Österreich: FPÖ warnt vor Anwendung der Beugehaft bei Impfunwilligen
In Österreich wird derzeit nicht nur über die für Februar angekündigte Impfpflicht gestritten, sondern auch um eine Änderung im Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Dieses findet unter anderem im Fremdenrecht seine Anwendung. Es gibt jedoch auch Befürchtungen, dass das Gesetz auf Impfunwillige angewandt werden könnte.
In einem ORF-ZiB2-Interview sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) angesichts von Vorwürfen der FPÖ, dass die Regierung plane, eine Beugehaft für Menschen einzuführen, die sich dauerhaft nicht impfen lassen wollen: „Nein, das habe ich nicht vor. Es wird keine Beugehaft geben, für Menschen, die sich nicht impfen lassen.“
Verwaltungsvollstreckungsgesetz im Verfassungsausschuss
Am 2. Dezember tagte der parlamentarische Verfassungsausschuss des Nationalrats von Österreich in Wien auf Initiativen der Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen unter anderem zur Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG), wie das Parlament informiert.
Verfassungsministerin Caroline Edtstadler (ÖVP) begründete den Vorstoß gegenüber der Kritik der FPÖ, dass die verwaltungsrechtliche Möglichkeit gewährleistet sein müsse, ein gewünschtes Verhalten durchzusetzen. Die Rechtsordnung müsse ihre Glaubwürdigkeit bewahren.
Im Vorfeld warnte bereits die FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst vor einer Instrumentalisierung des Gesetzes: „Obwohl das Instrument einer Beugehaft in anderen Bereichen durchaus sinnvoll erscheint, werden wir dieses Gesetz heute im Ausschuss ablehnen, um zu verhindern, dass es als weiteres Instrument der Unterdrückung ungeimpfter Personen zum Einsatz kommt.“
Die Regierungsvorlage wurde schließlich mehrheitlich angenommen – ohne die Stimmen der FPÖ. Im nächsten Schritt geht es zur Plenarsitzung des Nationalrats bis hin zum fertigen Gesetzesbeschluss durch das Parlament. Anschließend ist der Bundesrat, die Ländervertretung, am Zug und danach der Bundespräsident. Am Ende steht die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.
Beugehaft bis ein Jahr und Kosten
Nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Beugehaft im Oktober 2020 als verfassungswidrig aufgehoben hatte, würde dieses Zwangsinstrument der Vollstreckungsbehörden zum 31. Dezember 2021 ersatzlos außer Kraft treten. Um dies zu verhindern, schlug die österreichische Bundesregierung die Änderung des Gesetzes vor.
Laut den zur Änderung vorgeschlagenen Passagen heißt es in der Gesetzesvorlage (pdf): „Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft bis zur Gesamtdauer von einem Jahr zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.“
Diese „Erfüllung der Pflicht“ soll demnach „in jedem einzelnen Fall“ durch Zwangsgeld in Höhe von bis zu 2.000 Euro erreicht werden oder mit bis zu vier Wochen Haft. In den Erläuterungen zur Vorlage heißt es demnach unter anderem, dass Zwangsgeld und Haft mehrfach verhängt werden können. Die Unterbringung der in Beugehaft genommenen Menschen soll in eigenen Hafträumen erfolgen, getrennt von anderen Häftlingen. Für die entstehenden Kosten des Vollzugs sollen die Inhaftierten selbst aufkommen.
In den Erläuterungen zur Gesetzesvorlage wird auch ein Beispiel zur Anwendung der Beugehaft gegeben: „Mit dem Vollzug der Haft ist ein Entzug der persönlichen Freiheit des Verpflichteten verbunden. Die Haft soll nur dann angedroht und verhängt werden dürfen, wenn und soweit dies im Hinblick auf ihren Zweck (z.B. um die Mitwirkung des Verpflichteten an der Beschaffung eines Heimreisezertifikates gemäß § 46 Abs. 2a und 2b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zu erzwingen) verhältnismäßig ist.“
Verfassungsexpertin befürchtet Massenverhaftungen
Angesichts der Regierungspläne befürchtet FPÖ-Verfassungsexpertin Fürst dennoch, dass eine Beugehaft speziell bei Impfunwilligen bald massenhaft zur Anwendung kommen könne. Die Rechtsanwältin forderte, dass dies klar ausgeschlossen werden müsse.
