Schlappe für von der Leyen: Macron verhindert Spitzenjob für US-Ökonomin in EU-Kommission

Die US-Ökonomin und Mitarbeiterin der Obama-Regierung Fiona Scott Morton sollte in der EU-Kommission als Beraterin der Wettbewerbsabteilung tätig werden. Frankreich stellte sich quer – nun zog sie ihre Bewerbung zurück.
Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel.
Die US-Ökonomin Fiona Scott Morton sollte einen bedeutsamen Posten als Beraterin für die EU-Kommission übernehmen.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Von 20. Juli 2023

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Ist es plumper Antiamerikanismus oder ist es ein legitimes Interesse an der Verhinderung von Lobbyismus, das hinter der Kritik an einer geplanten Besetzung in der EU-Kommission steht? Die US-amerikanische Ökonomin Fiona Scott Morton hat am Mittwoch, 19. Juli, ihre Bewerbung zurückgezogen. Die Diskussionen um die Hintergründe der geplanten Postenbesetzung werden jedoch weiter anhalten.

Wie die „Berliner Zeitung“ berichtete, hat Morton selbst „wegen der politischen Kontroverse“ um ihre Person auf den ihr zugedachten Posten verzichtet. Die Yale-Professorin sollte ursprünglich als „Chefökonomin für Wettbewerb“ die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager beraten. Im Vorfeld ihrer Entscheidung hatte jedoch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron persönlich interveniert. Er äußerte, er sei „skeptisch“, ob „eine Amerikanerin die richtige Besetzung für den Schlüsselposten“ sei.

Fiona Scott Morton soll auch Pfizer und Sanofi beraten haben

Neben der französischen Regierung hatten auch mehrere EU-Kommissare Zweifel an der geplanten Verpflichtung von Fiona Scott Morton geäußert. Wie „Ouest France“ schreibt, waren auch die Kommissare Borrell, Breton, Ferreira, Gentiloni und Schmit unter den Skeptikern. Sie hatten in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine „Neubewertung“ der geplanten Personalentscheidung gefordert.

Der Pass der Bewerberin war für ihre Kritiker dabei nur ein Anlass, ihre Ambitionen zu hinterfragen. Die Ökonomin war vor ihrem geplanten Wechsel nach Brüssel unter anderem in der Kartellbehörde der Regierung Obama tätig. Anschließend wechselte sie in die Privatwirtschaft und war als Beraterin für Amazon, Apple und Microsoft tätig. Die Honorare beliefen sich dabei auf bis zu zwei Millionen US-Dollar.

Auch Pfizer und Sanofi soll sie beraten haben – was in den von der EU-Kommission präsentierten Vorstellungsunterlagen nicht erwähnt gewesen sein soll. Der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn äußerte zudem, die Information über die geplante Besetzung sei in einem Anhang zwischen wenig bedeutenden Personalien „versteckt“ gewesen.

Wettbewerbshüterin im Interesse der Großkonzerne?

Für Irritationen sorgte unter anderem der Umstand, dass die Ökonomin für Amazon, Apple und Microsoft tätig war und nun im Wettbewerbsressort arbeiten sollte. Alle drei genannten IT-Giganten waren in der Vergangenheit wiederholt ins Visier der europäischen Wettbewerbshüter geraten. In einigen Fällen hatten diese sogar hohe Strafen wegen des „Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung“ verhängt.

Die Kritiker von Fiona Scott Morton sprechen von einem „Mangel an Debatte und Transparenz“. Zudem habe die Kommission nicht klargestellt, dass „die Kandidatin Amerikanerin ist und dass es potenzielle Interessenkonflikte gibt“. Dies äußerte ein EU-Beamter unter der Bedingung der Anonymität gegenüber „Ouest France“.

Macron: „Problem mit allen europäischen akademischen Systemen“

Macron wiederum spricht von einem möglicherweise „sehr großen Problem mit allen europäischen akademischen Systemen“. Dass „wir keinen (europäischen) Forscher auf diesem Niveau haben, der von der Kommission rekrutiert werden kann“, deute jedenfalls darauf hin. Mehrere Kritiker sprechen auch von einer möglichen stärkeren Einmischung der US-Regierung auf EU-Entscheidungen, die durch die Ökonomin in dieser Position ermöglicht würde.

Vestager betonte hingegen, sie habe Fiona Scott Morton als „Beraterin, aber niemals als Lobbyistin“ in Betracht gezogen. Im Vorfeld des Rückzugs der Kandidatin äußerte sie, es könne einige Fälle geben, in denen Morton nicht einbezogen werden könne, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Diese seien jedoch „nur sehr wenige Fälle, höchstens eine Handvoll“. Eine Liste wollte Vestager trotz des Drängens mehrerer Abgeordneter nicht preisgeben.

Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold äußerte sich gegenüber „table.media“ enttäuscht über den Verzicht der Ökonomin. Er erklärte:

Wir sollten Menschen nicht nach ihrem Pass beurteilen, sondern nach ihrer Qualifikation und ihren inhaltlichen Positionen.“

Mortons Rückzug sei „verständlich, aber wirklich bedauerlich“. Es sei unerlässlich für die Institutionen, externe Experten in ihre Dienste zu bekommen. Wichtig seien strengere Regeln beim Wechsel zwischen öffentlichem Dienst, Parlamenten und Privatwirtschaft“.

Sonneborn sieht in Fiona Scott Morton eine mögliche Einflussagentin

Demgegenüber übt MdEP Sonneborn in einem Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“ deutliche Kritik. Er behauptet, dass bereits das Einstellungsverfahren selbst auf eine leise und friktionsfreie Bestellung von Fiona Scott Morton hinausgelaufen sei. Selbst die Ausschreibungsregeln seien von Beginn an auf ihre Person zugeschnitten gewesen.

Es gebe zwar eine Handvoll Beschäftigte aus Drittstaaten in Diensten europäischer Behörden. Außerdem hätten einige britische Staatsangehörige nach dem Brexit ihre Positionen behalten können. Dennoch gelte bei Einstellungen in diesem Bereich eine eindeutige Präferenz. Demnach seien „die Dienste von Beamten zu sichern, die auf möglichst breiter geographischer Grundlage unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausgewählt werden“.

Außerdem sei mit der Position, die Fiona Scott Morton bekleiden soll, ein vergleichsweise deutlich größerer Einfluss verbunden. Sie beinhalte Einsicht in sensible ökonomische Daten und wirtschaftspolitische Strategiepapiere, die Sicherheitsfreigabe aller 27 Mitgliedstaaten erfordern.

Sonneborn wirft den USA vor, ihre eigene Wirtschaft gezielt auf Kosten ihrer europäischen Verbündeten zu stärken. Abhöraffären wie jene um die NSA seien dabei ein Instrument der Einflusspolitik, die Beeinflussung von Entscheidungsprozessen eine weitere. Die geplante Bestellung Mortons weise einen entsprechenden Beigeschmack auf.



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