Prof. Weinstein: „Woke“-Bewegung lässt eine Diktatur entstehen
Nachdem sich der US-amerikanische Biologe Bret Weinstein im März 2017 geweigert hatte, einer Umwidmung des seit Jahrzehnten an der Evergreen-Universität praktizierten „Abwesenheitstages“ zuzustimmen, wurde er von linksextremen Studentengruppen bedroht. Seine Vorlesungen wurden durch Störungen sogenannter „woker“ Studenten vereitelt.
„Woke“ Studenten sprengten Lehrveranstaltungen
Weinstein hatte den „Day of Absence“ beibehalten wollen, an dem Angehörige von Minderheiten das Recht haben, dem Campus fernzubleiben, um so auf ihre Verdienste hinzuweisen. Hingegen lehnte er die geplante Neuerung ab, nur „People of Color“ an jenem Tag an die Universität zu lassen und Weiße stattdessen dazu anzuhalten, an einem Fortbildungsprogramm zum Thema „Rassenangelegenheiten“ teilzunehmen.
Als die Leitung des Campus ihm zu erkennen gab, dass man nicht in der Lage wäre, seine Lehrveranstaltungen zu schützen, entschloss sich der Forscher, seine Lehrtätigkeit aufzugeben.
In einem Interview mit der „Welt“ erklärte Weinstein jüngst, dass seine Erfahrungen in Evergreen erst der Anfang einer Welle gewesen seien, die sich nicht nur überall in den USA, sondern auch in Europa ausbreite.
„Vorgeschmack auf die Gegenwart“ unterschätzt
Weinstein hält es für einen Fehler, die „Woke“-Bewegung, deren inhaltliche Argumente er für „dürftig“ hält, in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt zu haben:
„Wenn wir begriffen hätten, dass es sich dabei nicht um eine Ausnahme, sondern den Vorgeschmack auf die Gegenwart handelte, dann hätten wir nicht zugelassen, dass sich unsere Zivilisation damit amüsiert, mit den neuen Formen von Rassismus zu spielen, die als Kampf gegen die Ungerechtigkeit getarnt werden.“
Die Bewegung beschränke sich längst nicht mehr auf die Universitäten, sondern sei auch darüber hinaus in die Institutionen eingedrungen – und das mit einer Schnelligkeit, die ihn selbst „überrascht“ habe.
Weinstein: Bewegung setzt strategisch auf Schwächen des Westens
Die „Woke“-Ideologie, die von einigen Lenkern und Strategen und sehr vielen Mitläufern lebe, wende eine Strategie an, die totalitäre Bestrebungen im Westen seit jeher verbinde: die Ansprüche des Westens an sich selbst und dessen reale Bilanz an Maßstäben einer Utopie zu messen. Dies sei ein weit verbreitetes Phänomen:
„Der Westen ist sehr dynamisch und produktiv, war aber nie wirklich auf der Höhe seiner eigenen Ideale in Sachen Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Wir tendieren dazu, nicht alles zu erkennen, was das System richtig macht, und konzentrieren uns fast nur auf seine Schwächen.“
Es gebe heute eine „enorme Energie“, die darauf gerichtet sei, das System abzuschaffen, weil dieses als korrupt wahrgenommen werde. „Natürlich ist es das auch“, fügt Weinstein hinzu. „Doch diese Bewegung ist ausgesprochen naiv, weil sie tatsächlich davon überzeugt ist, dass es darauf ganz einfache Antworten gibt.“
Parallelen zu Bolschewismus und Maoismus
Wie alle Utopisten wolle man an dessen Stelle ein vollkommen weißes Blatt setzen und eine gesamte Geschichte neu schreiben, ohne jedwede Nuancen zu akzeptieren. Die Protagonisten der Bewegung verfügten zwar nur über eine unsinnige Vision, aber über eine ansteckende Strategie:
„Die Leute nehmen diese Bewegungen nicht ernst, weil sie einfach lächerlich sind. Wenn sie aber direkt mit ihnen konfrontiert werden, bleibt ihnen keine andere Wahl: Entweder unterwerfen sie sich ihr oder sie werden buchstäblich zerstört.“
Weinstein sieht nicht zuletzt in den organisierten „Mea Culpa“-Ritualen, denen sich Universitätsprofessoren unterziehen müssen und die „in erschreckender Weise an den Bolschewismus oder auch die Zeit vor dem Großen Sprung nach vorn in China“ erinnerten, Anzeichen für eine entstehende Diktatur.
Obwohl es erforderlich wäre, dass sich Individuen in einer kollektiven Aktion diesen Bestrebungen widersetzten, tendierten diese aus Angst vor individuellen Nachteilen dazu nachzugeben, um den eigenen Arbeitsplatz, die Sicherheit und den guten Ruf zu wahren. Dies mache jedoch die Gesellschaft insgesamt verwundbar.
„Biden wird Extremisten nicht entgegentreten“
Anders als die totalitären Bewegungen der Vergangenheit seien die „Woken“ jedoch sehr heterogen und ihre eigene tragende Ideologie der „Intersektionalität“ mache sie zu einer instabilen und vergänglichen Koalition. Sobald sie an Macht gewinne, werde sie auseinanderfallen und die Fraktionen, die sie vereint, würden sich wechselseitig bekämpfen. Am Ende könnte ihre Betonung der Zusammengehörigkeit entlang rassischer Identitätslinien auch den vermeintlich bekämpften „weißen Rassismus“ stärken.
Darauf, dass Joe Biden als Identifikationsfigur der Mitte den „Woken“ entgegenwirken werde, setzt Weinstein nicht:
„Ich glaube, er wird es noch nicht einmal versuchen, denn er ist ein Politiker der Partei-Maschinerie, eine Art Sprachrohr des Democratic National Committee (DNC). Er wird versuchen, die Macht und die Energie der Bewegung zu nutzen, und den Umgang mit den Aktivisten dem DNC überlassen.“
Die Führung der Demokraten werde sich mit den Extremisten auf eine zynische Weise verbünden, „dabei aber nicht die Oberhand behalten können“.
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