Pfizer verklagt Polen wegen offener Rechnung für 60 Millionen Impfstoffdosen
Der US-Pharmariese Pfizer verklagt die polnische Regierung wegen ausstehender Zahlungen für 60 Millionen Dosen des gemeinsam mit BioNTech entwickelten COVID-19-Impfstoffs.
Die Klage, die zu einem Zeitpunkt kommt, an dem sich Polen auf einen Regierungswechsel nach der Wahl im Oktober vorbereitet, markiert den Höhepunkt eines 19-monatigen Kampfes zwischen Warschau und Pfizer um ein Überangebot an Impfstoffdosen, berichtet „Politico“.
Belgisches Gericht zuständig
Der Ursprung des Konflikts liegt in dem Vertrag über den Kauf von 1,1 Milliarden Dosen Impfstoff, den die Europäische Kommission (EU) 2021 mit Pfizer unterzeichnete. Das Zustandekommen dieses Kontrakts ist wegen des angeblichen Austauschs von Textnachrichten zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Pfizer-CEO Albert Bourla im Vorfeld der Verhandlungen umstritten.
„Pfizer und BioNTech versuchen, Polen dazu zu bringen, seine Verpflichtungen für COVID-19-Impfstoffbestellungen einzuhalten, die von der polnischen Regierung im Rahmen ihres im Mai 2021 unterzeichneten Liefervertrags mit der Europäischen Union erteilt wurden“, sagte ein Sprecher von Pfizer gegenüber „Politico“. Er fügte auch hinzu, dass sich BioNTech ebenfalls am Verfahren beteiligt.
Laut der polnischen Zeitung „Gazeta Prawna“ haben die Pharmariesen die Klage bei einem Gericht in Brüssel eingereicht, weil ein Unterzeichner des Vertrags die Europäische Kommission ist und der Fall daher belgischem Recht unterliegt. Die erste Anhörung ist für den 6. Dezember terminiert.
Pfizer-Vertrag ein Mühlstein am Hals der Kommission
Ein Blick zurück: Im Jahr 2021 unterzeichnete die Europäische Kommission einen Vertrag mit Pfizer über bis zu 1,8 Milliarden Dosen seines COVID-19-Impfstoffs. Davon wurden letztendlich 1,1 Milliarden Dosen bestellt. Diese gemeinsame Kaufvereinbarung, die von der Kommission im Namen der EU-Länder ausgehandelt wurde, stellte alle bisherigen Impfstoffkäufe in den Schatten. Sie führte auch dazu, dass sich andere Impfstoffhersteller darüber beschwerten, dass sie vom Markt verdrängt würden.
Der Umfang des Vertrags ist seitdem ein „Mühlstein am Hals der Kommission“, so „Politico“ weiter. Und das nicht nur wegen der Transparenzbedenken, die sich aus von der Leyens Weigerung ergeben, über ihre persönliche Rolle bei den Verhandlungen zu sprechen. Er verpflichtete die Länder auch zum Kauf von Impfdosen, die sie, wie sich herausstellte, gar nicht benötigten.
Im April 2022 gab der damalige polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski bekannt, dass das Land die Impfstofflieferungen eingestellt habe. Er erklärte, Polen habe sich auf eine Klausel höherer Gewalt im Vertrag berufen und begründete dies mit der finanziellen Belastung, die durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Ukraine-Krieg und die darauffolgenden wirtschaftlichen Störungen entstanden sei. Außerdem sagte er, dass aufgrund der sich verbessernden Pandemiesituation weniger Bedarf an Impfstoffen bestehe. Zu dieser Zeit führte Mateusz Morawiecki von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die polnische Regierung und in vielen Fragen war das Land weitgehend isoliert.
Einige Länder fühlten sich von EU-Kommission in die Falle gelockt
Es dauerte jedoch nicht lange, bis eine Gruppe von neun anderen Ländern – alle in Ost- und Mitteleuropa – dem Beispiel Polens folgte. Sie gingen zwar nicht so weit, die Lieferungen zu stoppen, beklagten sich aber darüber, dass sie in einer Zeit wirtschaftlicher Turbulenzen „in die Falle“ gelockt worden waren, Geld für Dosen auszugeben, die sie nicht benötigten. Die Länder setzten die Kommission unter Druck und thematisierten das Problem wiederholt bei Treffen der EU-Gesundheitsminister.
Die Kommission konnte Pfizer dazu bewegen, einen Teil der Lieferungen zu verschieben, doch das reichte nicht aus, um die Kritiker zu beruhigen. Als die Impfraten stagnierten, schlossen sich Länder außerhalb der mittel- und osteuropäischen Gruppe der Forderung nach Neuverhandlungen an. Später begannen die Hauptstädte sogar, mehr Transparenz bei den ursprünglichen Verhandlungen zwischen Pfizer und der Kommission zu fordern. „Was wurde versprochen? Das würden wir wirklich gerne wissen“, zitiert „Politico“ eine Forderung des belgischen Botschafters Pierre Cartuyvels vom Dezember 2022.
Neuverhandlungen in aller Stille vereinbart
Im Mai dieses Jahres kündigte die Kommission in aller Stille eine umfassende Neuverhandlung der beanstandeten Vereinbarung an. Sie verringerte die Zahl der ausstehenden Dosen um einen nicht genannten Betrag, während die Lieferungen bis zum Jahr 2026 gestreckt werden sollten. Polen weigerte sich jedoch, die überarbeitete Vereinbarung zu unterzeichnen.
Zunächst schien es, dass die Angelegenheit erledigt wäre. So gab es bis vor Kurzem keine Anhaltspunkte dafür, dass Pfizer die Regierung verklagen würde. Der Zeitpunkt sei nun bemerkenswert: Nach den polnischen Wahlen im Oktober verlor die PiS-Partei ihre Regierungsmehrheit. Dafür gewann die Opposition ausreichend Sitze, um den gemäßigten Mitte-Rechts-Kandidaten Donald Tusk an die Macht zu bringen.
Polens neuer Regierungschef Tusk unter Druck
Pfizer präsentiert Tusk eine gesalzene Rechnung, die sich auf bis zu 1,2 Milliarden Euro belaufen könnte, wenn man von einem Preis von 19,50 Euro pro Dosis ausgeht. Der Vertrag kommt außerdem zu einer Zeit, in der Polens sonst so starke Wirtschaft in einer Flaute steckt. Für Pfizer ist dies jedoch ein klares Signal an alle Länder, die sich um die Zahlung ihrer Schulden drücken wollen.
Für Tusk, der die guten Beziehungen zu Brüssel aufrechterhalten möchte, wird es jedoch ein Problem darstellen, da er möglicherweise mehr Druck verspürt, die im Rahmen eines gemeinsamen Beschaffungsvertrags mit der Kommission ausgehandelten Vereinbarungen einzuhalten. Der Pfizer-Sprecher sagte, die Entscheidung sei „nach einem längeren Vertragsbruch und einer Periode von Gesprächen in gutem Glauben zwischen den Parteien“ getroffen worden.
Die polnische Regierung zeigt sich indes optimistisch. Gesundheitsministerin Katarzyna Sójka sagte laut „Rynek Zdrowia“, es handele sich um einen schwierigen Fall. Doch gebe es eine Chance, den Streit „auf positive Weise“ zu beenden.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion