Steine auf Oppositionspolitiker – Schläge gegen syrisches Kind: Gewalt überschattet Wahlkampf in Türkei
Die Endphase des Wahlkampfs in der Türkei wird von mehreren Vorfällen politisch motivierter Gewalt überschattet. Einer davon richtete sich gegen den Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu. Dieser gilt als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, sollte das Oppositionsbündnis die Wahlen am kommenden Sonntag, 14. Mai, gewinnen.
Wie die Zeitung „Hürriyet“ berichtet, hat eine Gruppe von Personen in der osttürkischen Provinz Erzurum den Wahlkampfbus der Opposition mit Steinen beworfen. Imamoğlu selbst sprach von 300 bis 400 „aufgehetzten Personen“, von denen die Gewalt ausgegangen sei. Die Polizei, so der Oppositionspolitiker, habe die Steinwürfe nicht unterbunden. Bei dem Angriff soll es zwölf Verletzte gegeben haben, darunter ein Kind, wie „NEX24“ meldet.
Präsidentensprecher der Türkei verurteilt Übergriff auf Imamoğlu
Innenminister Süleyman Soylu wies die Vorwürfe Imamoğlus zurück und erklärte, dieser habe selbst „die Provokation heraufbeschworen“. Demgegenüber verurteilte der türkische Kommunikationsdirektor Ibrahim Kalın den Übergriff gegenüber „Habertürk“ mit scharfen Worten.
Er betonte, eine solche Tat sei „inakzeptabel“. Die Sicherheit von Leben und Eigentum aller habe für die türkische Regierung im Wahlprozess oberste Priorität. Dies gelte unabhängig davon, welcher Partei oder Gruppe sie angehören. Es sei das erste Mal, dass es in Erzurum zu einem solchen Vorfall gekommen sei. Die Regierung erwarte eine umfassende Untersuchung des Vorfalls.
Der aussichtsreichste Oppositionskandidat für das Amt des Präsidenten, Kemal Kılıçdaroğlu, hat auf Twitter eine „militaristische Koalition“ als Urheber des Angriffs bezeichnet. Diese wolle „unser Volk verängstigen“. Der Wandel, den die Opposition anstrebe, habe „seinen Preis, und wir sind alle bereit, ihn zu zahlen“.
Gouverneur weist Anschuldigungen gegen Sicherheitskräfte zurück
Der Gouverneur von Erzurum, Okay Memiş, trat unterdessen Vorwürfen entgegen, die Sicherheitskräfte hätten nichts gegen den Angriff unternommen. Er äußerte gegenüber Medien:
Der Stadtplatz von Havuzbaşı war heute kein offiziell deklarierter Schauplatz einer Wahlkampfkundgebung. Wäre er das gewesen, hätten wir die Sicherheitsmaßnahmen entsprechend anpassen können.“
Ursprünglich sei stattdessen ein Treffen Imamoğlus mit Händlern angekündigt gewesen. Seine Wahlkampfregie habe dieses jedoch in eine Wahlkampfkundgebung umfunktioniert.
Imamoğlu soll eigenmächtig Zweck seines Besuchs verändert haben
Kalın bestätigte im Wesentlichen die Darstellung des Gouverneurs. Er betonte, dass es Sache des Wahlausschusses sei, Orte zu definieren, an denen Wahlkampfkundgebungen stattfinden könnten. Man könne nicht einfach auftreten, wo man wolle. Dies sei auch im Vorfeld des Angriffs zum Tragen gekommen:
Bei dem heutigen Vorfall war Imamoğlus Bitte, eine Kundgebung an einem anderen Ort in der Stadt anstatt auf dem Kundgebungsgelände abzuhalten, abgelehnt worden. Die Gemeinde lehnte ab, weil dies kein Versammlungsort sei.“
Es seien zahlreiche Polizeibeamte im Einsatz gewesen, wie dies bei einem Besuch von Politikern bei Händlern üblich sei. Für eine Wahlkundgebung, in die man diesen angekündigten Besuch umgewandelt habe, hätte deren Anzahl jedoch nicht ausgereicht.
Eine Gruppe griff diese Kundgebung mit Steinen an. Das ist nicht akzeptabel. Das Gouverneursamt arbeitet daran, den genauen Vorfall aufzuklären.“
CHP macht Front gegen syrische Flüchtlinge
In der westtürkischen Stadt Bursa nahm die Polizei unterdessen einen Mitarbeiter eines Wahlbüros der oppositionellen CHP fest. Wie „NEX24“ berichtet, soll dieser einen zehnjährigen syrischstämmigen Jungen geschlagen und mit heißem Tee übergossen haben.
Das Kind sei zuvor versehentlich mit einem Fähnchen der regierenden AKP in das Büro gegangen. Zeugen hätten die Familie später aufgesucht und den Jungen zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. In weiterer Folge sollen Parteifunktionäre der CHP die Familie unter Druck gesetzt und ein Video mit dem Jungen verlangt haben. Darin solle jener einräumen, den Tee selbst verschüttet zu haben.
Um nationalistisch gesinnte Wähler anzusprechen, hatte CHP-Kandidat Kemal Kılıçdaroğlu erst in der Vorwoche angekündigt, im Fall seiner Wahl alle syrischen Flüchtlinge abzuschieben. In der Türkei finden seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland knapp vier Millionen Syrer Zuflucht.
Erdoğan: „Mit uns wird die Türkei nie wieder Objekt ausländischer Interessen“
In Istanbul haben sich unterdessen am Sonntag nach Angaben der Veranstalter etwa 1,7 Millionen Menschen zu einer Kundgebung mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan versammelt. Dieser kündigte an, von der Inflation betroffenen Menschen einen Ausgleich zu bezahlen. Es gebe Probleme, und es sei noch viel zu tun, betonte der Präsident:
Aber zuerst müssen wir darauf blicken, von wo wir begonnen haben.“
Er wies laut „Hürriyet“ darauf hin, dass sich das Volkseinkommen in der Türkei seit 2002 verdreifacht habe. Erdoğan sagte ein „türkisches Jahrhundert“ voraus. Seine Regierung garantiere, dass das Land nie wieder zum Spielball feindseliger ausländischer Mächte werde.
Hohe Wahlbeteiligung unter Türken in Deutschland
Damals hatte die AKP die Parlamentswahlen gewonnen. Seit dieser Zeit ist sie die bestimmende Kraft in der Türkei. Mitte der 2010er-Jahre hat sie ein Bündnis mit der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) und der kleineren „Partei der Großen Einheit“ (BBP) geschlossen.
MHP und BBP gehörten der sogenannten Idealistenbewegung an. Das Bündnis mit Erdoğan hat diese gespalten – ein Teil der Rechten hat die IYI-Partei gegründet, die nun Kılıçdaroğlu unterstützt. Beobachter erwarten ein knappes Rennen.
Wie „DTJ Online“ unter Berufung auf die „Türkische Gemeinde in Deutschland“ (TGD) schreibt, sei die Wahlbeteiligung unter Deutschlandtürken sehr hoch. Wie deren Vorsitzender Gökay Sofuoğlu äußerte, hätten jetzt schon mehr von diesen ihre Stimmen abgegeben als 2018.
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