Vize-Präsidentin festgenommen – Korruptionsermittlungen im Europaparlament

Durchsuchungen, Festnahmen und ein Parteiausschluss – das EU-Parlament steht im Fokus umfangreicher Korruptionsermittlungen. Zugleich geht es um mutmaßliche Bestechung durch den Golfstaat Katar.
Der Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Der Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times10. Dezember 2022

Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme eines Golfstaats erschüttern das Europaparlament. In diesem Zusammenhang wurde am Freitag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, die Griechin Eva Kaili, festgenommen. Insgesamt gab es nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft 16 Durchsuchungen, fünf Personen wurden festgenommen. Die anderen vier Festgenommenen sind offenbar italienischer Herkunft, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Eva Kaili. Foto: Vladimir Rys/Getty Images

Eva Kaili. Foto: Vladimir Rys/Getty Images

Laut „Le Soir“ und „Knack“ soll es sich bei den vier weiteren Personen um den ehemaligen sozialdemokratischen Europaparlamentarier Pier-Antonio Panzeri, 67, und einen hochrangigen internationalen Gewerkschaftsfunktionär handeln. Auch ein Direktor einer Nichtregierungsorganisation und ein im Europaparlament tätiger Assistent sollen betroffen sein. Alle vier seien in Menschenrechtsorganisationen aktiv gewesen, heißt es.

Die Behörde teilte mit, bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmaßliche kriminelle Organisation sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche. Man habe seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versuche, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.

Welcher Golfstaat soll beeinflusst haben?

Welcher Golfstaat mutmaßlich Einfluss auszuüben versucht, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Einer Recherche der Zeitung „Le Soir“ und des Magazins „Knack“ zufolge handelt es sich um das Emirat Katar.

Die nun festgenommene Kaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur derzeit laufenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie das Sport-Ereignis als Beweis dafür, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar sei etwa bei Arbeitsrechten ein Vorreiter. Zuvor hatte Kaili den katarischen Arbeitsminister Samikh Al Marri getroffen, wie der katarische EU-Botschafter Christian Tudor auf Twitter schrieb.

Dabei werfen NGOs Katar seit Jahren vor, die Menschenrechte von Wanderarbeitern aus Asien und Afrika zu missachten. Daraufhin setzte Doha Arbeitsrechtsreformen in Kraft.

Kailis griechische Partei, die Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok), schloss sie am Freitag infolge der Ereignisse aus, wie Parteichef Nikos Androulakis mitteilte. Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament setzte Kailis Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung aus.

Kaili ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine von 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.

Die belgische Staatsanwaltschaft teilte nun mit, unter den Befragten sei auch ein ehemaliger EU-Abgeordneter. Bei den Durchsuchungen wurden demnach unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt.

Reaktionen aus dem Europaparlament

Ein Sprecher des Europaparlaments sagte auf Anfrage, zu laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren.

Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische S&D-Fraktion des Parlaments, der Pasok angehört. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption und unterstütze eine gründliche Untersuchung. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden. Insbesondere die Bestrebungen zur Visaliberalisierung und zu geplanten Besuchen in Katar wolle man aussetzen.

Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen schockiert. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.

Neben der belgischen ermittelt auch die französische Justiz. Seit drei Jahren prüft sie, ob Korruption im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Mittagessen französischer und katarischer Vertreter im Elysée-Palast in Paris Ende 2010 mit im Spiel war. Dabei geht es darum, zu klären, ob die kurz nach dem Treffen erfolgte Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar dadurch begünstigt wurde. (dpa/er)



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