
Rechnungshof rügt EU: Millionen für NGOs ohne klare Kontrolle
Der Europäische Rechnungshof hat der EU-Kommission mangelnde Transparenz bei der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen vorgeworfen. Ein Sonderbericht kritisiert unklare Definitionen, fehlende Kontrolle über Fördermittel in Milliardenhöhe und eine unzureichende Überprüfung von Lobbyaktivitäten.

Der EU-Rechnungshof kritisiert in einem Sonderbericht die Intransparenz der Kommission bei der Förderung von NGOs.
Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Der Europäische Rechnungshof (EuRH) hat der EU-Kommission und teils auch den Mitgliedstaaten fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Förderung sogenannter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vorgeworfen. In seinem jüngst vorgelegten Sonderbericht „Transparenz der EU-Finanzierung für nichtstaatliche Organisationen“ attestiert er Brüssel graduelle Verbesserungen seit 2018. In jenem Jahr hatte der Rechnungshof zuletzt einen Bericht zu diesem Thema vorgelegt.
EU versucht sich an Minimaldefinition für Begriff der NGO
Die Transparenz sei ein wesentliches Element der Rechenschaftspflicht öffentlicher Entscheidungsträger, betont der EuRH. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf EU-Mittel, die an NGOs vergeben würden. Nach wie vor gebe es dabei Unwägbarkeiten. So gebe es keine einheitliche Definition des Begriffs, die klar erkennen lasse, was als Nichtregierungsorganisation zähle und was nicht.
Es gebe zwar in der EU-Haushaltsordnung vom 23. September 2024 nun eine Definition auf EU-Ebene. Diese reiche jedoch nicht aus.
Demnach ist eine NGO eine „von staatlichen Stellen unabhängige gemeinnützige Freiwilligenorganisation, bei der es sich weder um eine politische Partei noch um eine Gewerkschaft handelt“.
Diese Elemente hätten alle Programme, bei denen Mittel beantragt werden konnten – von Erasmus+ über die Europäische Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (CINEA) bis zum Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Auch schrieben sie fest, dass förderfähige NGOs keine Gewinnerzielungsabsicht aufweisen dürften.
Unterschiedliche Standards in den Mitgliedstaaten
Allerdings blieben Unterschiede bezüglich Faktoren wie Nähe zu gewerblichen Organisationen, Industrie oder Handel, sonstigen Behörden oder möglichen Interessenkonflikten. Auch in einzelnen Mitgliedstaaten seien die Abgrenzungen unschärfer.
So könnten in Polen keine politischen Stiftungen, Forschungseinrichtungen oder Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände NGO-Förderungen beantragen. In Litauen dürften Organisationen auch dann keine Förderungen als NGO beantragen, wenn sie von Religionsgemeinschaften oder Gemeinden kontrolliert würden. Zudem dürften sie dort keine politischen oder religiösen Ziele verfolgen. In Griechenland wiederum dürften auch keine dem öffentlichen Sektor zugehörigen juristischen Personen an den Leitungssitzungen oder Mitgliederversammlungen teilnehmen.
Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, habe überhaupt keine eigene gesetzliche Definition von NGO. Eine Stichprobe habe beispielsweise ergeben, dass eine Forschungseinrichtung als NGO eingestuft war, die auch kommerzielle Dienstleistungen für Industrieunternehmen erbracht habe. Sie hätte wegen der Verfolgung geschäftlicher Interessen ihrer Mitglieder nicht auf diese Weise eingestuft werden dürfen.
Rechnungshof befürchtet mangelhafte Qualität der Berichterstattung wegen fehlender Daten
In einem anderen Bereich habe sich ein international in den Bereichen Energie und Bioökonomie tätiges Forschungsinstitut als NGO eingestuft. Es sei als private gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung registriert. Allerdings habe es hinsichtlich seiner Tätigkeit enge Bindungen an den Staat gegeben. So habe es eine staatliche Garantie zur Sicherung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit erhalten. Sein oberstes Leitungsgremium setzte sich zudem ausschließlich aus Vertretern mitgliedstaatlicher Behörden zusammen.
In vielen Fällen sei in unzureichender Weise dokumentiert worden, ob und warum es sich bei einer antragstellenden Organisation um eine NGO handele. Insgesamt sei in mehr als 70.000 Einrichtungen oder 90 Prozent der zwischen 2021 und 2023 im Rechnungsführungssystem erfassten Organisationen keine Einstufung als NGO oder Nicht-NGO erfolgt. Dies erhöhe das Risiko unzutreffender Kategorisierungen zu Berichterstattungszwecken, so der Rechnungshof.
Generell lasse nicht nur die Transparenz bezüglich der Einstufung von NGOs, sondern auch die Qualität der Daten über EU-Ausgaben zu wünschen übrig. Dabei seien zwischen 2021 und 2023 insgesamt mehr als 7,4 Milliarden Euro direkt an NGOs geflossen. Von diesen seien 4,8 Milliarden von der EU-Kommission und 2,6 Milliarden von den Mitgliedstaaten gekommen. Angesichts der bruchstückhaften und unzuverlässigen Datenlage existiere jedoch kein einheitlicher Überblick über Empfänger und Summen. Dies betreffe insbesondere Lobbyaktivitäten.
Begünstigte NGOs betrieben gezielte Kampagnen gegen EU-Abgeordnete
Ebenso wenig gebe es proaktive Überprüfungen, ob die NGOs „europäische Werte“ einhielten. Im Regelfall reichten Selbstverpflichtungen der Begünstigten zu Rechtsstaatlichkeit oder Menschenrechten, um Zugang zu Fördermitteln zu erhalten.
In einigen Fällen hätte es Betriebskostenzuschüsse an NGOs gegeben, deren Haupttätigkeit die Einflussnahme auf Parlamentarier gewesen sei – etwa durch Massen-E-Mails. Vor allem im Rahmen des „LIFE-Programms“ sei zu einem erheblichen Teil gezielt „Lobbying gegen EU-Abgeordnete“ betrieben worden.
Kritik wurde auch daran laut, dass etwa 40 Prozent der Direktmittel der Kommission an nur 30 NGOs gegangen seien, was eine Überproportionalität der Förderung nahelegt.
Grüne: „Fehler, mit dem Finger auf die Zivilgesellschaft zu zeigen“
Mitgliedstaaten, so kritisiert der EuRH ebenfalls, verfolgten kaum nach, wie EU-Gelder an NGOs weitergeleitet würden. Auch gebe es kein nennenswertes Berichtswesen. Zudem würden Lobbying-Aktivitäten nicht klar offengelegt. Der Rechnungshof fordert tiefgreifende Reformen für mehr Transparenz, um einem Vertrauensverlust entgegenzuwirken.
Der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Freund kritisierte hingegen die Hervorhebung von NGOs. Die angesprochenen Missstände beträfen „zahlreiche Empfänger von EU-Fördergeldern“. Mehr Transparenz bei der Verwendung von EU-Geldern sei zweifellos notwendig, es sei jedoch „ein Fehler, in dieser Debatte mit dem Finger auf die Zivilgesellschaft zu zeigen“.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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