Neue Abgasnorm Euro 7: Nötige Entwicklung oder hemmende Regulierung?
Autohersteller wehren sich gegen die Pläne der EU-Kommission für eine neue Abgasnorm Euro 7 ab dem Jahr 2025. Der Vorschlag sei „nicht umsetzbar“, weil die Frist zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten der Norm für Hersteller wie Genehmigungsbehörden „zu kurz“ sei, erklärte der Volkswagen-Konzern am Sonntagabend in Wolfsburg. BMW warnte wegen der Vorgaben vor Angebotsverknappung und Verteuerungen.
Die von der EU-Kommission geforderten Abgaswerte bei Tests unter erschwerten Bedingungen hätten „mit der realistischen Nutzung des Fahrzeugs wenig zu tun, erfordern aber sehr viel zusätzliche Technik“, erklärte VW weiter. Die Umsetzung der Brüsseler Vorschläge würde personelle und finanzielle Ressourcen binden, die sinnvoller in die Elektromobilität fließen sollten.
„Euro7 sollte vor allem Schadstoffe regeln und nicht für ein früheres Ende des Verbrenners instrumentalisiert werden“, sagte ein Sprecher des BMW-Konzerns der „Automobilwoche“. „Damit würde das Produktangebot unnötig verteuert und führt womöglich zu einer weiteren Angebotsverknappung, gerade im Kleinwagensegment.“
Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge zur Ausgestaltung von Euro 7 im November vorgestellt. Demnach sollen die Grenzwerte für Autos nur teilweise niedriger ausfallen als nach der seit 2015 maßgeblichen Abgasnorm Euro 6. Sie sollen aber in einer ausgeweiteten Form von Tests gemessen werden, bei denen Parameter wie Kälte oder kurze Fahrtstrecken berücksichtigt werden.
Diese neuen Testmethoden kritisieren die Autobauer scharf. „Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen“, erklärte VW. Stattdessen sei die Elektrifizierung „der mit Abstand wirkungsvollste Weg, die Schadstoff-Emissionen zu minimieren und so die Luftqualität weiter zu verbessern“.
Wissing: Individuelle Mobilität bewahren
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte vor einer zu scharfen Regulierung und einem Jobabbau. „Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern“, erklärte er der Deutschen Presse-Agentur. Die systematische Verknappung durch Regulierung gefährde unzählige Arbeitsplätze.
„Wenn die Automobilindustrie davor warnt, dass die Regulierung Fahrzeuge unnötig verteuert und die Beschleunigung der E-Mobilität behindert, ist das sehr ernst zu nehmen“, so Wissing.
Die EU-Kommission kann nicht einerseits hohe Klimaschutzziele einfordern und andererseits deren Erreichung durch Regulierung verhindern.“
Darüber hinaus könne der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen Klimaschutz und Mobilität vereinen: „Europa darf diese technologische Lösung nicht verhindern.“
Durch die Verteuerung der Fahrzeuge sei auch die Mobilität insgesamt gefährdet. Wissing: „Wir brauchen in der Fläche Teilhabe durch individuelle Mobilität – auch in Zukunft.“
Greenpeace verlangte, die Autobauer müssten in den kommenden Jahren emissionsfreien Antrieben zum Durchbruch verhelfen. „Wenn Wissing für langfristig sichere Arbeitsplätze in der Branche sorgen will, dann sollte er alles daran setzen, die deutsche Autoindustrie an die Spitze der Mobilitätswende zu setzen“, erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Ehrgeizigere Abgasstandards helfen dabei.“
Die drei Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen sprachen sich ebenfalls gegen die Abgasnorm aus. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz äußerten die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD) parteiübergreifend Befürchtungen, deutsche Firmen könnten Nachteile erleiden.
ADAC: teilweise nicht weitreichend genug
Der ADAC begrüßt die meisten Änderungen für die neue Abgasnorm, sieht aber noch Nachbesserungsbedarf: Neben Kohlendioxid (CO₂) sollten auch die „Treibhausgase“ Methan (CH₄) und Distickstoffmonoxid (N₂O) berücksichtigt werden. Entsprechende bei Nutzfahrzeugen geltende Grenzwerte „sollten auch für Pkw eingeführt werden“.
Allerdings dürfe eine Verschärfung der Grenzwerte und des Messverfahrens „jedoch nicht von vornherein darauf zielen, eine konkrete Technologie wie den Verbrennungsmotor ins Aus zu manövrieren. Sie dürfen auch nicht dazu führen, dass kleine und günstige Fahrzeugmodelle überhaupt nicht mehr für Verbraucher bezahlbar angeboten werden können, weil zusätzliche technische Anforderungen und fehlende rechtliche Grundlagen ihre Produktion überproportional verteuern.“
Laut dem ADAC bringen die Euro-7-Standardregeln „Emissionsgrenzwerte für alle Kraftfahrzeuge – also Autos, Lieferwagen, Busse und Lastwagen – unter ein einziges Regelwerk.“ Die neuen Vorschriften wären kraftstoff- und technologieneutral und legten „die gleichen Grenzen fest, unabhängig davon, ob das Fahrzeug Benzin, Diesel, Elektroantrieb oder alternative Kraftstoffe verwendet.“
Erstmalig sollen Grenzwerte für Partikelemissionen von Bremsen und Regeln für Mikroplastikemissionen von Reifen eingeführt werden – für alle Fahrzeuge gleich –, was auch Elektroautos betreffen würde.
Bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen kommt zu den bisher mit Grenzwerten belegten Schadstoffen Stickoxide (NOₓ), Kohlenmonoxid (CO), Partikel und Kohlenwasserstoffe jetzt Ammoniak (NH₃) hinzu. Ammoniak bildet eine Schlüsselrolle bei der Bildung von städtischem Smog.
Bereits nach der Vorstellung der Kommissionsvorschläge im November hatte es Kritik aus den Reihen der europäischen Automobilindustrie gegeben. Die Vorschläge werden zunächst von EU-Parlament und Mitgliedstaaten diskutiert. (AFP/mk)
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