Türkei will Döner-Zertifizierung: Bald Aus für den deutschen Döner?

Ein Verein aus Istanbul hat bei der EU den Antrag eingereicht, Döner zu standardisieren, von der Dicke der Fleischstücke bis hin zur Klingenlänge des Kebab-Schneiders. Der Döner soll als „traditionelle Spezialität“ geschützt werden. Dagegen regt sich Widerstand.
Titelbild
Steht der Hähnchen-Döner bald unter Strafe?Foto: Abdukkadir Arslan/iStock
Von 4. Juli 2024

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Der Deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war im April mit 60 Kilo Dönerfleisch im Gepäck an den Bosporus gereist, um dort mit dem Fleischspieß made in Germany 100 Jahre diplomatische Beziehungen mit der Türkei zu zelebrieren. Mit Bildern am Dönerspieß säbelnd, löste er durchaus auch Kopfschütteln aus, unter anderem bei Gourmetkoch Cem Ekşi, der bei dem Anlass den deutschen Döner als „ein Klischee, das die türkische Kultur abmindert“ bezeichnete, wie die FAZ schreibt.

Der Döner ist heute das deutsche Fast-Food-Gericht Nummer 1. Die mehr als 18.000 Stände und Buden machen ein Geschäft, der nach Recherchen der „Welt“ über dem Gesamtumsatz von McDonald’s, Burger King, Nordsee und anderen Fast-Food-Ketten liegt. Die Dönerindustrie setzt rund sieben Milliarden Euro im Jahr in Deutschland um. Europaweit sollen es laut Statistischem Bundesamt zwölf Milliarden Euro sein.

Döner in aller EU-Munde

Damit könnte bald Schluss ein, denn ein in Istanbul ansässiger Internationaler Döner-Verein (Udofed) will nicht nur ein Stück abhaben vom großen Döner-Kuchen, sondern auch die Rezeptur vereinheitlichen lassen. Für die „Verteidigung des Döners als nationales türkisches Kulturgut“ hat die Internationale Döner-Föderation bei der EU-Kommission im April beantragt, dass der Name „Döner“ als „garantiert traditionelle Spezialität“ in Europa nur noch für Fleischspieße verwendet werden darf, die den von dem Istanbuler Verein definierten Kriterien entsprechen.

Ziel des Antrags ist es, die Zubereitung und Inhaltsstoffe des Döners genau festzuschreiben. Die Udofed selbst sieht sich dabei als Vertreterin des Döner Kebap in 140 Ländern.

Der Antrag auf fünf Seiten definiert im Detail, wie viel Millimeter die abgeschnittenen Fleisch-Scheiben haben dürfen, den pH-Wert, den Fett- und Salzgehalt, wievielt Zwiebeln und welche Gewürze verwendet werden dürfen. Ebenso, wie groß der Abstand des Fleischspießes von der Hitzequelle sein muss. Sogar, wie lang das verwendete Messer sein soll. Genau 55 Zentimeter.

Kein Gemüse, kein Hähnchen, keine Extras mehr

Wenn dieser Antrag durchkommen sollte, müssten viele deutsche Döner-Buden wohl umetikettieren. Denn die Verwendung von Kalbfleisch für den Döner, wie sie in Deutschland verbreitet ist, wäre dann verboten. Das im Antrag genannte Rind muss mindestens 16 Monate alt sein. Laut EU-Vorgaben gelten Rinder aber nur bis acht Monate als Kalb. Auch in Deutschland übliche Hähnchen-Döner oder der populäre Gemüse-Döner wären dann tabu: Sie müssten umbenannt werden und dürften nicht mehr als Döner verkauft werden.

Dann riskiert auch jeder, der einen nicht der Rezeptur entsprechenden Döner als solchen verkauft, eine Strafanzeige wegen Betrugs. Damit steht die Möglichkeit einer Klagewelle im Raum, die die deutschen Lebensmittelprüfer beschäftigt halten würde.

