blatt, dass er nach dem Verlassen der Synagoge auf der Taborstraße unterwegs gewesen sei:
„Plötzlich spürte ich einen festen Tritt von hinten in die Hüfte.“ Der Angriff sei ohne Vorwarnung gekommen. Der Angreifer müsse Anlauf genommen haben, so das Opfer, „weil er irgendwie aus dem Sprung heraus auf mich eingetreten hat. Es tut mir noch immer weh.“
Dann habe er sich umgedreht und der Angreifer habe ihn „so hasserfüllt“ angeschaut, dass er Angst bekommen habe.
Ich dachte, dass er noch ein Messer dabei haben könnte.“
(Daniel S., 22)
Anschließend flüchtete der Angreifer, während ein Freund des Opfers die Polizei alarmierte. Diese habe ihnen gesagt, dem Angreifer nachzugehen. Man sei ihm dann auch vorsichtig bis zum Schwedenplatz gefolgt, informierte zwischendurch immer wieder die Polizei vom derzeitigen Standort. In der U-Bahn-Station am Schwedenplatz wurde er dann von „vier Polizisten verhaftet“, so der Zeuge.
Anfangs berichtete die Polizei noch, dass der Mann wahllos die Passanten angegriffen habe soll und derzeit „keine politischen oder religiösen Gründe ersichtlich“ seien.
Heute kam es im Bereich Schwedenplatz zu einer Festnahme. Ein 24-Jähriger soll zuvor wahllos eine Frau und einen Mann attackiert haben. Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine politischen oder religiösen Gründe ersichtlich.
— POLIZEI WIEN (@LPDWien) 19. Juli 2018
Offenbar weiterer Angriff zuvor
Wie ein weiterer Zeuge berichtet, gab es nach dem Angriff auf die Frau und vor dem Angriff auf Daniel S. (22) eine weitere Attacke durch Burkay S., wie der 22-Jährige im Interview „OE24“ erzählte. Ein Freund von ihm habe gesehen, dass der Mann zuvor zwei andere Männer nach einer Zigarette gefragt habe, bevor er sie „mit Fäusten und Tritten ins Gesicht schlug“. Dann habe der Freund beobachtet, wie der Angreifer die Taborstraße überquerte und direkt auf Daniel S. zugegangen sei.
Ich glaube, dass dieser Angriff antisemitisch war, weil er nur Juden attackiert hat. Wir waren alle als Juden erkennbar. Ich trug eine Kippa und meinen Zizit sowie eine Tefillin-Tasche. Die anderen Juden trugen auch Kippas.“
(Daniel S., 22)
„OE24“ sprach den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde auf die Vorfälle an. Dieser sagte, die Liste der antisemitischen Vorfälle immer länger werde.
Im zweiten Bezirk hat ein Mann junge Gemeindemitglieder attackiert, die eine Kippa trugen und somit klar als Juden erkennbar waren. Gott sei Dank verlief der Angriff für die Opfer relativ glimpflich.“
(Oskar Deutsch, Präsident IKG)
Antisemitische Übergriffe in Österreich steigen an
Wie „OE24“ schreibt, prüfe das Innenministerium derzeit sowohl einen antisemitischen Hintergrund als auch mögliche Kontakte des Täters zur radikalen Szene.
Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ermittelt in dem Fall.
Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Österreich stieg laut Antisemitismusbericht im Zeitraum von 2014 bis 2017 von 255 auf 503 Fälle an. Die österreichische Regierung betrachtet diese Entwicklung mit Sorge.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde offenbar in den USA von dem Vorfall informiert. Kurz twitterte:
Vielen Dank an die #Polizei, die heute bei dem Vorfall in Wien in der #Taborstraße schnell gehandelt und den Täter verhaftet hat, der auch einen Mann mit Kippa angegriffen hat. Ein möglicher antisemitischer Hintergrund wird derzeit von den zuständigen Behörden geprüft. 1/3
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) 19. Juli 2018
Der Kanzler bestätigte noch, dass die Bundesregierung alles dafür täte, „damit jüdisches Leben in Österreich in Sicherheit möglich ist“. Man kämpfe entschieden gegen jede Form von Antisemitismus, so Kurz.
Auch in Deutschland wurden Fälle antisemitischer Gewalt gemeldet. Zuletzt wurde ein jüdischer Gast-Dozent der Uni Bonn aus den USA von einem Deutsch-Palästinenser attackiert, weil er eine Kippa trug. Knapp eine Woche später wurde der Mann wieder auffällig, als er einer Personengruppe mit dem Messer drohte: „Ich könnte euch alle töten!“
Nach dem Angriff auf den Professor war der Mann zunächst in eine Psychiatrische Klinik eingeliefert, am nächsten Tag aber wieder entlassen worden. Nach dem erneuten Ausraster wurde er endlich festgenommen – aufgrund eines alten Haftbefehls wegen einer Gewalttat. Dieser war nämlich bis dato außer Vollzug gesetzt worden – warum auch immer … (sm)
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