Nawalny-Anhänger rufen zu Massenprotesten auf – EU-Parlament fordert Ende von Nord Stream 2
Angesichts geplanter Proteste am Samstag haben die russischen Behörden die Anhänger von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vor weiteren Aufrufen zu Demonstrationen gewarnt. Die Vorbereitung und Teilnahme an „illegalen Massenprotesten“ werde schwerwiegende Folgen haben, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag in Moskau.
Die Polizei nahm am selben Tag eine enge Verbündete Nawalnys fest. Das EU-Parlament forderte wegen der Verhaftung des Oppositionellen das Ende des deutsch-russischen Pipeline-Projektes Nord Stream 2 und Sanktionen gegen russische Oligarchen.
Nawalny war am Sonntag direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen worden. In Berlin war er nach einem Giftanschlag im August behandelt worden, für den der Oppositionelle den Kreml verantwortlich macht. Am Montag verhängte ein russisches Gericht in einem Eilverfahren 30 Tage Haft gegen ihn wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen.
Die Anhänger Nawalnys riefen daraufhin für Samstag zu Demonstrationen in rund 65 Städten im ganzen Land auf. Eine von Nawalnys Team veröffentlichte Recherche zu einem angeblichen Luxus-Palast von Präsident Wladimir Putin heizte die Stimmung weiter auf.
Generalstaatsanwaltschaft warnte vor Protestaufrufen
Die Generalstaatsanwaltschaft warnte vor weiteren Protestaufrufen: „Die Strafverfolgungsbehörden wurden angewiesen, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls gegen Zuwiderhandelnde vorzugehen.“ Die Polizei nahm am Donnerstag die bekannte Aktivistin Ljubow Sobol, eine enge Vertraute Nawalnys, fest.
Nach Angaben ihres Anwalts wird ihr Aufruf zu nicht genehmigten Kundgebungen vorgeworfen. Wladlen Los, ein belarussischer Mitarbeiter von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, wurde nach eigenen Angaben zum Verlassen des Landes aufgefordert.
Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor warnte zudem die Plattformbetreiber davor, Minderjährige in der Corona-Pandemie zur Teilnahme an Protesten zu ermutigen. Betreibern, die „verbotene Informationen“ nicht entfernten, drohe eine Geldstrafe bis zu vier Millionen Rubel (44.600 Euro).
Nach Nawalnys Festnahme hatten sich viele Russen in den Onlinenetzwerken – darunter die bei Jugendlichen beliebte App TikTok und sogar die Dating-App Tinder – solidarisch gezeigt und zu einer regen Teilnahme an den Protesten aufgerufen. Auch mehrere prominente russische Schauspieler, Musiker und Sportler äußerten ihre Unterstützung für Nawalny.
Bericht über Putins angebliches Luxus-Anwesen erhält 45 Millionen Klicks
Nawalnys Team hatte zwei Tage nach der Festnahme des 44-Jährigen einen Bericht über Putins angebliches Luxus-Anwesen veröffentlicht. Der Palast habe 100 Milliarden Rubel gekostet und sei durch „die größte Bestechung der Geschichte“ bezahlt worden, heißt es in der auf Nawalnys Blog veröffentlichten Recherche.
Das Anwesen soll demnach 39 Mal so groß sein wie Monaco und über ein Casino, eine Eisbahn, Weinberge und eine Shisha-Lounge mit Poledance-Bühne verfügen.
Ein Youtube-Video zu der Recherche wurde nach Angaben einer Nawalny-Sprecherin mittlerweile fast 45 Millionen Mal angeklickt. In der Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft hieß es dazu, es würden Maßnahmen vorbereitet, um den Zugang zu „illegalen Informationen zu beschränken“.
Der Kreml wies die in dem Video erhobenen Anschuldigungen als „unwahr“ zurück. Nawalny und sein Team wollten mit solchen Videos lediglich Spenden von Sympathisanten beschaffen, erklärte ein Kreml-Sprecher. Nach Angaben einer Nawalny-Sprecherin gingen seit der Veröffentlichung bereits zehn Millionen Rubel Spenden ein.