Nach deutscher Gesetzgebung würde sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe drohen.

Die Erzeugergemeinschaft hatte den Antrag bereits im Mai 2022 gestellt. Am 24. April wurde er dann im Amtsblatt der EU-Kommission veröffentlicht. Innerhalb der vorgeschriebenen Einspruchsfrist wurden zehn solcher Einsprüche bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) eingelegt. Diese müssen nun geprüft werden, um dann bis 24. Juli an die EU-Kommission weitergegeben zu werden. Diese Einsprüche, bei denen man mit guten Gründen aufwarten muss, sind die Basis dafür, dass Brüssel den Antrag aus der Türkei überhaupt ablehnen kann.

Berliner Döner-Verein widerspricht

Einer von den zehn, die dem widersprechen, ist der in Berlin ansässige Verein Tür­kischer Dönerhersteller in Europa. Mit welchen Argumenten der Berliner Verein den Istanbuler Verstoß abwehren will, wollte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Gürsel Ülber, der „FAZ“ mit Verweis auf das „laufende Verfahren“ nicht mitteilen. Kurioserweise beruft sich der türkische Antrag auf den Berliner Verein, der allerdings laut Ülber nicht einbezogen wurde.

Für den Berliner Soziologen Eberhard Seidel, Autor eines Buches über die Kulturgeschichte des Döners, ist der Antrag aus der Türkei „ein Angriff auf die kulturelle Identität Deutschlands“. Es sei ein Versuch, das „deutsche Nationalgericht“ zu monopolisieren und den Döner als etwas rein Türkisches zu definieren. Der Verein in Berlin repräsentiert laut Seidel jene Hersteller, „die die Döner-Industrie in den vergangenen 50 Jahren maßgeblich entwickelt und zu dem weltweiten Erfolg des Döners beigetragen haben“.

Deutschland, konkret die Hauptstadt Berlin, gilt als die Wiege des Döners. Die Teigtasche mit Fleisch, Gemüse und Soßen wurde hier von Kadir Nurman, der seine Gastarbeiterzeit bei Daimler begonnen hatte, erfunden.

Der türkische Einwanderer entwickelte den rotierenden Metall-Spieß, auf dem das Fleisch gegrillt wird. Seinen ersten Döner soll er 1972 am Bahnhof Zoo verkauft haben. Da Nurman sich den Spieß aber nicht patentieren ließ, wurde seine Erfindung schon bald kopiert und verbreitete sich in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Schöne neue Dönerwelt

Dabei ist Döner in Deutschland durchaus reglementiert. Seit 1992 ist in Deutschland eine Verordnung in Kraft, die Qualitätsstandards definiert.

Für die „Taz“ ist der türkische Antrag der Versuch, „die Dönerwelt, die seit Jahrzehnten von deutsch-türkischen Dönerproduzenten entwickelt, gestaltet und vermessen wird, neu zu ordnen: autoritär, durch Normsetzungen aus der Türkei von oben, mit nationalistischen Reinheitsvorstellungen und Besitzanspruch“.

Der Antrag der Internationalen Döner-Föderation ignoriere, so die „Taz“ weiter, dass der Döner Kebap keine Erfindung der Türkei sei, sondern ein Produkt des Osmanischen Reiches, in dem Türken, Griechen, Albaner, Juden, Armenier, Kurden und Araber sich gegenseitig in die Töpfe guckten und voneinander klauten und lernten. Das Ergebnis ist die Dreifaltigkeit: Döner-Gyros-Schawarma.

In der Türkei ist im Unterschied zu Deutschland der Döner zumeist ein Tellergericht, ohne die typischen Soßen, Salate und inzwischen auch Gemüse, die in Deutschland üblich sind. Für den Chef des türkischen Antragstellers Udofed, Mehmet Mercan, ist sein Verband der Verteidiger und Beschützer des Döners: „Der türkische Döner, die einzigartige Geschmacksrichtung Anatoliens, ist nicht länger herrenlos.“



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