EU-Treffen in Salzburg: Merkel lehnt eigenen EU-Katastrophenschutz ab – Brexit-Plan abgelehnt

Die Kapazitäten der Mitgliedsstaaten würden ausreichen, erklärt Kanzlerin Merkel und lehnt damit einen EU-Katastrophenschutz ab. Brüssel wollte auch selbst über den Einsatz der Einheiten entscheiden.
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"Familienfoto" der EU-Staatschefs in Salzburg, 20. September 2018.Foto: JOE KLAMAR/AFP/Getty Images
Epoch Times20. September 2018

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Vorschlag der EU-Kommission abgelehnt, einen eigenen europäischen Katastrophenschutz aufzubauen. Sie glaube nicht, „dass es sinnvoll ist, dass es europäische Einheiten und technische Fazilitäten gibt“, sagte Merkel nach dem EU-Gipfel am Donnerstag in Salzburg. Aus ihrer Sicht würden Kapazitäten in den Mitgliedstaaten ausreichen, „die dann bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden können“.

Die Kommission hatte im November 2017 vorgeschlagen, eigene Kapazitäten der EU zur Hilfe nach Naturkatastrophen wie Erdbeben, Waldbränden oder Überflutungen aufbauen. Ziel war eine europäische Reserve aus Löschflugzeugen, Pumpen, Feldlazaretten, medizinischen Notfallteams und Material für Such- und Rettungseinsätze. Brüssel wollte künftig auch selbst über den Einsatz der Einheiten entscheiden.

Beim Gipfel sei hervorgehoben worden, dass es auch in diesem Frühjahr und Sommer große Waldbrände etwa in Griechenland und Schweden gegeben habe, sagte Merkel.

Auch sie sehe die Notwendigkeit einer Katastropheneinheit, „wo auch Europa Solidarität zeigen kann“. Es sei aus ihrer Sicht aber sinnvoller, zwischen den Mitgliedstaaten einen „Pool“ zu bilden, „aus dem heraus Zugriff möglich ist“.

Europas Katastrophenhilfe funktioniert bisher auf freiwilliger Basis durch gegenseitige Unterstützung unter den Mitgliedstaaten.

Die Kommission koordiniert dies nur. Sie verweist darauf, dass es bei Waldbränden im Sommer immer wieder zu Verzögerungen kommt, weil nur wenige Länder über Löschflugzeuge verfügen und diese häufig selbst benötigen. Löschflugzeuge wollte die Kommission aber weiter nur mieten und nicht kaufen.

(L-R) Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der dänische Premierminister Lars Lokke Rasmussen, der finnische Premierminister Juha Sipila, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der belgische Premierminister Charles Michel auf dem Weg zum „Familienfoto“ am 20. September 2018 im Mirabellgarten vor der Universität Mozarteum anlässlich des Informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs der EU in Salzburg, Österreich. Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

Brexit-Plan abgelehnt

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben dem Plan der britischen Regierung zur Ausgestaltung der Handelsbeziehungen nach dem Brexit eine klare Absage erteilt. Der Vorschlag von Premierministerin Theresa May „wird nicht funktionieren“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag nach einem zweitägigen EU-Gipfel in Salzburg. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, die anderen Mitgliedstaaten seien sich einig gewesen, „dass es in Sachen Binnenmarkt keine Kompromisse geben kann“.

May hatte für die künftigen Wirtschaftsbeziehungen vorgeschlagen, dass beide Seiten ein Freihandelsabkommen schließen. Bei ihm soll es keine Zölle auf Waren geben – aus ihrer Sicht würde dies auch das Problem mit der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland regeln. Ausgenommen wären aber Dienstleistungen. Dies lehnt die EU jedoch kategorisch ab, weil sie Wettbewerbsverzerrungen durch britische Anbieter fürchtet.

Die EU-Staats- und Regierungschefs seien der Ansicht, dass die britischen Vorschläge den gemeinsamen Binnenmarkt untergraben würden, sagte Tusk. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron nannte die Pläne Mays „unannehmbar“. Die 27 anderen EU-Mitglieder erwarteten im Oktober neue Vorschläge aus London, sagte er.

Für die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland will May „in Kürze“ neue Vorschläge vorlegen. Ihr Ziel sei es, bis zum EU-Gipfel am 18. Oktober eine vollständige Brexit-Strategie auszuhandeln, sagte sie in Salzburg. Die Frage der irischen Grenze gilt als schwierigstes Problem in den Brexit-Verhandlungen.

