Verdacht der Korruption im Europaparlament: Fall Kaili nur Spitze des Eisbergs?
Ob Polen, Ungarn, Israel, die Türkei oder Russland: Seit Jahr und Tag scheint kein Land innerhalb oder außerhalb der EU den strengen Maßstäben des Europäischen Parlaments genügen zu können. Der aktuelle Fall Eva Kaili trifft die stets auf Moral und Werte pochende Institution auf dem falschen Fuß. Die griechische Politikerin wird der Korruption und Geldwäsche beschuldigt. Bei insgesamt 17 Razzien sollen unter anderem 600.000 Euro in bar aufgetaucht sein. Angeblich sollen diese aus Katar oder einem anderen Golfstaat stammen.
Neben ihr wurden fünf weitere Personen festgenommen und die griechische Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft ließ die Vermögenswerte der 44-Jährigen einfrieren. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola veranlasste die Suspendierung von Kaili, die bis dato als Vizepräsidentin fungierte. Die sozialdemokratische Partei sprach einen Parteiausschluss im Schnellverfahren aus.
EU-Politiker sehen sich als eigentliche Opfer
Zur Eröffnung der Montagssitzung (12.12.) im Europaparlament sprach Metsola von „Wut, Zorn und Trauer“ über den Skandal. Auch andere Politiker fühlen sich durch diesen zu Unrecht ins Zwielicht gerückt. Grünen-MdEP Sergey Lagodinsky klagt im „Spiegel“:
Dieser Skandal ist eine Steilvorlage für alle, die das Europaparlament schon immer als einen Haufen angeblich fauler und korrupter Politiker karikiert haben oder der EU generell schaden wollen.“
Auch Sozialdemokrat Jens Geier geht von einem Einzelfall aus und sieht den bereits zuvor zweifelhaften Ruf des Europaparlaments in Teilen der Bevölkerung als unbegründet:
Da können 700 Leute gescheite Arbeit machen, aber einer reicht, um alle in den Dreck zu ziehen.“
Die Parlamentarier sehen sich offenbar einmal mehr als Opfer antieuropäischer Stimmungsmache. Sie befürchten nun, so das Blatt, dass „an die EU wieder einmal strengere Maßstäbe angelegt werden als an ihre Mitgliedsländer“.
Ist Kaili wirklich nur ein Einzelfall?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will nun einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge auf die Korruptionsaffäre reagieren. Es soll künftig ein „Ethikrat“ die Institutionen der EU und deren Gebaren kontrollieren. Als das Europaparlament einen solchen Schritt 2021 angeregte hatte, maß von der Leyen ihm noch keine Dringlichkeit bei.
Auch Parlamentspräsidentin Metsola kündigt jetzt weitere Reformen in Richtung Transparenz an. Sie will einen besseren Überblick schaffen über den Zugang zum Parlament, Finanzierer von Lobbyorganisationen und NGOs und Verbindungen zu Drittstaaten. Metsola will „das Parlament wachrütteln“ und die Ermittlungen unterstützen, „solange es nötig ist“.
Aus Brüssel heißt es zwar immer wieder, man habe ein besonders scharfes Regelwerk gegen Korruption und Einflussnahme. Gleichzeitig scheitern selbst unspektakuläre Initiativen wie jene zur Belegpflicht für die Verwendung der 4.800-Euro-Kostenpauschale am Widerstand des Apparats. Auch der eigentlich regelwidrige, fliegende Wechsel aus EU-Institutionen in die Privatwirtschaft bleibt gang und gäbe. Und das, obwohl es offiziell eine mehrmonatige „Abkühlphase“ gibt.
Abweichung von Partei-Narrativ zu Katar erregte Aufsehen
Rätselraten herrscht nach wie vor, wie die Affäre Kaili ins Rollen gekommen ist. Eigentlich können EU-Abgeordnete ihrer Immunität wegen nur festgenommen werden, wenn man sie auf frischer Tat bei einer Straftat ertappt. Möglicherweise wäre die Angelegenheit auch gar nicht ruchbar geworden, wäre Kaili nicht mehrfach durch ideologisches Abweichlertum in Erscheinung getreten.
Ende November wollte die SPE-Fraktion die Gelegenheit nutzen, um Katar rechtzeitig zur Fußball-WM eine Maßregelung des Europäischen Parlaments zuteilwerden zu lassen. Man wollte eine „Resolution zur Menschenrechtslage“ vorbereiten – doch Kaili und ihre Fraktionskollegen Maria Arena und Marc Tarabella stellten sich gegen das Vorhaben.
Kaili hatte erst Ende Oktober nach einem Besuch im Golfemirat erklärt, Katar kümmere sich darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese Einschätzung hatte auch schon der deutsche Ex-Außenminister Sigmar Gabriel nach einer Reise in die Golfregion 2015 verkündet. Kaili äußerte auch Zweifel an einigen Behauptungen von Fraktionskollegen bezüglich der Situation Homosexueller in Katar. Im Europaparlament bescheinigte sie dem Land weitreichende Reformen und machte sich für Visa-Erleichterungen stark.
Mittlerweile reicht eine solche Abweichung vom Narrativ der europäischen Sozialdemokratie offenbar aus, um sich der Korruption verdächtig zu machen. Tarabella und Arena gerieten prompt selbst ins Visier von Ermittlern. Gegen sie gab es Durchsuchungen von Häusern und Büroräumlichkeiten. Ihre Funktionen legten sie nieder.
Kaili beschuldigt nun ihren Lebensgefährten
Die frühere Nachrichtensprecherin Kaili, deren Karriere im griechischen Privatsender „Mega TV“ begann, war auch in anderen Bereichen durch Distanz zur Fraktionslinie aufgefallen. Die Politikerin, die Architektur und Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, stimmte mehrfach mit konservativen Kollegen.
Auch mit der mächtigen Papandreou-Familie in der griechischen PASOK legte sie sich an. So wandte sie sich 2011 gegen die Initiative von Alt-Parteichef Giorgos Papandreou, über das Euro-Rettungspaket für Griechenland abstimmen zu lassen.
Ihre Landsleute kritisierte sie, indem sie ihnen fehlenden Gemeinsinn vorwarf. Dies zeige sich unter anderem an der fehlenden Steuerdisziplin oder am mangelnden Willen zum grundsätzlicheren Engagement für die Gemeinschaft.
Gleichzeitig soll sie selbst aktiv Vetternwirtschaft betrieben und Angehörige mit lukrativen Posten im Europaparlament versorgt haben. Dafür habe sie selbst eine schwangere Alt-Mitarbeiterin aus ihrem Job gemobbt.
Griechischen Medien zufolge soll Kaili nun ihren Lebensgefährten, den Jet-Setter Francesco Giorgi, beschuldigen, etwaige ungesetzliche Kontakte mit Katar angebahnt zu haben. Sie selbst wolle damit nichts zu tun gehabt haben.
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