Dem hielt Verfassungsministerin Edtstadler entgegen, dass es darüber bereits einen politischen Konsens gebe. Man wolle die Menschen zum Impfen bewegen und nicht einsperren. Das könne auch in dem Gesetz so festgehalten werden, erklärte die Ministerin.
In einer Mitteilung der FPÖ wird Klubobmannstellvertreterin Fürst zitiert. Schon vor der Ausschusssitzung sagte die FPÖ-Verfassungssprecherin: „Die totalitären Züge der türkis-grünen Bundesregierung in der Impf-Frage nehmen immer furchtbarere Formen an.“
Die Regierung habe in ihren Erklärungen betont, dass üblicherweise in Österreich Geldstrafen als Beugemittel ausreichten und „dass die Vollstreckung der Beugehaft in Österreich die Ausnahme sei.
Nach dem ungerechtfertigten Abstempeln Ungeimpfter als die ‚bösen Menschen‘ des Landes müssen aber alle Alarmglocken schrillen,“ warnte Susanne Fürst.
Es müsse in Betracht gezogen werden, dass diese Beugehaft gegen all jene zum Einsatz kommt, die sich nicht impfen lassen wollen oder können. Zudem könne es passieren, dass man die Geldstrafe zahle und dennoch in Beugehaft bis maximal einem Jahr kommen könne, um die Impfung zu erzwingen, so die FPÖ-Frau in ihrem Videostatement.
Die FPÖ-Abgeordnete erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es „einen ebenso breiten politischen Konsens“ darüber gegeben habe, „dass keine Impfpflicht kommen wird“. Deswegen schlage man Alarm. Man werde das nochmals in der Plenardebatte Mitte Dezember thematisieren und von der Regierung eine Garantie einfordern, „dass dieses Instrument der Beugehaft“ nicht gegenüber Staatsbürgern angewendet werde, die gegenüber der Regierung kritisch seien.
Viel Zustimmung im Ausschuss
Außer der Kritik der FPÖ im Ausschuss erfuhr laut Parlamentskorrespondenz der Regierungsvorschlag zur Beugehaft viel Zustimmung, auch aus Oppositionskreisen.
Der ÖVP-Abgeordnete und Rechtswissenschaftler Friedrich Ofenauer betonte demnach in der Ausschusssitzung, dass die Beugehaft als letztes Mittel zu verstehen sei. Sie komme ausschließlich zur Anwendung, wenn durch Geldstrafen dem Rechtsstaat nicht zum Durchbruch verholfen werden könne.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) sagte, dass ein Staat nur so stark sei, wie seine Möglichkeiten, Entscheidungen durchzusetzen. Die Rechtswissenschaftlerin verwies in ihren Ausführungen auch auf den eingebauten Rechtsschutzmechanismus, durch den die Rechtmäßigkeit der Haft laufend überprüft werde.
Aus den Reihen der Opposition hob der SPÖ-Abgeordnete und Jurist Christian Drobits (SPÖ) die Beschränkung der Haft auf ein Jahr als positiv hervor.
Rechtsanwalt Johannes Margreiter (NEOS) zeigte seine Zustimmung für die Gesetzesänderung. Ihm zufolge gehe es um individuelle Fälle, nicht um klassische Gesetzesübertretungen. Als Beispiel nannte er, dass jemand einem Bescheid über eine zu erfolgende Handlung nicht Folge leiste.
Wird Bundesverfassungsgesetz unterwandert?
Eigentlich schütze das Bundesverfassungsgesetz 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG) Menschen in ihrer persönlichen Freiheit, erklärte Fürst schon im Vorfeld der Sitzung des parlamentarischen Verfassungsausschusses. Allerdings sei eine Beugehaft für Ungeimpfte der Regierung durchaus zuzutrauen.
Denn die persönliche Freiheit dürfe einem Menschen grundsätzlich dann entzogen werden, „wenn Grund zur Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde“. Wortmeldungen der Regierungsspitze, wie etwa „Pandemie der Ungeimpften“, hätten jedoch den Schluss nahe gelegt, dass die Passage so ausgelegt werde, dass die Beugehaft auch für Ungeimpfte zur Anwendung kommen könne, warnte Fürst.
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