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Gebrochene Versprechen

Tödliche islamistische Rivalitäten in Afghanistan

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Die Taliban in Kabul.

Foto: HOSHANG HASHIMI/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 4 Min.

Endlich Sicherheit: So lautet das Versprechen der Taliban an die afghanische Bevölkerung. Doch seit ihrer Machtübernahme im August gibt es weiterhin regelmäßig Anschläge. Auch den jüngsten Selbstmordanschlag in Kandahar reklamierte der regionale Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) für sich. Sowohl bei den Taliban als auch beim IS handelt es sich um radikal-sunnitische Bewegungen. Trotzdem sind sie verfeindet – denn es gibt auch große Unterschiede:

Der IS in Afghanistan

Offiziell wurde der IS Ende 2014 von sunnitischen Extremisten gegründet, die den Treueschwur auf ein islamisches „Kalifat“ leisteten. In Teilen des Irak und Syriens errichteten IS-Kämpfer damals eine Schreckensherrschaft. Bis zum militärischen Sieg über den IS im Jahr 2016 schwappte dessen extremistische Ideologie auch auf andere Weltregionen über. Zu den IS-Ablegern, die sich seither bildeten, gehört der Islamische Staat – Provinz Chorasan (IS-K) in Afghanistan.
Der IS-K bekannte sich unter anderem zu dem Anschlag am Kabuler Flughafen inmitten der internationalen Evakuierungsmission mit mehr als hundert Toten. Auch einen Bombenanschlag in Kundus Anfang Oktober mit dutzenden Toten und den Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee in Kandahar am vergangenen Freitag mit mindestens 60 Toten reklamierte die Dschihadistenmiliz für sich.
Der vollständige Name des IS-Ablegers verweist auf die Region Chorasan, die Teile Afghanistans, Pakistans, Turkmenistans sowie des Iran umfasst. Nach UN-Schätzungen hat die Gruppierung im Norden und Osten Afghanistans einige tausend Kämpfer.
Der IS-K sei ein „Konglomerat aus ehemaligen dschihadistischen Organisationen, darunter Uiguren, Usbeken sowie ehemaligen Taliban-Kämpfern“, sagt Jean-Luc Marret von der französischen Stiftung für strategische Forschung.

Ideologische Rivalität

Sowohl der IS-K als auch die Taliban sind militant-sunnitisch. Während die neue Taliban-Regierung in Kabul jedoch auch schiitischen Minderheiten Schutz zugesichert hat, verfolgt die Dschihadistenmiliz das Ziel, „Glaubensabtrünnige“ und „Heuchler“ auszulöschen. Besonders bedroht vom IS-K sind Minderheiten wie die Hasara.
Unterschiede gibt es auch in der politischen Zielsetzung: Während die Taliban Afghanistan gemäß ihrer radikalen Auslegung des islamischen Rechts beherrschen wollen, strebt der IS-K ein globales islamisches „Kalifat“ an.
Taliban-Vertreter brandmarken den IS-K als „Takfiri“ – als Muslime, die anderen die Zugehörigkeit zum wahren islamischen Glauben absprechen und sie deshalb zum Tode verdammen. Der IS-K wiederum präsentiert die Taliban wegen ihres Abkommens mit den USA über den Truppenabzug als Verräter.
Die Abgrenzung zwischen Taliban und IS-K ist in der Realität allerdings bisweilen schwierig. „Der IS-K hat in der Vergangenheit erfolgreich unzufriedene Mitglieder der Taliban rekrutiert oder solche, die die Taliban als zu moderat erachten“, sagt Barbara Kelemen von der Politikberatungsfirma Dragonfly Security Intelligence.

Stärken und Schwächen der Taliban

Für die Taliban sind die Anschläge des IS-K nicht zuletzt ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ihre wichtigste Botschaft seit ihrer Machtübernahme laute, dass sie „die Stabilität wiederhergestellt haben, indem sie den Krieg beendeten“, sagt Michael Kugelman von der US-Denkfabrik Woodrow Wilson Center.
Der Anschlag in Kandahar ist zudem der erste in dieser für die Taliban besonders wichtigen Stadt, der Geburtsstätte ihrer Bewegung. „Wenn die Taliban Kandahar nicht vor einem IS-K-Angriff schützen können, wie könnten sie dann den Rest des Landes schützen?“, sagt Abdul Sayed von Extrac, einer britischen Expertengruppe für Konflikte.
Die von den USA unterstützte afghanische Ex-Regierung hatte ausländische Milliardenhilfen erhalten, um die Sicherheit im Land zu erhöhen – trotzdem war es ihr weder gelungen, die Taliban zu besiegen noch den IS-K. Die Taliban erhalten dagegen kaum internationale Hilfen. Anders als die Vorgängerregierung können sie auch nicht auf moderne Geheimdienst- und Überwachungstechniken zurückgreifen, wie sie die US-Armee damals zur Verfügung stellte.
Allerdings kennen die Taliban ihren Feind und dessen Terrain. Hoffen dürfen sie zudem auf die Unterstützung zweier Gruppen, die mit den IS-Taktiken gut vertraut sind: Dies sind die  Terrororganisation Al-Kaida und das Hakkani-Netzwerk. (afp/oz)

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