USA: Politische Wortspenden von Stars und Prominenten gehen zunehmend nach hinten los

Während im Fall Ronald Reagans und Donald Trumps deren Promi-Faktor der späteren politischen Karriere geholfen hat, haben andere Stars aus Musik oder Film wie die Dixie Chicks mit kontroversen Statements Schiffbruch erlitten. Ob Prominente tatsächlich Einfluss auf die politische Meinungsbildung ausüben können, bleibt umstritten.
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Auch in Hollywood fallen die Masken.Foto: Kevork Djansezian/Getty Images
Von 27. Oktober 2018

Die Frage, wie weit der Einfluss von Prominenten aus Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur oder Sport tatsächlich reicht, wenn diese zu einzelnen politischen Fragen oder einem gesamten Fragenkomplex Stellung nehmen, ist viel diskutiert und überaus umstritten.

Was sich definitiv schon einmal nicht leugnen lässt, ist, dass Prominenz in außerpolitischen Bereichen einer politischen Karriere zumindest zu Beginn auf die Sprünge helfen kann. Dies war zweifellos bei Ronald Reagan der Fall, der vor seinem Einstieg in die Politik einem nicht unerheblichen Teil der US-Bevölkerung bereits als Sportkommentator und Schauspieler ein Begriff war. Auch Donald Trump hätte kaum das Kunststück vollbringen können, als Neuling ohne vorheriges politisches Amt auf Anhieb zum Präsidenten gewählt zu werden, hätte er sich nicht zuvor über Jahrzehnte hinweg als Unternehmer, Entertainer und Reality-TV-Star einen Namen gemacht.

Nicht immer war das Engagement Prominenter in der politischen Sphäre aber von Erfolg gekrönt. Bisweilen konnten unbedachte Statements diese sogar in die Bredouille bringen. Und nicht selten wogen geschäftspolitische Erwägungen sogar schwerer als irgendwelche politischen Haltungen. Dies hatte etwa zur Folge, dass – wie Ben Urwand in seinem Buch „Der Pakt: Hollywoods Geschäfte mit Hitler“ aufzeigte – Hollywoods Filmbosse lange Zeit nicht jene antifaschistischen Lichtgestalten waren, als die sie sich später gerne darzustellen pflegten. Vielmehr nahmen sie in ihrer Produktpolitik sehr viel Rücksicht auf die Eigenheiten des deutschen Marktes.

Hollywood zwischen kommerziellen Rücksichtnahmen und politischen Vorlieben

Erst als mit dem Kriegseintritt der USA 1941 kein Geld mehr dort zu verdienen war, stellte man sich explizit gegen Hitlerdeutschland. Von da an stand Hollywood nicht nur als Speerspitze im Dienst der Kriegspropaganda, sondern leistete selbst Verbündeten dabei Dienste – wie 1943 mit dem unverhohlen prokommunistischen Film „Mission to Moscow“.

Als die Harmonie zwischen den deutschen Kriegsgegnern zerbrach, wurde die Verbrüderung mit der sowjetischen Art der Umsetzung progressiver Ideen nicht wenigen in Hollywood zum Verhängnis. Bereits 1946 veröffentlichte der Chefredakteur des „Hollywood Reporter“, William R. Wilkerson, eine Liste mutmaßlicher kommunistischer Parteigänger und Sympathisanten mit dem Ziel, diese von der Mitarbeit bei künftigen Produktionen auszuschließen.

Unter jenen Personen, die Senator Joseph McCarthy zwischen 1949 und 1954 unter dem Verdacht vor das US-Senatskomitee für unamerikanische Umtriebe laden ließ, selbst Kommunisten zu sein oder mit diesen unter einer Decke zu stecken, waren Schauspieler, Drehbuchautoren oder Regisseure aus Hollywood überdurchschnittlich repräsentiert.

Zwar war tatsächlich bereits damals ein gewisser liberaler Überhang bezüglich der politischen Sympathien in Hollywood zu verzeichnen – es gab jedoch auch eine Vielzahl dezidiert konservativer Schauspieler, die ihre Popularität nutzten, um Massen für ihre Anliegen zu gewinnen. Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sich etwa bekannte Persönlichkeiten wie Gary Cooper oder Walt Disney in den Dienst der Wahlkampagne des Roosevelt-Herausforderers Thomas E. Dewey gestellt. In den 1960er Jahren unterstützte Westernheld John Wayne die konservativen republikanischen Kandidaten Barry Goldwater und kurz vor seinem Tod auch noch Ronald Reagan.

