Umstrittene Kandidaten sollen bestätigt werden: Der Weg für die neue EU-Kommission ist frei
Die geplanten Besetzungen von Spitzenposten in der EU-Kommission können rechtzeitig bestätigt werden. Damit kann diese wie vorgesehen am 1.12. ihre Arbeit aufnehmen. Dies haben Medien am Mittwoch, 20.11., berichtet. Nach längeren wechselseitigen Blockadedrohungen haben Europäische Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten (S&D) und Liberale (ALDE) offenbar eine Einigung gefunden.
Sozialdemokraten und Liberale gegen Italiener Fitto in der EU-Kommission
Demnach haben sich die Fraktionen darauf geeinigt, entgegen allen Bedenken gegen einzelne Kandidaten das von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Team zu bestätigen. Damit wäre der Weg frei für die erforderlichen Mehrheiten im EU-Parlament. Neben den Vizepräsidenten sollen damit auch alle vorgesehenen EU-Kommissare bestätigt werden können.
Vor allem drei Personalien waren bis zum Schluss umstritten. Sozialdemokraten, Liberale und Grüne hatten sich gegen Raffaele Fitto als Vizepräsidenten gewandt. Der Politiker, der für die Regionalentwicklung zuständig sein soll, ist Mitglied der Fratelli d’Italia. Die Partei von Premierministerin Giorgia Meloni war aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale hervorgegangen.
Die 1994 gegründete Vorgängerpartei wurzelte wiederum im neofaschistischen MSI. Diese politische „Ahnenreihe“ erschien einigen Abgeordneten als untragbar. Fitto selbst hatte mit dem Transformationsprozess der italienischen Rechtspartei allerdings nichts zu tun. Er gehörte den Christdemokraten und mehreren kleinen, kurzlebigen Nachfolgeparteien an. Eine davon verschmolz 2019 mit den Fratelli – erst seit diesem Zeitpunkt ist Fitto Weggefährte Melonis.
EVP äußert Vorbehalte gegen Kernkraftgegnerin und Öko-Hardlinerin Ribera
Die EVP schoss sich im Gegenzug auf die S&D-Kandidatin Teresa Ribera ein. Diese ist derzeit noch Vizepremierministerin des Kabinetts Sánchez in Spanien. Sie soll in der künftigen EU-Kommission für die „ökologische Transformation“ und den Ausbau der erneuerbaren Energien zuständig sein.
Gegen sie regte sich schon früh Widerstand. Ihre Ankündigungen, die Ziele des Green Deal noch ambitionierter verfolgen zu wollen, galten vielen als Wortbruch, nachdem Kommissionspräsidentin von der Leyen angekündigt hatte, diese auf Verträglichkeit mit einer gesunden Wirtschaftsentwicklung zu prüfen. Ribera gilt zudem noch als Kernkraftgegnerin.
In ihrer Heimat Spanien musste Ribera sich hingegen zuletzt scharfe Kritik gefallen lassen bezüglich ihres Umgangs mit den Überschwemmungen in Valencia im Oktober. Erst nach drei Wochen habe sie sich erstmals vor dem Parlament dazu geäußert. Dabei wies sie Vorwürfe zurück, zuständige Warndienste hätten aus Wetterdaten nicht die korrekten Schlüsse gezogen. Die Überschwemmungen seien „auf den Klimawandel zurückzuführen“, erwiderte sie.
Várhelyi sollen Zuständigkeiten für „reproduktive Rechte“ und „Pandemievorsorge“ entzogen werden
Noch nicht die erforderliche Mehrheit für die Bestätigung hatte auch der Ungar Olivér Várhelyi erhalten. Er war seit 2019 für Nachbarschaftspolitik zuständig und soll künftig das Ressort Gesundheit und Tierschutz übernehmen. Auf der Linken nimmt man ihm jedoch nicht nur seine klare, proisraelische Position übel.
Auch die Zuständigkeiten für „reproduktive Rechte“ und „Pandemievorsorge“ sollen ihm nach dem Willen von Parlamentariern entzogen werden. Der parteilose Várhelyi gilt als Orbán-nahe und ideologisch nicht verlässlich. Er musste nach seiner ersten Anhörung vorerst weitere Fragen beantworten.
Nachdem die Christdemokraten in der Vorwoche mit den Stimmen der Rechtsfraktionen eine Änderung der Entwaldungsverordnung erzwungen hatten, drohte die EU-Kommission an der wechselseitigen Blockade zu scheitern. Die Urfassung sollte unter anderem sogar Verlage verpflichten, nachzuweisen, dass die Produktion ihrer Bücher nicht zu einer Verminderung der Waldsubstanz beitrage. Auch in den Reihen bürgerlicher Politiker wurde dies als übergriffig und weltfremd angesehen.
Prodi und Monti warnten vor Scheitern der EU-Kommission von der Leyen II
Kommt es zu keiner Bestätigung aller Kandidaten für EU-Spitzenposten, droht jedoch die EU-Kommission von der Leyen II zu scheitern. In dieser Situation wandten sich der früheren italienischen Premierminister und Europapolitiker Romano Prodi und Mario Monti in einem dramatischen Appell an die Abgeordneten.
Sie bezeichneten sowohl Fitto als auch Ribera als „qualifizierte Kandidaten“. Gleichzeitig sei es „nach einer fünfmonatigen Reifezeit“ geboten, der Kommission das Vertrauen auszusprechen. Dies gelte umso mehr, als „die Veränderungen in der amerikanischen Politik uns zwingen, ein stärkeres und geschlosseneres Europa aufzubauen“.
Nach mehreren fruchtlosen Gesprächen zwischen den Fraktionsspitzen soll es nun eine informelle Einigung geben. Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale haben demnach zugesagt, die bisher nicht bestätigten Kommissare in ihr Amt zuzulassen.
EVP soll Verzicht auf Zusammenarbeit mit Rechten zusagen
Die EVP solle zusagen, künftig „proeuropäische Mehrheiten“ mit den beiden anderen Fraktionen zu bilden und nicht mit den Rechtsaußen-Fraktionen zusammenzuarbeiten. Allerdings gibt es auf EU-Ebene keinen Koalitionsvertrag – und die Vereinbarung wäre nicht bindend.
Es gibt deshalb nach wie vor Widerstände innerhalb der S&D-Fraktion gegen Fitto. Allerdings sind, solange es keine Bestätigung der noch umstrittenen Vorschläge gibt, auch die übrigen Vizepräsidenten blockiert. Zu diesen zählen der Franzose Stéphane Séjourné, die Rumänin Roxana Minzantu, die Finnin Henna Virkkunen und die als russophobe Scharfmacherin geltende Kaja Kallas. Die frühere estnische Regierungschefin soll Außenbeauftragte werden.
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