Wasserstoff-Pleite in Großbritannien: Behörden brechen Pilotprojekte ab

Die britische Regierung stoppt – bereits zum zweiten Mal – ein größeres Pilotprojekt zum Heizen mit Wasserstoff. Was sind die Gründe? Ist die britische Wasserstoff-Pleite ein Warnsignal für Deutschland?
Wasserstoff-Pleite in Großbritannien: Behörden brechen Pilotprojekte ab
Die meisten Haushalte in Großbritannien heizen derzeit mit herkömmlichen Gasthermen. Der Umstieg auf Heizen mit Wasserstoff erweist sich hingegen als zunehmend problematisch.Foto: iStock
Von 31. Dezember 2023

Großbritannien ist eines von vielen westlichen Ländern, dass sich um eine Wärmewende bemüht. Hierbei ist der Umstieg von fossilen Brennstoffen hin zu Wasserstoff ein Kernelement.

Doch nun hat die britische Regierung vor Kurzem bereits zum zweiten Mal ein Wasserstoff-Pilotprojekt vorzeitig abgebrochen. Diesmal in der nordenglischen Kleinstadt Redcar, wie die FAZ berichtet.

Zu gefährlich, zu teuer

Der Grund: die lokale Bevölkerung lehnte die Umstellung aufgrund von Sicherheitsbedenken ab. Nicht erst seit der berühmten Hindenburg-Katastrophe, bei der ein mit Wasserstoff gefüllter Zeppelin in kürzester Zeit verbrannte, ist bekannt, dass Wasserstoff hochentzündlich und deutlich flüchtiger als Erdgas ist. Gleichzeitig befürchteten die Bürger der Kleinstadt eine deutliche Tariferhöhung ihrer Heizrechnung.

Hinzu kam, dass laut „Focus“ die erforderlichen Mengen Wasserstoff gefehlt haben. Das habe der britische Gaslieferant Northern Gas Networks mitgeteilt, der das Projekt leitete.

Vor dem gescheiterten Projekt in Redcar haben auch schon die Behörden der Industriestadt Ellesmere Port nahe Liverpool den geplanten Versuch eines „Wasserstoffdorfs“ eingestellt. Die Bevölkerung hatte sich zuvor durch Proteste klar dagegen entschieden. Vor gut einem Jahr äußerten die Einheimischen in der britischen Tageszeitung „The Guardian“ ihre Bedenken, dass sie im Rahmen des Wasserstoffprojekts „Laborratten“ wären.

Wasserstoff: Ein knappes Gut

Rosenow wies zudem darauf hin, dass grüner Wasserstoff vermutlich in den kommenden Jahren weiterhin eine knappe Ware bleibe. Wasserstoff wird erst dann als grün bezeichnet, wenn er durch Wind- oder Solarenergie hergestellt wurde. Das lohnt sich allerdings nur dann, wenn diese wetterabhängigen Energiequellen gerade einen Überschuss an elektrischem Strom produzieren. Dann fällt der Preis am Strommarkt Richtung oder sogar unter null.

Damit entsteht laut der TAZ jedoch eine Infrastruktur, die nicht durchgehend, sondern nur eine begrenzte Anzahl von Stunden im Jahr genutzt wird. Dies macht den grünen Wasserstoff teuer. Ebenso könnten letztendlich weniger die lokalen Erzeugungskosten den Preis bestimmen, sondern das jeweils aktuelle Angebot und die Nachfrage auf dem Weltmarkt.

„Sehr attraktive Idee“ für Politiker und Netzbetreiber

Trotz der Rückschläge gibt die britische Regierung nicht auf. Sie will weiterhin durch Testprojekte herausfinden, ob in die Netze bis zu 20 Prozent Wasserstoff beigemengt werden kann. Derzeit heizen mehr als 20 Millionen – und damit die meisten – Haushalte mit erdgasbetriebenen Gasboilern.

Insbesondere die britischen Gasanbieter und Netzbetreiber haben ins Heizen mit Wasserstoff große Hoffnungen gesetzt. Die Umstellung auf „grünen“ Wasserstoff wäre für die Branche eine willkommene Gelegenheit, mit der Nutzung des bestehenden Gasnetzes weiterhin Geld zu verdienen. Eine andere Option wäre die Umrüstung auf Wärmepumpen. Diese sind im Vereinigte Königreich aber bisher eher schwach verbreitet.

„Das Heizen mit Wasserstoff wurde von den Gasnetzbetreibern und Brennwertkesselherstellern massiv gepusht.“ Das sagte Jan Rosenow, deutscher Energieforscher an der britischen Universität Oxford und Direktor des Thinktanks „Regulatory Assistance Project“ (RAP), zu „Focus“. Für Politiker sei diese „Idee sehr attraktiv“. „Wir tauschen einfach das Gas aus und die Endkunden merken keinen Unterschied“, äußerte Rosenow.

Allerdings ist mittlerweile klar, dass die Umstellung auf Wasserstoff technisch nicht trivial ist und die Heizkosten sich wahrscheinlich verdoppeln würden.“

Warnsignal für Deutschland?

Auch in Deutschland setzt die Politik stark auf den Ausbau des Wasserstoffnetzes. Erst im November stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen nationalen Wasserstoffplan vor. Demnach will die Bundesregierung in den kommenden Jahren ein Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland aufbauen – bis 2032 soll es fast 10.000 Kilometer umfassen.

Rosenow merkte an, dass die Ereignisse auf der britischen Insel auch für Deutschland relevant seien. „Die Entscheidung der britischen Regierung schafft einen wichtigen Präzedenzfall.“

Ähnlich wie in Großbritannien sind auch hierzulande viele Wasserstoffprojekte bereits angedacht, in Planung oder in Umsetzung. Laut dem MDR war im August dieses Jahres geplant, 62 Wasserstoffprojekte in Deutschland mit insgesamt acht Milliarden Euro zu unterstützen. Wegen der aktuellen Haushaltskrise der Bundesregierung ist allerdings die Finanzierung mehrerer Projekte im Osten inzwischen nicht mehr sichergestellt.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion