Sebastian Kurz im Krone-Interview: „Haben selbst erlebt, wozu Profis wie Silberstein fähig sind“
Österreichs an diesem Montag bei einem Misstrauensvotum abgewählter Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in einem umfangreichen Interview mit der „Kronen Zeitung“ der oppositionellen SPÖ und seinem früheren Koalitionspartner FPÖ vorgeworfen, durch die Abwahl der Regierung „Rachegelüste“ befriedigen zu wollen.
Mit seiner eigenen Abwahl habe er gerechnet, erklärte Kurz. Aber dass die Sozialdemokraten noch am Abend des „fulminanten Wahlsieges“ seiner ÖVP die Abwahl der gesamten Regierung angekündigt hätten, sei für ihn nicht mehr nachvollziehbar gewesen.
„Wenn Sie mich fragen, was mir durch den Kopf gegangen ist, dann war es das Unverständnis darüber. Meine Abwahl habe ich aus taktischen Gründen noch irgendwie verstanden. Aber warum die Ausweitung auf die ganze Regierung? Das versteht kein Mensch.“
Als überzeugter Demokrat respektiere die Abstimmung, die am Montag stattgefunden hatte, „zu 100 Prozent. Dennoch würde rückblickend „alles wieder so machen“ wie er es in den 525 Tagen seiner Regierung getan hatte, erklärte Kurz.
Am Ende der Koalition gibt Kurz nach wie vor der FPÖ die Schuld:
„Nach einer sehr erfolgreichen Regierungsarbeit mit viel Positivem für das Land haben die Enthüllungen des Ibiza-Videos und die Reaktion der FPÖ diese Zusammenarbeit zerstört. Das hat mich traurig gemacht.“
„Idee des Machtmissbrauchs und Liebäugeln mit Korruption“
Vor weiteren Enthüllungen habe er keine Angst, er würde im Gegenteil sogar hoffen, dass „diese Dinge ans Tageslicht kommen“, denn es gebe zwei Bereiche, wo es notwendig wäre, „Aufklärungsarbeit“ zu betreiben. Einer davon wäre „die Ideen des Machtmissbrauchs, das offene Liebäugeln mit Korruption“, die sich in dem Video gezeigt hätten, das ohne Zustimmung der Betroffenen und in einer in mehrfacher Hinsicht nicht authentischen Gesprächssituation aufgenommen worden war.
Allerdings will Kurz auch die Urheber der Aufnahme nicht unbehelligt lassen. Er hält an seinem Verdacht fest, dass SPÖ-Seilschaften dahintersteckten, die sich bereits in vorangegangenen Wahlkämpfen durch besonders hemmungslose Formen des „Dirty Campaignings“ hervorgetan hatten.
Kurz nennt den Namen des israelischen Politikberaters Tal Silberstein, der auch die SPÖ beraten hatte, ehe er im August 2017, also wenige Wochen nach Produktion des Ibiza-Videos, von der israelischen Polizei wegen mehrerer Verdachtsfälle von Geldwäsche und Bestechung festgenommen wurde und derzeit unter Hausarrest steht. Wörtlich erklärt der österreichische Ex-Kanzler:
„Wozu Profis fähig sind, haben wir im letzten Wahlkampf erlebt, wie etwa Tal Silberstein im Auftrag der SPÖ tätig war und unter anderem auch Facebook-Seiten erstellt hat, die antisemitisch und rassistisch waren, um sie mir in die Schuhe zu schieben und mich so in den Medien und bei der Bevölkerung in ein schlechtes Licht zu rücken.“
Antisemitische Codes?
Er selbst habe diese Methoden am eigenen Leib erlebt und wisse, dass es „Menschen gibt, die dazu fähig sind und die man, so wie es die SPÖ im Wahlkampf gemacht hat, auch engagieren kann“. Am Ende hinterlasse aber jeder Spuren und irgendwann komme immer die Wahrheit raus. Davon sei er „ganz fest überzeugt“.
Den mehrfach erhobenen Vorwurf an Kurz, dieser versuche mittels der Bezugnahme auf Silberstein selbst, „antisemitische Codes“ auszusenden, weist der ÖVP-Chef zurück:
„Tal Silberstein ist der Name einer Person, die weltweit mit üblen Methoden Wahlkämpfe macht und damit sehr viel Geld verdient. Das ist kein antisemitischer Code. Ich habe immer gegen Antisemitismus angekämpft und bin ein starker Unterstützer des Staates Israels, aber einen Namen wird man aussprechen dürfen und auch müssen.“
Die SPÖ hatte Silberstein Honorare in einer Gesamthöhe von 536.000 Euro bezahlt. Die 100.000 Euro, die der Betrieb der umstrittenen Spoof-Seiten auf Facebook gekostet habe – die den Eindruck erwecken sollten, von Kurz- oder FPÖ-Anhängern betrieben zu werden und teils rassistische Inhalte hatten – will Silberstein ohne Wissen der SPÖ aus eigener Tasche bezahlt haben.
Kern habe nichts von seinen gemeinsamen Aktivitäten mit dem österreichischen Politikberater Peter Puller und dem später entlassenen SPÖ-Wahlkampfmanager Paul Pöchhacker gewusst. Silberstein selbst bestreitet, zuletzt in einem „Bild“-Interview, irgendetwas mit dem Ibiza-Video zu tun zu haben. Auch Michael Wuliger nimmt Anstoß daran, dass Kurz – ohne stichhaltige Beweise zu präsentieren – explizit Silbersteins Namen ins Spiel bringt, wenn es um mögliche Hintermänner gehe.
Erste Zweifel an Koalition mit Skandalen in FPÖ-Provinzverbänden
Bereits im Zusammenhang mit der Schmutzkampagne im Wahlkampf 2017 sei Silberstein nicht der Alleinverantwortliche gewesen. Wuliger schreibt in der „Jüdischen Allgemeinen“:
„Der engste Vertraute des Israelis war im Wahlkampf 2017 ein gewisser Paul Pöchhacker. Den hat die SPÖ vor einigen Monaten wieder als Berater angeheuert. Und prompt taucht das Ibiza‐Video auf. Wenn man schon mit Verschwörungstheorien hausieren will, klingt die doch viel plausibler. Aber ‚Pöchhacker‐Komplott‘ macht nicht wirklich was her. Mit ‚Silberstein‘ klingt es viel überzeugender.“
Der Name „Puller-Affäre“ wäre allerdings seit der EXPO 2000 in Hannover bereits vergeben gewesen.
Am Bündnis mit der FPÖ habe Kurz, so erklärt er in dem „Krone“-Interview, bereits gezweifelt, als sich Provinzfunktionäre der Partei Skandale rund um extremistische Äußerungen geleistet hatten. Als Beispiele dafür nannte er die „Liederbuchaffäre“ des niederösterreichischen Landespolitikers Udo Landbauer und das „Rattengedicht“ des mittlerweile aus der Partei ausgetretenen Braunauer Ex-Vizebürgermeisters Christian Schilcher.
Noch keine Aussage über künftige Koalitionen
Aussagen über mögliche künftige Koalitionen will Kurz noch nicht treffen:
„Nach der gestrigen Abstimmung im Parlament bitte ich um Verständnis, dass ich heute nicht bereits über Koalitionen nachdenke. Unser klares Ziel ist es daher, dafür zu werben, dass wir als neue Volkspartei gestärkt werden. Je stärker wir sind, desto klarer können wir den eingeschlagenen Kurs auch fortsetzen.“
Inhaltlich sollen die Steuerreform, die Entlastung der Kleinverdiener und die Erhöhung der Mindestpension für Menschen mit mindestens 40 Beitragsjahren zu Schwerpunkten des ÖVP-Wahlkampfs werden.
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