EU-Parlament fordert Ende von Projekt Nord Stream 2
Die Festnahme des bekannten Oppositionellen hatte international Empörung hervorgerufen. Das EU-Parlament forderte am Donnerstag das Ende des deutsch-russischen Pipeline-Projektes Nord Stream 2. In einer in Brüssel angenommenen Entschließung forderten die Abgeordneten zudem Sanktionen gegen Beteiligte am Vorgehen gegen Nawalny und andere Oppositionelle.
Nord Stream 2 soll das Potenzial für russische Gaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen. In der EU ist das Projekt seit langem umstritten und auch die USA lehnen es ab. Die Bundesregierung steht weiterhin hinter dem Vorhaben.
Laut EU-Parlament müsse die EU die Fertigstellung der Pipeline „umgehend verhindern“, heißt es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Brüssel angenommen wurde. Die meisten Abgeordneten der deutschen Unionsparteien, der SPD, AfD und der Linken lehnten den entsprechenden Teil der Entschließung ab. Die gesamte Entschließung fordert außerdem Sanktionen unter anderem gegen „russische Oligarchen“.
Die deutschen Grünen-Abgeordneten schlossen sich wie auch die FDP der ablehnenden Mehrheit im EU-Parlament an. Die SPD hielt hingegen nahezu geschlossen zum Kurs der Bundesregierung, die weiterhin an der Pipeline festhält. So verhielt es sich auch in den Delegationen von AfD und der Linken.
EU-Delegation von CDU und CSU ist bei Nord Stream 2 gespalten
Die Delegation von CDU und CSU ist in der Frage gespalten: Eine knappe Mehrheit stimmte gegen eine Verurteilung des deutsch-russischen Projektes, viele Abgeordnete enthielten sich, Fraktionschef Manfred Weber (CSU) stimmte gemeinsam mit einer Reihe weiterer deutscher Konservativer dafür.
Der Vorstoß des EU-Parlaments entzündete sich an den jüngsten Entwicklungen im Fall des russischen Oppositionellen Nawalny. Er war am Sonntag direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen und inhaftiert worden. In Berlin war er nach einem Giftanschlag im August in Sibirien behandelt worden, für den er den Kreml verantwortlich macht.
Das Vorgehen der russischen Behörden verurteilten die Abgeordneten als „politisch motivierte Repression“. Offensichtlich solle so „die Enthüllung weiterer schwerer Korruptionsfälle“ in Russland verhindert und mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst die politische Opposition zum Schweigen gebracht werden.
Der Kreml zeige „seine Verachtung gegenüber der eigenen Bevölkerung“ und verfolge „rücksichtslos den eigenen Machterhalt“.
EU-Parlament: Sanktionen gegen russische Oligarchen sowie „in den Medien tätige Propagandisten“
Die Abgeordneten fordern deshalb Sanktionen gegen Beteiligte am Vorgehen gegen Nawalny und andere Oppositionelle. Auch „russische Oligarchen, die Verbindungen zum Regime haben und dem inneren Zirkel um Präsident (Wladimir) Putin angehören“ sowie „in den Medien tätige Propagandisten“ sollten sanktioniert werden.
Dafür könnten Vermögen in der EU eingefroren und die Betroffenen und ihre unmittelbaren Familienangehörigen mit Einreisesperren belegt werden.
Derartige Sanktionen müssten einstimmig durch die 27 EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden. Bisher kamen Rufe nach weiteren Sanktionen wegen Nawalnys Festnahme insbesondere aus den drei baltischen Staaten. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sollen die Außenminister bei ihrem Treffen am Montag über die Frage beraten.
Laut Borrell sind Brüssel zumindest beim Bau der Nord-Stream-2-Pipeline allerdings die Hände gebunden: „Wir können die Unternehmen nicht daran hindern sie zu bauen, wenn die deutsche Regierung sie befürwortet“, sagte er am Dienstag im EU-Parlament. Im Betrieb unterliege die Gasleitung anschließend aber EU-Regeln. (afp)
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