Prostitution von Minderjährigen auf den Balearen – Vorwürfe an Behörden

Drohen die Balearen zu einem zweiten Thailand zu werden, wenn es um den Sextourismus geht? Eine Fact-Finding-Mission des Petitionsausschusses im EU-Parlament wirft örtlichen Behörden Versagen im Kampf gegen die Prostitution von Minderjährigen vor.
Titelbild
Nachtleben auf Ibiza. Symbolbild.Foto: Zowy Voeten/Getty Images
Von 20. April 2022

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Mit einem alarmierenden Befund ist eine Fact-Finding-Gruppe des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments von ihrer Informationsreise von den spanischen Balearen zurückgekommen. Im Zusammenhang mit ihren Erhebungen über die Betreuung Minderjähriger in staatlicher Obhut haben die Parlamentarier Anhaltspunkte für eine Explosion der Fälle von Prostitution unter Minderjährigen auf der Inselgruppe vorgefunden. Staatliche Hoheitsträger hätten auf die Entwicklung relativ teilnahmslos reagiert.

Regionalregierung der Balearen unternimmt wenig

Wie der „European Conservative“ schreibt, rechnen die acht EU-Abgeordneten, dass es etwa drei Monate dauern werde, bis man einen Detailbericht vorlegen könne. Erste Erkenntnisse haben die Initiatoren José Luis Sánchez Saliquet (VOX) und Marisol Vicens (PP), die mit der Aktivistin Carmen Cordón eine Petition beim Europäischen Parlament einreichten, in einem Briefing zusammengefasst.

Die Ausschussmitglieder sprachen vor Ort mit Müttern betroffener Kinder und Journalisten, die mit entsprechenden Berichten an die Öffentlichkeit gegangen waren. Einhellig warfen diese der sozialistischen Regionalregierung und dem Sozialdienst IMAS (Instituto Mallorquín de Asuntos Sociales) vor, die betroffenen jungen Frauen vernachlässigt zu haben – trotz wortgewaltiger feministischer Rhetorik in Wahlkampfzeiten und einem Jahresetat in Höhe von etwa 200 Millionen Euro.

Wo Eltern greifbar gewesen wären, seien diese nicht über Vorfälle oder Gefahren in Kenntnisse gesetzt worden. „Ultima Hora“-Redakteur Julio Bastida schreibt, dass „jahrelang ein komplizenhaftes Schweigen zwischen den Institutionen herrschte, um Fälle von Missbrauch, Prostitution und Ausbrüchen aus IMAS-überwachten Zentren zu verbergen oder herunterzuspielen“.

Weitergabe von Berichten verläuft schleppend

Bereits 2019 berichteten Zeitungen, dass minderjährige Flüchtlingskinder aus Marokko, die in IMAS-Einrichtungen saßen, für sexuelle Dienstleistungen angeworben wurden – und in Fällen, in denen sie wieder ins Heim zurückgekommen und die Betreuer informiert hätten oder behandelnde Ärzte dies taten, keine Meldungen gemacht wurden.

Sozialarbeiter, denen Fälle von Zwangsprostitution unter ihren Anvertrauten bekannt werden, müssen zunächst einen internen Bericht an ihre Vorgesetzten bei IMAS erstatten, in weiterer Folge müssen die Generaldirektion für Minderjährige oder die Staatsanwaltschaft für Minderjährige eingeschaltet werden.

Sozialarbeiter betonten gegenüber dem Lokalblatt „Diario de Mallorca“, sie hätten diese Berichte eingereicht, es sei jedoch erst spät oder gar nicht darauf reagiert worden. Häufig hätten Anstaltsleistungen weitere Berichte verlangt, ehe sie Schritte veranlassten.

Prostitution von Minderjährigen lange bekannt

Diario zufolge sei das Problem schon seit Jahren bekannt gewesen. Dass IMAS in einem Bericht zum Thema Prostitution aus dem Jahr 2020 ganze 16 dokumentierte Fälle aufgeführt habe, hätte nicht einmal annähernd das reale Ausmaß des Problems abgebildet. Zudem seien zwischen den Vorfällen und den entsprechenden Meldungen zum Teil Monate vergangen.

Den Sozialarbeitern zufolge, so das Blatt, habe sich Prostitution unter ihren Schützlingen „in den letzten vier Jahren von einem seltenen Vorfall zu einem fast normalen Phänomen entwickelt“. Vor allem unter Ausreißerinnen sei dies der Normalfall.

„Wir erstatten jedes Mal Bericht, wenn wir einen solchen Fall aufdecken“, zitiert Diario einen Sozialarbeiter. „Wir haben Informationen über die Wohnungen, in denen diese Mädchen prostituiert werden, aber wir sehen nicht, dass etwas unternommen wird.“ Andere sprachen von „absoluter Fahrlässigkeit“ seitens der Führungsebene der IMAS. Die einzige nennenswerte konkrete Reaktion seien laut Diario de Mallorca Kurse zur Verhinderung des Sexhandels gewesen.

Die IMAS habe derzeit 359 Minderjährige, davon 278 Jugendliche, in ihrer Obhut, die sich auf 30 Zentren verteilen. Diese werden entweder direkt betrieben oder von privaten Organisationen verwaltet. Die einzigen Einrichtungen, die proaktiv erfolgsträchtige Vorkehrungen zur Eindämmung des Problems getroffen hätten, wären die Heime der katholischen Stiftung Amaranta.



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