Polens Botschafter fordert Diskussion über deutsche Reparationszahlungen

Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen.
Foto: Kay Nietfeld/dpa/Pool/dpa/dpa
Zum 50. Jahrestag des Kniefalls von Willy Brandt in Warschau hat Polens Botschafter Andrzej Przylebski darauf gedrängt, über deutsche Reparationszahlungen für Kriegsschäden zu diskutieren. „Die Diskussion über mögliche Reparationen hat eigentlich noch nicht begonnen.
Es ist leider ein Problem in unseren Beziehungen“, sagte Przylebski dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Polen hatte nach Kriegsende aufgrund der Potsdamer Konferenz ehemals deutsche Gebiete übergeben bekommen. Sie stellten ein Drittel des neuen polnischen Staatsterritoriums dar. Für Polen hatten sie eine große Bedeutung in ökonomischer, aber auch in politischer, militärischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Ehemals lebten hier ca. 9 Millionen Deutsche in Gebieten, die seit Jahrhunderten zum deutschen Staats- und Kulturgebiet gehörten und bis 1945 fast ausschließlich von Deutschen bewohnt gewesen waren.
- Ostpreußen (südlicher Teil): 1,3 Millionen
- Pommern: 1,8 Millionen
- Ostbrandenburg: 0,6 Millionen
- Niederschlesien: 3,0 Millionen
- Oberschlesien: 1,7 Millionen
- Freie Stadt Danzig
Nach der durch deutsche Behörden angewiesenen Zwangsevakuierung kurz vor Kriegsende, der Flucht vieler Deutscher vor der näher rückenden Roten Armee und der dann einsetzenden Vertreibung der übrig gebliebenen Deutschen bzw. nach Kriegsende wieder zurückgekehrten deutschen Bevölkerung durch Polen, lebte nur noch ein Bruchteil in den ehemaligen deutschen Ostgebieten.
Scholz berührt von Brandts Kniefall in Warschau
Derweil bezeichnete Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) Brandts Geste in der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe) als berührend, mutig und bewundernswert.
Przylebski betonte, die polnische Regierung warte auf Vorschläge aus Berlin, den Konflikt um deutsche Reparationszahlungen zu lösen. Gesten wie der Kniefall Brandts seien „natürlich schön und wichtig“, sagte der Botschafter dem RND.
„Aber wenn ihnen keine harte organische Arbeit auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen folgt, verblasst ihr Sinn ein wenig.“

Bundeskanzler Willy Brandt kniet bei seinem offiziellen Besuch in Polen am 07. Dezember 1970 in Warschau vor der Gedenkstätte für die Opfer des National-Sozialismus im Warschauer Ghetto. N/B S/W
Foto: /AFP via Getty Images
Scholz: „Ich bewundere den Mut Willy Brandts“
Vizekanzler Scholz beschrieb die Geste in einem Doppelinterview mit Brandts ältesten Sohn Peter als „zutiefst menschlich“. Die Leistung Brandts könne „gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er bewundere den Mut Willy Brandts. Gleichzeitig forderte Scholz eine neue, europäische Ostpolitik. In einer Welt mit vielen Machtzentren müsse Deutschland zusammen mit der EU darauf drängen, dass „Recht und nicht die Macht das Miteinander bestimmt“.
Peter Brandt betonte, der Kniefall sei „nicht als Unterwerfung gemeint“ gewesen, sondern als Demutsgeste. Darüber sei er „auch heute noch sehr berührt“.
Brandt hatte am 7. Dezember 1970 als erster westdeutscher Regierungschef nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die polnische Hauptstadt besucht. Am Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos legte Brandt einen Kranz ab – und kniete dann plötzlich nieder. Schweigend verharrte Brandt eine halbe Minute lang vor dem Ehrenmal. Das Bild des Kniefalls von Warschau wurde zum Symbol für die deutsch-polnische Aussöhnung. (afp/er)
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