Als Elvis Präsident Nixon besuchte

Die Bürgerrechtsbewegung, der Vietnamkrieg und die 68er Ära brachten es mit sich, dass mehr denn je Prominente aus Film, Musik, Malerei oder Sport öffentlich mit politischen Statements in Erscheinung traten. Boxer Cassius Clay, bekannter als Muhammad Ali, ist bis heute eines der bekanntesten Beispiele. Joan Baez, Jane Fonda und viele mehr bekannten sich im Gefolge der Antikriegsbewegung zur politischen Linken, bereits zuvor als Marxisten bekannte Musiker wie Pete Seeger erlebten einen zweiten Frühling. John Lennon entfremdete sich im Laufe der 1960er Jahre zunehmend von den kommerziell erfolgreichen Beatles und organisierte zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Yoko Ono politisch untermalte Happenings, meist mit US-kritischen Botschaften. Im Gegensatz dazu traf der späte Elvis Presley noch 1970 mit Präsident Richard Nixon im Weißen Haus zusammen und bot ihm Unterstützung im Einsatz gegen die Drogen an.

Nach dem Abebben der linken Revolte in den USA war eine zunehmende Diversifizierung und tendenzielle Entpolitisierung bei Prominenten in Film, Musik oder Sport zu beobachten. Es gab zwar Künstler, die gerade aus ihrer politischen Position ein Verkaufsargument für ihre Produktionen gegenüber ihrer Fangemeinde machten, die konservativen 1980er Jahre standen jedoch eher im Zeichen von Prominenten, die ihre politischen Positionen nicht bei jeder Gelegenheit dem Publikum offenbarten.

Niemand fragte etwa nach den weltanschaulichen Ansichten von KISS oder Van Halen, und diese wollten Platten an möglichst viele Rockfans verkaufen und niemanden von ihrer Position zu tagesaktuellen Fragen überzeugen. Bands wie Survivor oder Journey standen für US-amerikanischen Mainstream Rock und wurden vor allem mit Patriotismus assoziiert – ob die Bandmitglieder tatsächlich konservativ waren, wusste niemand und es fragte auch kaum einer danach.

Bruce Springsteen – ein linker Musiker mit konservativen Referenzen

Diese unpolitische Präferenz hatte in einigen Fällen zur Folge, dass manche Künstler sogar im politisch völlig konträr gepolten Lager beliebt waren, ihre Platten gekauft oder ihre Filme gesehen wurden. Noch zu Beginn der 2010er Jahre schrieb der konservative Comedian und Kommentator Evan Sayet über Bruce Springsteen, dass Konservative diesen trotz seiner klar linken Position als einen der ihren wahrnehmen würden – und aus seinen Texten gar eine „unbewusste konservative Botschaft“ herauszulesen meinen.

Christopher Borick, ein Professor am Muhlenberg College in Pennsylvania, bestätigte gegenüber „Politico“, dass Springsteen „konservative Sprache für progressive Botschaften“ nutze und dies durch den „populistischen Mechanismus“ der Rockmusik vollziehe. „Er macht Referenzen an die Flagge, an Jesus, an Gott. Seine Herangehensweise an Texte ist, politisch betrachtet, dass er oft konservativ tönende Begriffe verwendet, die auch bei Leuten Anklang finden, die in keiner Weise liberal sind.“ Zudem vermeide er persönliche Angriffe – zumindest war dies während der Bush-Ära der Fall.

Andererseits gibt es Beispiele dafür, wie politische Äußerungen von Prominenten einen Totalabsturz in ihrem künstlerischen Schaffen nach sich zogen – auch wenn die künstlerische Qualität selbst nicht zwingend unter den politischen Auseinandersetzungen gelitten hatte. So hat die Countrymusik-Szene den zuvor gefeierten Dixie Chicks nie verziehen, dass Sängerin Natalie Maines 2003 in London erklärt hatte, sie sei „beschämt, dass der Präsident der Vereinigten Staaten [wie sie] aus Texas stamme“. Zwar hat sie diese Aussage später relativiert und sich entschuldigt, die Absatzverluste auf dem heimischen Markt konnte sie jedoch nie wieder egalisieren.

Aber auch Hollywood-Produktionen verlieren zunehmend auf dem eigenen Markt an Boden. Dieser Trend hat sich verstärkt, seit Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde und sich immer mehr bekannte Schauspieler von Johnny Depp über Jennifer Lawrence bis hin zu Matt Damon lautstark über ihn beschweren. So ist etwa der 2017 erschienene Film „Fluch der Karibik: Salazars Rache“ mit Johnny Depp auf dem amerikanischen Markt regelrecht untergegangen – lediglich der große Erfolg auf den internationalen Märkten habe das enttäuschende Ergebnis wettmachen können. 

Der konservative Kolumnist Ben Shapiro meint in der Entwicklung einige Tendenzen erkannt zu haben, die sich über die Jahre verfestigt hätten – Hollywood mache, abseits von familientauglichen Comicfilmen, die den kleinsten gemeinsamen Nenner für alle erreichbaren Publikumssegmente darstellen, „keine Filme mehr für Amerikaner“. Hollywood hätte einst amerikanische Werte exportiert, mittlerweile exportiert es internationale Werte an ein internationales Publikum.

