London wirft Moskau Einmischung in britische Wahl und Corona-Hackerangriffe vor
Großbritannien hat am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen Russland erhoben: Nach Angaben der britischen Regierung versuchten „russische Akteure“, sich in die Parlamentswahl in Großbritannien im vergangenen Jahr einzumischen. Außerdem versuchten russische Hacker im Auftrag Moskaus, an Informationen zu Corona-Impfstoffen zu kommen, erklärte die britische Behörde für Cybersicherheit (NCSC). Der Kreml dementierte die Vorwürfe. Russland habe „mit diesen Versuchen nichts zu tun“, sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow.
Der britische Außenminister Dominic Raab erklärte am Donnerstag, die Regierung erachte es als „praktisch gesichert“, dass von russischer Seite versucht wurde, Einfluss auf die Wahl zu nehmen. „Auf der Grundlage einer eingehenden Analyse ist die Regierung zu dem Schluss gekommen, dass es praktisch gesichert ist, dass russische Akteure versucht haben, sich in die Wahl von 2019 einzumischen“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung des Ministers an das Parlament in London.
Dies sei über die massenweise Verbreitung von illegal beschafften Regierungsdokumenten im Internet geschehen. Die Dokumente bezogen sich nach Angaben des Ministers auf Handelsfragen zwischen London und Washington.
„Es gibt zwar keine Beweise für eine breit angelegte russische Kampagne gegen die Parlamentswahlen, aber jeder Versuch, sich in unsere demokratischen Prozesse einzumischen, ist völlig inakzeptabel“, erklärte Raab weiter. Nähere Einzelheiten könne er wegen der laufenden strafrechtlichen Untersuchung nicht nennen.
Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 12. Dezember hatten die konservativen Tories unter Premierminister Boris Johnson einen klaren Sieg eingefahren; Johnson war mit dem Wahlversprechen angetreten, nach jahrelangem Gerangel den Brexit zu vollziehen.
In den kommenden Tagen will der Geheimdienstausschuss des Parlaments überdies seinen Bericht zu dem Verdacht der russischen Einmischung in das Brexit-Votum vom Juni 2016 veröffentlichen. Die Briten hatten sich damals mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union entschieden. So wie auch bei der Präsidentenwahl im selben Jahr in den USA besteht der Verdacht, dass Russland die Abstimmung manipuliert haben könnte.
Desweiteren erklärte die Behörde NCSC am Donnerstag, russische Hackerversuche auf Forschungseinrichtungen für Corona-Impfstoffe registriert zu haben. „Mit ziemlicher Sicherheit“ agiere die Hacker-Gruppe APT29 als Teil der russischen Geheimdienste. Ziele sind demnach Institute zur Forschung und Entwicklung von Impfstoffen in Großbritannien, Kanada und den USA.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass die russischen Geheimdienste diejenigen ins Visier nehmen, die an der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie arbeiten“, erklärte Raab. „Während andere ihre egoistischen Interessen mit rücksichtslosem Verhalten verfolgen, machen Großbritannien und seine Verbündeten mit der harten Arbeit weiter, einen Impfstoff zu finden und die globale Gesundheit zu schützen.“ Sein Land werde gegen diejenigen vorgehen, die hinter solchen Cyber-Angriffen steckten, kündigte Raab an. Diese würden zur Verantwortung gezogen.
Russland wies die Vorwürfe umgehend zurück. „Wir haben keine Informationen darüber, wer Pharmaunternehmen und Forschungszentren in Großbritannien gehackt haben könnte“, sagte Kreml-Sprecher Peskow am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Tass. Moskau habe „mit diesen Versuchen nichts zu tun“. Auch die „haltlosen Vorwürfe einer Einmischung in die Wahlen von 2019“ wies Peskow zurück.
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland sind seit Längerem äußerst angespannt – unter anderem wegen des Giftanschlags auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury. Die britische Regierung macht den russischen Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich. Moskau weist auch diese Vorwürfe zurück.
Erst in der vergangenen Woche verhängte Großbritannien Sanktionen gegen russische Akteure, die Menschenrechtsverstöße begangen haben sollen. Russland kündigte umgehend Gegensanktionen an. (afp)
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