Österreicher halten ihr Land für korrupt – vor allem Parteien und den ORF

Einer Umfrage zufolge halten Österreicher ihr Land mehrheitlich für korrupt. Und das, obwohl ihre Toleranz in diesem Bereich eher hoch ist.
Unter der Hand: Ein 500-Euro-Schein wechselt den Besitzer (Symbolbild).
Unter der Hand: Ein 500-Euro-Schein wechselt den Besitzer (Symbolbild).Foto: Peter Steffen/dpa
Von 12. April 2023

Die Österreicher halten einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Linzer Market Instituts zufolge ihr eigenes Land für überwiegend korrupt. Vor allem den politischen Parteien, dem ORF, den Tageszeitungen und den Baubehörden vertraut nur eine Minderheit. Hingegen halten nur wenige Befragte das Bundesheer oder die Arbeiterkammer (AK) für bestechlich. In Auftrag gegeben hatte der „Standard“ die Umfrage.

Nur 30 Prozent halten Österreich für überwiegend nicht korrupt

Überraschend ist vor allem, dass Österreich insgesamt von den eigenen Bürgern als korrupt angesehen wird. Von allen Wahlberechtigten erklären 24 Prozent, sie halten Korruption in Österreich für sehr weit verbreitet. Weitere 38 Prozent meinen, sie sei zumindest teilweise ein Problem. Demgegenüber sagen 27 Prozent, Österreich wäre nur wenig korrupt. Drei Prozent meinen, Bestechlichkeit existiere in der Alpenrepublik überhaupt nicht.

Während unter den Anhängern der ÖVP nur 35 Prozent ein Korruptionsproblem in Österreich sehen, sind es unter jenen der FPÖ 80 Prozent. Unter allen Befragten ist die Korruptionseinschätzung bezüglich der ÖVP (74 Prozent) und der FPÖ (67 Prozent) am höchsten.

An dritter Stelle kommt die öffentlich-rechtliche Medienanstalt ORF, den 56 Prozent für sehr oder zumindest einigermaßen korrupt halten. Mit Gesamtergebnissen zwischen 50 und 57 Prozent folgen die Baubehörden, die SPÖ und die Tageszeitungen. Demgegenüber halten nur 27 Prozent der Befragten die Privatradios und -fernsehkanäle für bestechlich.

Engeres Verständnis des Begriffs „korrupt“ in Österreich

Wie Market-Institutsleiter David Pfarrhofer gegenüber dem „Standard“ erklärt, sind die Österreicher dabei dem Thema gegenüber sogar sehr tolerant. Zwar verurteilen es die meisten Befragten, wenn politische oder behördliche Entscheidungen durch Geldzahlungen beeinflusst werden. Ebenso sieht es etwa bei sexueller Gefälligkeit aus, um die Karriere zu fördern.

Demgegenüber stufen 73 Prozent die Vermittlung von Aufträgen an Freunde gar nicht erst als Korruption ein. Auch finden es die meisten Befragten unproblematisch, anderen als Freundschaftsdienst einen Auftrag oder einen Job zu vermitteln. Einer Partei beizutreten, um Karriere zu machen, halten 56 Prozent der Österreicher für legitim.

Sogar 79 Prozent finden es unproblematisch, wenn jemand vor allem mit Gleichgesinnten zusammenarbeiten will. Keine Einwände bestehen auch gegen Essenseinladungen unter Freunden und Geschäftspartnern oder Rabatte für regionale Produkte.

Erheblicher Prestigegewinn für Arbeiterkammer

Am besten kommen das Bundesheer und die Arbeiterkammer (AK) davon: Jeweils nur sieben Prozent halten die beiden genannten Institutionen für sehr und 14 für einigermaßen korrupt. Vor allem im Fall der AK, bei der für unselbstständig Erwerbstätige Pflichtmitgliedschaft besteht, bildet dies einen erheblichen Prestigegewinn ab.

Noch Anfang der 1990er-Jahre stand vor allem die steirische AK im Mittelpunkt der Kritik. Vor allem die FPÖ prangerte damals deren Präsidenten Alois Rechberger und Kurt Zacharias aufgrund ihrer für die Verhältnisse jener Zeit üppigen Gehälter an. Mittlerweile wird die Kammer hingegen vor allem als schlagkräftige Serviceorganisation wahrgenommen, die wirksam die Rechte der Beschäftigten verteidigt.

Für wenig korrupt halten die Österreicher zudem das Schulsystem in ihrem Land. 62 Prozent der Befragten halten dieses für wenig oder gar nicht anfällig für unsachliche Einflussnahme.



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