Unterhauswahl in Großbritannien gestartet – Premier Sunak droht eine Niederlage

Großbritannien wählt heute ein neues Parlament, wie Premierminister Sunak Ende Mai bestimmt hat. Zur Wahl stehen 4,515 Kandidaten, die sich für 650 Sitze im Londoner Unterhaus, das House of Commons, bewerben.
Sunak und seine Ehefrau wählten am Morgen in seinem nordenglischen Wahlkreis.
Sunak und seine Ehefrau wählten am Morgen in seinem nordenglischen Wahlkreis.Foto: Scott Heppell/AP
Epoch Times4. Juli 2024

In Großbritannien hat am Donnerstagmorgen die vorgezogene Parlamentswahl begonnen. Die Wähler können von 8 Uhr bis 23 Uhr deutscher Zeit ihre Stimme abgeben. Wahlberechtigt sind mehr als 46 Millionen Menschen, die jeweils eine Stimme haben. Es ist die erste Parlamentswahl, bei der ein offizieller Ausweis für die Stimmabgabe vorgezeigt werden muss. Gut 6,7 Millionen Menschen nutzten die Möglichkeit zur Briefwahl.

Sunak könnte in seinem Wahlkreis verlieren

Sunak gab schon kurz nach Öffnung der Wahllokale um 7:00 Uhr (Ortszeit, 8:00 Uhr MESZ) seine Stimme ab. In Begleitung seiner Ehefrau Akshata Murty erschien der 44-Jährige im Weiler Kirby Sigston und winkte den Fotografen zu. Es gilt als möglich, dass Sunak als erster amtierender Premier seinen Wahlkreis – Richmond and Northallerton in Nordengland – verliert und den Wiedereinzug ins Parlament verpasst.

„Wählt die Konservativen, um eine Supermehrheit der Labour-Partei zu verhindern, die höhere Steuern für eine Generation bedeuten würde“, schrieb Sunak bei X.

Dabei ist Labour gar nicht so sehr beliebt. „Es ist eine Wahl, die die Tories verlieren – und nicht eine, die Labour gewinnt“, sagte der Umfrageexperte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow dem Portal „Politico“. Umfragen sehen Labour bei weniger als 40 Prozent der Stimmen.

„Ich bin gerade aus Australien zurückgezogen und ich habe das Gefühl, dass alles in diesem Land schief gelaufen ist und viele Leute unzufrieden sind“, sagte die 32-jährige Autorin Ianthe Jacob nach ihrer Stimmabgabe in Hackney in Ostlondon.

650 Abgeordnete werden gewählt

Gewählt werden die 650 Abgeordneten des britischen Unterhauses. Auch wenn das britische Mehrheitswahlrecht genaue Wahlvorhersagen erschwert, deuten alle Umfragen auf einen klaren Erdrutschsieg der oppositionellen Labour-Partei hin. Labour-Chef Keir Starmer könnte damit Rishi Sunak als Premierminister ablösen, dessen Tories seit 2010 den Regierungschef stellen.

Alle 650 Sitze im Unterhaus werden per Direktmandat vergeben. Die absolute Mehrheit im Unterhaus (House of Commons) beträgt 326 Sitze. Bei der bisher letzten Wahl 2019 hatten die Tories 365 Sitze gewonnen, Labour hatte 202 Mandate.

Nach dem Schließen der Wahllokale wird mit ersten Prognosen gerechnet – verlässliche Ergebnisse werden aber wohl erst in der folgenden Nacht veröffentlicht.

Premierminister Rishi Sunak hatte den Wahltermin Ende Mai bekanntgegeben. Es wird erwartet, dass die konservativen Tories nach 14 Jahren die Macht verlieren. Umfragen sehen die oppositionelle Labour-Partei von Parteichef Keir Starmer durchgehend mit großem Vorsprung vor Sunaks Partei.

Abstimmen darf, wer für die Wahl registriert ist. Wahlberechtigt sind britische Staatsbürger ab 18 Jahren. Auch irische Staatsbürger sowie Bürger aus Commonwealth-Staaten mit Wohnsitz in Großbritannien dürfen abstimmen. Gefängnisinsassen sowie Mitglieder des Oberhauses, des House of Lords, dürfen nicht an der Parlamentswahl teilnehmen.