Prominente genießen ungleich mehr Aufmerksamkeit als Politiker

In einer Untersuchung, deren Ergebnisse seit Anfang August auch in Buchform vorliegen, hat Mark Harvey, der Leiter des Graduiertenprogramms an der Universität St. Mary in Leavenworth, Kansas, sich genauer mit der Frage beschäftigt, wie sich die Statements Prominenter in politischen Belangen auf das Meinungsbild innerhalb der Bevölkerung auswirken.

Die starke Aufmerksamkeit, die Prominente in den Medien genießen, so Harvey, gibt ihnen die Möglichkeit, ein breites Publikum mit ihren Botschaften zu erreichen und zu überzeugen. Diese reiche oftmals an jene von Politikern heran. Auch deshalb arbeiten Prominente gerne mit Advocacy-Gruppen zusammen und betreiben Lobbyismus bei Politikern und Medien. Eine Reihe psychologischer Experimente zeige, dass Prominente durchaus in der Lage sind, Menschen dazu zu bewegen, ihre Positionen zu akzeptieren, selbst in sensiblen Fragen wie nationaler Sicherheit.

Neben der überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit, die Prominente vorfinden, insbesondere im Vergleich zu Politikern, spreche für sie, dass die meisten Befragten sie zumindest nicht als mehr oder weniger glaubwürdig einschätzen, verglichen mit Politikern. Außerdem würden die Grenzen zwischen Prominenten und Politikern zunehmend verschwimmen. Dass Obama im Wahlkampf 2008 gleichsam wie ein Popstar inszeniert wurde, spricht für Harveys These einer weiterhin einflussreichen Rolle Prominenter.

Andererseits hat dieser Effekt nicht auf Dauer angehalten und insbesondere dort, wo sich Prominente gezielt entgegen den Neigungen ihres Zielpublikums positionieren, kann der Effekt kontraproduktiv sein. So etwa bei den Dixie Chicks, aber auch bei Pink Floyd, die jüngst in Brasilien von den eigenen Fans ausgebuht wurden.

Taylor Swift: Wahlaufruf wird zum Eigentor

Im Fall von Taylor Swift scheint sich ein ähnlicher Effekt zu zeigen. Zwar hatten nach ihrem Senats-Wahlaufruf für den demokratischen Kandidaten Phil Bredesen und gegen die republikanische Bewerberin Marsha Blackburn hiesige Medien bereits frohlockt, dass sich in den Tagen darauf zahlreiche Wähler registrieren ließen – und dies als Zeichen dafür interpretiert, dass Swift dem Demokraten zum Sieg verhelfen könnte.

Die Umfragen zeigen demgegenüber ein völlig anderes Bild: Blackburn habe ihren Vorsprung seit dem Wahlaufruf sogar noch deutlich ausgebaut und werde den Sitz mit hoher Wahrscheinlichkeit für sich gewinnen.

Hollywood-Bloggerin Tiffany FitzHenry meint, dass sich auf diese Weise ein Effekt zeige, der sich bereits 2016 beobachten ließ, als George Clooney in Europa seinen liberalen Fans versichert hatte, es werde keinen Präsidenten Donald Trump geben: „Prominente sind völlig irrelevant geworden.“

FitzHenry betrachtet die Entwicklung als Zeichen eines Erwachens gegenüber einer globalistischen Elite, die Prominente als wichtigen Faktor bei der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung betrachtet hätten: 

„Sie sind es gewöhnt, dass wir kaufen, was sie uns sagen, die Musik hören, die sie uns geben, die Filme ansehen, die sie für uns drehen, und – was am wichtigsten ist – sie sind es gewöhnt, dass wir denken, wie sie uns sagen, dass wir zu denken haben, wie wir es immer gemacht hatten. […] Unsere Starlets waren die Gucci tragenden Äquivalente zu den Fake-News. Über Jahrzehnte hinweg waren die Stars auf der Leinwand und der Bühne völlige Pseudos, gemachte Blender im Sinne des tiefen Staates. Gleichsam Hologramme einer projizierten Realität, eine große, fette, Botox-injizierte Lüge der Kontrollmatrix. […] Aber jetzt sind wir keine Schafe mehr.“

In Deutschland ist ein ähnlicher Effekt noch nicht zu beobachten. Der Konsens ist stark, der Preis für Abweichung ist hoch, im Gegenteil: Das Beispiel Helene Fischer zeigt, dass der Bekenntnisdruck gegenüber Prominenten, die sich bislang bewusst von politischen Statements ferngehalten haben, im Gegenteil sogar noch größer wird. Gleichzeitig verschiebt das Establishment das Feld des Sagbaren noch weiter in eine Richtung – wie das Mainstreaming von extremistischen Hassgruppen wie „Feine Sahne Fischfilet“ zeigt.

Dadurch bleibt der Preis politischer Äußerungen für Prominente aber auch weiter kalkulierbar.



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