Schlappe für EU: Gericht erklärt Sanktionen gegen zwei russische Unternehmer für unwirksam

Hat die EU einige ihrer Sanktionen ungerecht verhängt? Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit dem Ukrainekrieg begründete Maßnahmen Brüssels gegen zwei russische Unternehmer aufgehoben. Diese seien auf unzureichende Beweise gestützt gewesen.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Von 10. April 2024

Das Gericht der Europäischen Union hat die Sanktionen des Staatenbundes gegen die russischen Unternehmer Mikhail Fridman und Petr Aven für unwirksam erklärt. Dies berichtete die „Financial Times“ (FT) am Mittwoch, 10. April. Die EU hatte diese verhängt, weil die beiden als „Oligarchen“ titulierten Milliardäre die russische Militäroperation in der Ukraine unterstützt haben sollen.

Demgegenüber gelangte das Gericht zu der Einschätzung, dass die EU unzureichende Beweise dafür erbracht habe, um ihren Vorwurf zu beweisen. Es sei ihr nicht gelungen, darzustellen, auf welche Weise die Betroffenen in Bemühungen involviert gewesen sein sollen, die Ukraine zu unterminieren.

Bislang erster Erfolg gegen Sanktionen vor einem der EU-Höchstgerichte

Das Gericht urteilte, es sei schon denkbar, dass Fridman und Aven „einen gewissen Grad der Nähe zu Wladimir Putin und dessen Umfeld“ aufwiesen. Die EU habe es jedoch nicht bewerkstelligen können, zu zeigen, dass die Kläger „Handlungen und politische Entscheidungen zum Nachteil der Ukraine“ unterstützt hätten.

Auch sei nicht erkennbar, dass die Unternehmer russische Schlüsselfiguren gestützt oder von deren Entscheidungen profitiert hätten. Aven und Fridman sind die bis dato bedeutendsten russischen Staatsangehörigen, die erfolgreich vor einem der höchsten Gerichte geklagt haben. Sie wendeten sich gegen ihre Aufnahme in die EU-Liste für Personen, für die ein Einreiseverbot und eine Beschlagnahme ihres Vermögens verfügt wurden.

Gericht sieht keine Fakten zur Erhärtung der gegen Aven und Fridman gerichteten Vorwürfe

Die Vorwürfe lauteten auf „Unterstützung von Handlungen und politischen Maßnahmen“, welche „die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“. In einer Presseerklärung des Gerichts heißt es hingegen:

„Das Gericht ist der Auffassung, dass keiner der angeführten Gründe hinreichend belegt ist und die Aufnahme von Herrn Aven und Herrn Fridman in die Sanktionslisten daher nicht gerechtfertigt war.“

Gegenüber der FT bezeichnete ein ranghoher EU-Diplomat die Entscheidung als „äußerst unglücklich“.

Wie das Blatt weiter schreibt, habe die EU in den Tagen nach dem russischen Einmarsch Sanktionen gegen hunderte russische Staatsangehörige übers Knie gebrochen. Privat hätten einige Spitzenbeamte aus Brüssel eingeräumt, dass die Beweise für die zugrunde liegenden Vorwürfe „eilig zusammengetragen“ worden seien. Oft seien es lediglich Presseberichte gewesen.

EU hatte Sanktionen seither mehrfach verlängert

Vollständig abgeschlossen ist das Vorgehen der Betroffenen gegen die EU-Sanktionen damit noch nicht. Gegenüber „U.S. News“ erklärte ein Sprecher des Gerichts, dass die Sanktionen, gegen die erfolgreich Einspruch erhoben wurde, bereits abgelaufen seien.

Die beiden Männer stünden derzeit weiterhin unter EU-Sanktionen, weil die gegen sie gerichteten Maßnahmen seither verlängert worden seien – sowohl im März 2023 als auch erneut im letzten Monat. Formell seien dies separate Entscheidungen. Gegen diese seien Berufungen anhängig. Allerdings befänden diese sich in der Anfangsphase und die Prüfung werde voraussichtlich noch einige Monate dauern.

Fridman und Aven sind Großaktionäre des Mischkonzerns Alfa Group. Zu diesem gehören auch die größte russische Privatbank Alfa Bank und der größte russische Lebensmitteleinzelhändler X5 Retail Group. Gegenüber dem Medienunternehmen RBC äußerte Fridman, dass er und Aven mit der Gerichtsentscheidung vom Mittwoch „zufrieden“ seien.

Ermittlungen der NCA in Großbritannien brachten kein Ergebnis

Neben der EU hatte auch das Vereinigte Königreich nach dem Beginn der russischen Militäroperation 2022 Sanktionen gegen Fridman und Aven sowie ihre Partner German Khan und Alexei Kuzmichev verhängt.

Die Unternehmer wurden gezwungen, ihre Kontrolle über die Beteiligungsgesellschaft LetterOne abzugeben. Zudem mussten sie ihre Anteile an der Alfa-Bank verkaufen. Fridman wurde es zudem, während die britische National Crime Agency gegen ihn ermittelte, untersagt, mehr als 2.000 Pfund im Monat auszugeben.

Dies erschwerte es Fridman, den Unterhalt für das Athlone House zu bezahlen, sein 65 Millionen Pfund teures Anwesen in Highgate. Die NCA konnte die Vorwürfe gegen Fridman, der auch einen israelischen Pass besitzt, nicht erhärten. Nachdem die letzte von drei Anklagen gegen ihn fallen gelassen worden war, kehrte er nach Moskau zurück. Aven besitzt auch einen lettischen Pass und lebt in Lettland.

Derzeit noch Dutzende weitere Klagen gegen Sanktionen vor dem Gericht anhängig

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) ist ein eigenständiges europäisches Gericht, das dem Europäischen Gerichtshof nachgeordnet ist und gemeinsam mit diesem den Gerichtshof der Europäischen Union bildet. Gegen seine Urteile ist ein Rechtsmittel an den EuGH möglich. Zuständig ist das EuG unter anderem für Klagen von natürlichen und juristischen Personen auf Nichtigerklärung von individuell gegen sie Handlungen von Organen der Europäischen Union.

Als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 verhängte die EU Sanktionen. Betroffen waren mehr 1.700 natürliche und mehr als 400 juristische Personen. Ihnen allen warf die EU vor, den aus ihrer Sicht „russischen Angriffskrieg“ unterstützt oder ermöglicht zu haben.

Kritiker hatten von Beginn an Zweifel, dass alle verhängten Maßnahmen Verfahren nach rechtsstaatlichen Standards standhalten würden. Darüber hinaus kamen Bedenken auf, die Beschlagnahmung von Vermögenswerten auf zweifelhafter Grundlage könnte dem Ansehen Europas als Standort für Investitionen schaden.

Dass das Gericht der Europäischen Union nun in zwei prominenten Fällen politischer und ideologischer Willkür einen Riegel vorgeschoben hat, könnte diesen potenziellen Effekt etwas abmildern. Derzeit sind dem EuG zufolge noch Dutzende weitere Klagen gegen EU-Sanktionen anhängig.



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