4.515 Kandidaten treten an

Das Londoner Unterhaus, das House of Commons, verfügt über 650 Sitze. Diese verteilen sich auf die Abgeordneten aus den vier Landesteilen des Vereinigten Königreichs. Jeder Abgeordnete vertritt jeweils einen Wahlkreis: 543 der Wahlkreise liegen in England, 57 in Schottland, 32 in Wales und 18 in Nordirland.

Insgesamt treten bei der Wahl 4.515 Kandidaten an – so viele wie noch nie zuvor. Die Zahl der Bewerber ist deshalb so hoch, weil die Partei Reform UK erstmals auch Kandidaten in Wahlkreisen aufstellt, in denen die Konservativen ebenfalls antreten.

Die Reform UK entstand 2019 als „Brexit Party“ und vertritt euroskeptische Positionen. Zentrale Forderung ist „Migrationsneutralität“ statt „Klimaneutralität“ – es sollen nur so viele Menschen ins Land kommen, wie es verlassen. Diese neue Partei von Nigel Farage hat 609 Kandidaten aufgestellt.

Die meisten Bewerber schicken die Tories ins Rennen: Sie stellen Kandidaten in 635 Wahlkreisen. Für Starmers Labour-Partei treten 631 Kandidaten an – ebenso viele haben die Liberaldemokraten aufgestellt.

Zudem haben die Grünen mehr Kandidaten nominiert, sie stellen 629 Kandidaten.  Zudem gibt es Kandidaten, die für kleinere Parteien oder als Unabhängige antreten.

Prognosen stehen für Opposition

Kurz vor der Wahl prognostizierten die Meinungsforscher der Partei von Oppositionsführer Keir Starmer einen historischen Wahlsieg über die regierenden Tories von Premierminister Rishi Sunak: Labour könnte demnach auf 484 der insgesamt 650 Sitze im Londoner Unterhaus kommen.

Die Tories hatten vor allem einen Negativ-Wahlkampf geführt, vor Steuererhöhungen durch eine Labour-Regierung gewarnt und ein härteres Vorgehen hinsichtlich Migration und Sicherheit angekündigt. Dabei bekamen sie am Dienstag überraschende Unterstützung durch Ex-Premierminister Boris Johnson. Auf einer Versammlung in London forderte dieser die Partei auf, die prognostizierte Wahlniederlage nicht als „ausgemachte Sache“ zu betrachten.

Labour-Chef Starmer warb für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes. „Erst das Land, dann die Politik“, betonte er immer wieder. Im Endspurt seines Wahlkampfs warb er noch einmal um Unterstützung für seine Partei: „Wenn Sie Veränderungen wollen, müssen Sie dafür stimmen“, sagte Starmer am Mittwoch.

Wie kommt nach der Wahl eine Regierung zustande?

Bei der Parlamentswahl in Großbritannien gilt das Mehrheitswahlrecht – der Kandidat und die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt. Das Mehrheitswahlrecht sorgt in der Regel für klare Verhältnisse. Allerdings benachteiligt es auch die kleineren Parteien und bildet das Gesamtstimmenverhältnis nicht ab.

Für eine absolute Mehrheit im Parlament muss eine Partei mindestens 326 Sitze erhalten. Der Chef der größten Partei im Parlament wird dann von König Charles III. zum Premierminister ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt.

Sollte keine der Parteien die für die Parlamentsmehrheit benötigten Mandate auf sich vereinen, kann die Partei mit den meisten Sitzen die Bildung einer Minderheitsregierung beschließen. Für die Verabschiedung von Gesetzen wäre dann die Unterstützung der anderen Parteien nötig.

Alternativ dazu könnte sie Koalitionsverhandlungen mit einer oder mehreren kleineren Parteien aufnehmen – so wie 2010, als die Konservativen eine Regierungskoalition mit den Liberaldemokraten eingingen. Diesmal scheint es den Umfragen zufolge eine klare Mehrheit für Labour zu geben.  (afp/dts/red)



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