Russisches Spionageschiff soll Informationen über Offshore-Windparks gesammelt haben
Geheimdienste aus den Benelux-Staaten haben Beobachtungen mitgeteilt, die angeblich auf russische nachrichtendienstliche Aktivitäten oder Sabotagepläne hindeuten. Am Montag, 20. Februar, meldete der niederländische militärische Informationsdienst (MIVD), ein russisches Schiff sei im November in der Nordsee gesichtet worden. Es habe sich möglicherweise um ein „Spionageschiff“ gehandelt.
Der belgische Minister für Justiz und Nordseeangelegenheiten, Vincent Van Quickenborne, bestätigte nun gegenüber AFP, die Marine des Landes habe ein solches Schiff gesichtet.
Angebliches Spionageschiff soll „Energiesystem ausspionieren“
Der Direktor des MIVD, Jan Swillens, witterte „vorbereitende Handlungen für Störungen und Sabotage“ als Ziel des Schiffs. Es sei jedoch gelungen, das angebliche Spionageschiff rechtzeitig zu entdecken und zum Abdrehen zu zwingen. In den Niederlanden gehe man nun davon aus, dass die Russische Föderation versuche, „das Energiesystem des Landes auszuspionieren und zu sabotieren“.
Auch Van Quickenborne ist sich sicher, das Schiff habe das Ziel verfolgt, Informationen über Offshore-Windparks in der Nordsee zu sammeln. Es sei nicht das erste Mal, dass dort ein „rätselhaftes russisches Schiff“ gesichtet worden sei. Der „Focus“ zitiert den Minister mit den Worten:
Das ist beunruhigend, denn wir kennen das Sabotagerisiko nach den Vorkommnissen um Nord Stream.“
Sabotage an Nord Stream 2 weiter unaufgeklärt
Warum die Mitteilung über den angeblich bis November des Vorjahres zurückreichenden Vorgang erst jetzt erfolgt, ist unklar. Auffällig ist aber, dass im Kontext der Meldung über das angebliche Spionageschiff die mutmaßliche Sprengung der Pipeline Nord Stream 2 thematisiert wird.
Die weitgehende Zerstörung der für die europäische Energieversorgung wichtigen Infrastruktureinrichtung am 26. September des Vorjahres ist bis heute nicht aufgeklärt. In mehreren Ländern unterliegen alle Ermittlungsdaten zu dem Vorfall der Geheimhaltung. Auch in Deutschland verweigerte die Bundesregierung der Abgeordneten Sahra Wagenknecht aus diesem Grund weitere Auskünfte.
Zweifel an behaupteten Verdachtsmomenten gegen Russland
In den ersten Wochen nach der mutmaßlichen Sprengung der Pipeline hatten mehrere westliche Politiker und Medien die Behauptung aufgestellt, Russland selbst sei dafür verantwortlich. Präsident Wladimir Putin, so das Narrativ, habe die Sprengsätze schon beim Bau anbringen lassen, um im Fall des Falles die russische Energieversorgung nach Europa als Druckmittel nutzen zu können.
Eine solche These stellte etwa Andrij Koboljew, der ehemalige Chef des ukrainischen Versorgers Naftohaz, auf. Neben Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des auch von deutschen Medien zitierten Experten blieben jedoch auch solche an einer solchen Motivlage. Die deutsche Bundesregierung hatte bereits unmittelbar nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 erklärt, die Pipeline nicht nutzen zu wollen.
Russland selbst hatte in Erwartung westlicher Sanktionen damit begonnen, den Schwerpunkt seiner Energiepartnerschaften von Europa weg zu verlagern. Allerdings hätten schwere Versorgungsengpässe und explodierende Energiepreise in Deutschland und anderen Ländern Protestwellen auslösen können. Diese hätten potenziell eine Kehrtwende in der Sanktionspolitik erzwungen. Russland hätte also eher ein Interesse daran gehabt, die Infrastruktur für den Fall des Falles funktionsfähig zu halten.
USA sollen Deutschland als unsicheren Kantonisten betrachtet haben
Dass auch die Regierung in den USA eine solche Entwicklung befürchteten, geht aus einem Bericht hervor, den der bekannte Investigativjournalist Seymour Hersh Anfang des Monats auf Substack veröffentlichte.
Unter Berufung auf einen angeblichen Insider, dessen Namen er nicht nennt, präsentiert Hersh eine eigene Theorie. So sollen Regierungsstellen der USA selbst mit norwegischer Unterstützung vor Ort die Sabotage an Nord Stream geplant und durchgeführt haben.
Grund dafür sei gewesen, dass Präsident Joe Biden und führende außenpolitische Entscheidungsträger kein Vertrauen in die innenpolitischen Perspektiven in Deutschland gehabt hätten. Die Aussicht auf eine weitere Versorgung mit günstigem Gas aus Russland hätte das Bekenntnis Berlins zum Bruch mit Russland unterminieren können.
Involviert in die Entscheidungsfindung seien demnach der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und Staatssekretärin Victoria Nuland gewesen. Sie alle seien vehemente Gegner des Nord-Stream-2-Projekts gewesen.
Soll Story über „Spionageschiff“ von Hersh-Bericht ablenken?
Belastbare Beweise gibt es jedoch auch für Hershs Theorie nicht. Die nunmehrigen Berichte über das angebliche Spionageschiff eignen sich jedoch, das Gegennarrativ dazu wieder zurück in den Fokus der Öffentlichkeit zu holen.
Van Quickenborne will nun auf jeden Fall zusätzliche Mittel in die Spionageabwehr investieren. Er teilt dazu mit:
Wir haben beschlossen, mehrere Millionen Euro in den Kauf von Software zu investieren, um solche Aktivitäten besser verfolgen zu können.“
Belgiens Regierung habe zudem die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, Offshore-Windräder mit Kameras auszustatten. In Fällen von Sabotage oder Spionage sei es darüber hinaus „grundsätzlich möglich, ein Boot zu beschlagnahmen“.
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