Proteste in Frankreich – Rentenreform soll unter Umgehung des Parlaments umgesetzt werden
Mit ihrer Ankündigung, ihre umstrittene Rentenreform am Parlament vorbei umzusetzen, hat die französische Regierung für Empörung gesorgt. Abgeordneten der rechten und der linken Opposition reichten Misstrauensanträge gegen die Regierung ein. Der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, kündigte für die kommende Woche massive Protestkundgebungen an. Nach zweiwöchigen zähen Debatten hatte Premierminister Edouard Philippe am Samstag überraschend die Beratungen in der Nationalversammlung in erster Lesung abgebrochen und angekündigt, die Rentenreform ohne Beteiligung der Abgeordneten umzusetzen.
Umgehung des Parlaments wegen nicht vorankommender Debatte
Er werde die „Episode der Nicht-Debatte“ mit der Opposition beenden und setze das Gesetz in erster Lesung per Verfassungsklausel 49.3 um, sagte Philippe im französischen Unterhaus. Er warf der Opposition vor, mit der bewussten Verzögerung der Debatten Obstruktionspolitik zu betreiben. „Nach mehr als 115 Stunden öffentlicher Debatten, Tag und Nacht, auch an Wochenenden, ist die Nationalversammlung erst bei Artikel 8 eines gewöhnlichen Gesetzes angekommen, das insgesamt 65 umfasst.“ Tatsächlich liegen 41.000 Änderungsanträge zu dem Reformvorhaben vor.
Artikel 49.3 der Verfassung erlaubt es der Regierung, Gesetze ohne Parlamentsbeschluss umzusetzen, wenn die Debatten nicht vorankommen. Die Opposition kann daraufhin binnen 24 Stunden einen Misstrauensantrag stellen. Übersteht die Regierung diesen, gilt das Gesetz als angenommen. Damit ist angesichts der komfortablen Parlamentsmehrheit für die Regierung von Präsident Emmanuel Macron zu rechnen.
Macron wegen Kommunalwahlen unter Zeitdruck
Macron will die mehr als 40 verschiedenen Rentensysteme des Landes vereinheitlichen und das Milliarden-Defizit der Rentenkassen abbauen. Er drängte auf den Abschluss der ersten Lesung vor den Kommunalwahlen Mitte März und eine endgültige Verabschiedung der Reform, die auch dem Senat vorgelegt werden muss, vor der Sommerpause.
Die Gewerkschaften fürchten massive Einbußen für viele Ruheständler. Monatelang organisierten sie landesweite Streiks gegen Macrons Pläne, die jedoch zuletzt wegen der leeren Streikkassen abgeflaut waren. CGT-Chef Martinez kündigte nun angesichts der „zutiefst skandalösen Haltung“ der Regierung neue Proteste „ab der kommenden Woche an“.
Die konservative Oppositionspartei LR erklärte, sie könne nicht hinnehmen, dass das Parlament nicht über ein Gesetz abstimmen könne, das nach Angaben der Regierung „das wichtigste ihres Mandats“ sei. Der linke Abgeordnete François Ruffin warf der Regierung vor, sich über den „Willen“ der Franzosen sowie der Gewerkschaften und nun auch über das Parlament hinweggesetzt zu haben.
Neue Proteste
In Paris und weiteren Städten des Landes kam es am Samstagabend zu Protestkundgebungen. An ihnen nahmen wieder Hunderte bis Tausende Menschen teil.
Premierminister Philippe forderte unterdessen die Sozialpartner auf, sich an der „Weiterentwicklung des Gesetzestextes“ zu beteiligen. Ein Ende der Debatten in der Nationalversammlung bedeute nicht das Ende der Änderungen am Gesetzesentwurf, erklärte er in einem Brief an die Teilnehmer der Finanzierungs-Konferenz.
Philippe hatte nach wochenlangen Protesten gegen die Rentenreform unter anderem angekündigt, auf die Erhöhung des Rentenalters auf 64 zu verzichten. Zur Bedingung macht er aber, dass sich die Sozialpartner bis Ende April auf eine Alternative zur Finanzierung einigen.(afp/al)
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