Mit Blick auf einen möglichen Kompromiss sagte Merkel, am Ende müssten beide Seiten aufeinander zugehen. Für die EU gebe es aber „ein paar Maßstäbe“. Zu diesen gehöre, „dass man nicht zum Binnenmarkt gehören kann, wenn man nicht im Binnenmarkt ist“.

Merkel meinte, beide Seiten könnten bei der Frage noch „sehr viel Kreativität entwickeln, um praktikable, gute, enge Lösungen zu finden“. Dazu hätten die EU und Großbritannien aber „noch ein Stück Arbeit vor uns“.

Streitpunkt Handel mit Großbritannien, Migration und Frontex

Ein Abkommen sei weiterhin sein erklärtes Ziel, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Die EU sei aber auch auf den Fall vorbereitet, dass es „keinen Deal“ gebe.

Tusk bestätigte frühere Angaben von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz nicht, dass für Mitte November bereits ein Sondergipfel zum Brexit beschlossen sei. „Unsere Hoffnung ist, dass wir im Oktober fertig sind“, sagte der Ratspräsident. Merkel sagte zum Zeitplan, die EU wolle „bis Oktober substanzielle Fortschritte“. Ziel sei es dann, dies im November „zu finalisieren“.

Ohne Einigung beim Streitpunkt Handel pocht die EU darauf, notfalls eine „Auffanglösung“ in Kraft zu setzen. Nach ihr würde Nordirland de facto im EU-Binnenmarkt bleiben und die Grenzkontrollen würden zwischen Nordirland und den Rest des Vereinigten Königreichs verlegt.

Beim Thema Migration beschloss der EU-Gipfel, stärker mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten zusammenzuarbeiten. Generelles Ziel sei es „sicherzustellen, dass möglichst wenige Menschen illegal von den nordafrikanischen Staaten in Richtung Europa“ aufbrächen, sagte Kurz – und wenn, dann solle ihre Rettung im Küstengebiet der nordafrikanischen Staaten stattfinden.

Eine gemeinsame Linie der EU zur Stärkung der Grenzschutzbehörde Frontex gab es noch nicht. Einige Länder hätten „noch Diskussionsbedarf, was die Souveränitätsrechte betrifft“, sagte Kurz. Er hoffe aber bis Ende des Jahres auf eine Einigung. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Grenzschutzbehörde Frontex bis 2020 auf 10.000 Mitarbeiter auszubauen und ihr Mandat bei Einsätzen in den Mitgliedstaaten zu erweitern.

Merkel bekräftigte, dass sie den Frontex-Vorschlag von Juncker unterstütze. Die Mehrzahl der Teilnehmer habe dies genauso gesehen. Mit der seit Jahren umstrittenen Frage der Flüchtlingsverteilung habe sich der Gipfel „eher wenig“ beschäftigt, sagte Merkel weiter. Dies habe in Salzburg „nicht im Mittelpunkt gestanden“.

Die Staats- und Regierungschefs in Salzburg, Österreich, am 20. September 2018 (1. Reihe, L-R): Schwedens Ministerpräsident Stefan Lofven, Sloweniens Ministerpräsident Marjan Sarec, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der finnische Ministerpräsident Juha Sipila, die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite, der französische Präsident Emmanuel Macron, der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk, der rumänische Präsident Klaus Iohannis, Zyperns Präsident Nicos Anastasiades, der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker, der kroatische Premierminister Andrej Plenkovic, Portugals Premierminister Antonio Costa, der tschechische Premierminister Andrej Babis und der Generalsekretär des Europäischen Rates Jeppe Tranholm-Mikkelsen und (Reihe dahinter, L-R): Bulgariens Premierminister Boyko Borisov, Estlands Premierminister Juri Ratas, die britische Premierministerin Theresa May, Maltas Premierminister Joseph Muscat, der slowakische Premierminister Peter Pellegrini, der niederländische Premierminister Mark Rutte, der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel, der lettische Premierminister Maris Kucinskis, Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, der irische Ministerpräsident Leo Varadkar, der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen, der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der belgische Ministerpräsident Charles Michel und der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez. – Foto: JOE KLAMAR/AFP/Getty Images

Der Blick auf die andere Seite:

Foto: GEORG HOCHMUTH/AFP/Getty Images

(afp)

 



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