Selenskyj unter Druck: Kritik von innen und Geldmangel
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will sich laut Angaben aus Washington an den US-Senat wenden, um die Dringlichkeit weiterer US-Hilfen für sein Land deutlich zu machen.
Selenskyj werde heute in eine nicht-öffentliche Sitzung der Senatoren zugeschaltet, kündigte der demokratische Mehrheitsführer in der Parlamentskammer, Chuck Schumer, an. Er bitte alle, an diesem „wichtigen Briefing“ teilzunehmen. Es gehe darum, direkt von Selenskyj zu erfahren, was auf dem Spiel stehe.
Genehmigte Finanzen verbraucht
Die bisher vom US-Kongress bewilligten Mittel für die Ukraine werden nach Angaben der Regierung zum Jahresende komplett aufgebraucht sein. Wenn das Parlament nicht handele, werde die Regierung dann keinerlei Mittel mehr haben, um weitere Waffen und Ausrüstung für die Ukraine zu beschaffen oder Ausrüstung aus eigenen Militärbeständen an Kiew zu liefern.
Das schrieb die Direktorin des nationalen Haushaltsamtes, Shalanda Young, in einem am Montag veröffentlichten Brief an die Führung in beiden Kongresskammern.
US-Präsident Joe Biden hatte bereits im Oktober beim Kongress ein Milliarden-Paket beantragt, das unter anderem frisches Geld für die Ukraine vorsieht. Die Freigabe neuer US-Hilfen für die Ukraine wird weiterhin von einem innenpolitischen Streit zwischen Demokraten und Republikanern im US-Parlament blockiert.
Mehr und mehr Republikaner melden Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine an oder lehnen diese völlig ab. Ein jüngst verabschiedeter Übergangshaushalt enthält erneut keine neuen Mittel für die Ukraine.
Die Zurückhaltung finanzieller Mittel könnte im Zusammenhang mit der Unterstützung Israels stehen.
Selenskyj in der Kritik
Gleichzeitig steht Selenskyj innenpolitisch immer stärker unter Druck, vor allem streitet er mit der Armee.
Armeechef Walerij Saluschnyj veröffentlichte Anfang November ein viel beachtetes Essay in der britischen „The Economist“. Er analysierte nüchtern die Lage und erklärte – wohl ohne vorherige Abstimmung mit Selenskyj – eine Pattsituation im Krieg gegen Russland.
Selenskyj widersprach seinem obersten Militär öffentlich und ließ seinem Untergebenen Saluschnyj „Politisierung“ vorwerfen. Eine prominente Mitstreiterin des Präsidenten und Abgeordnete forderte offen die Absetzung Saluschnyjs. Sie wurde von ihren Fraktionskollegen kritisiert.
Am 7. November wurde berichtet, dass ein enger Berater des Armeechefs bei der Explosion eines seiner Geburtstagsgeschenke getötet worden. Ein „unbekannter Sprengsatz in einem seiner Geschenke“ sei detoniert, erklärte Walerij Saluschnyj im Onlinedienst Telegram.
Sein Assistent und enger Freund Gennadij Tschastiakow sei „unter tragischen Umständen […] an seinem Geburtstag getötet“ worden.
Wie Innenminister Igor Klymenko ebenfalls auf Telegram erklärte, hatte Tschastiakow seinem Sohn eine Schachtel mit Granaten gezeigt, die er geschenkt bekommen hatte. „Zuerst nahm der Sohn die Munition in die Hand und begann, den Ring zu drehen. Dann nahm der Militärangehörige ihm die Granate weg und zog an dem Ring, was zu einer […] Explosion führte“, erklärte Klymenko. Der Getötete hinterlässt eine Frau und vier Kinder.
Klitschko wirft Selenskyj Fehler vor und wirbt für Ehrlichkeit
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warf dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj indes ungewöhnlich deutlich „Fehler“ vor. „Die Leute fragen sich, wieso wir auf diesen Krieg nicht besser vorbereitet waren. Wieso Selenskyj bis zum Schluss verneinte, dass es dazu kommen werde“, sagte Klitschko dem schweizerischen Nachrichtenportal „20 Minuten“.
„Es gab zu viele Informationen, die sich mit der Realität nicht deckten“, sagt der Ex-Boxweltmeister, der um mehr Ehrlichkeit warb, im Hinblick auf die wahre Lage der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russlands Angriffskrieg. „Selenskyj zahlt für die Fehler, die er gemacht hat“, so Klitschko.
„Selbstverständlich können wir euphorisch unser Volk und unsere Partner anlügen. Aber das kann man nicht ewig machen“, sagte Klitschko weiter in dem Interview.
Der 52-Jährige stellte sich auch demonstrativ auf die Seite des ukrainischen Oberkommandierenden der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, der zur Verärgerung Selenskyjs unlängst von einer Pattsituation in dem Krieg gesprochen hatte.
Die Ukraine kämpft seit mehr als 21 Monaten gegen Russland. Deutschland unterstützt Kiew dabei unter anderem mit Waffenlieferungen und der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Die im Sommer 2023 gestartete ukrainische Gegenoffensive blieb jedoch hinter den Erwartungen der Politik und der Zivilgesellschaft zurück. (dpa/afp/ks)
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