Mit dem Terroranschlag von Wien, bei dem am Montagabend (2.11.) nach bisherigen Erkenntnissen von
„oe24“ vier Menschen starben und 17 weitere zum Teil schwer verletzt wurden, hat die aus Syrien und dem Irak vertriebene Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) ein folgenschweres Lebenszeichen von sich gegeben. Es war der schwerste Terroranschlag einer ausländischen Organisation in Österreich seit 1985 und der bis dato dritte, der die Stadt in der Seitenstettengasse im Visier hatte.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) betonte auf einer Pressekonferenz in Wien, dass der erschossene Attentäter 20 Jahre alt war. Er hatte nordmazedonische Wurzeln und war vorbestraft. Am 25. April 2019 wurde der 20-Jähriger zu 22 Monaten verurteilt, weil er nach Syrien wollte, um sich dort der Terrormiliz IS anzuschließen. Am 5. Dezember letzten Jahres wurde er vorzeitig entlassen.
Im Umfeld des Täters sind 15 Hausdurchsuchungen durchgeführt worden, mehrere Personen seien festgenommen worden, sagte Nehammer. Ob der Mann, der von Einsatzkräften erschossen wurde, der einzige Täter war, blieb zunächst weiter unklar. Die Polizei geht von mehreren Tätern aus.
Nach Angaben der
„Standard“ sind vier Zivilpersonen und ein Täter beim Anschlag ums Leben gekommen. Zwei Frauen und zwei Männer erlagen ihren Verletzungen. Die 17 Opfer des Angriffs werden mit Schuss- und Stichverletzungen behandelt. Sieben Personen sind noch in kritischem, lebensbedrohlichem Zustand.
Der erschossene Angreifer war mit einem automatischen Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete bewaffnet. Laut Innenminister Nehammer trug er zudem eine Sprengstoffgürtel-Attrappe.
Der Sonderministerrat in Österreich beschloss eine dreitägige Staatstrauer, beginnend mit dem heutigen Dienstag. Eine Gedenkminute wird um 12 Uhr heute abgehalten.
Fotos mit Waffen auf Instagram-Account
Nach Informationen der
„Bild“-Zeitung unterhielt der mutmaßliche Attentäter, der an
mehreren Orten – dem Morzinplatz, Salzgries, Seitenstettengasse, Graben, Bauernmarkt und Fleischmarkt – in der Wiener Innenstadt mit einem Sturmgewehr auf mehrere Menschen schoss, einen mittlerweile geschlossenen Account auf Instagram.
Neben der österreichischen soll Kujtim F., so der Name des mutmaßlichen Attentäters, auch die nordmazedonische Staatsangehörigkeit besessen haben. Auf seinem mittlerweile gelöschten Instagram-Account postete dieser mehrere Bilder mit Loyalitätsadressen an die Führung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Auch die Tat selbst soll er im Netz angekündigt haben.
Bereits im April des Vorjahres war Kujtim F. in Österreich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Er sollte eine Haftstrafe von 22 Monaten verbüßen, weil er versucht hatte, sich nach Syrien abzusetzen. Sein Vorhaben flog auf und konnte rechtzeitig vereitelt. Allerdings wurde er bereits am 5. Dezember 2019 wieder auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen. Als junger Erwachsener konnte er sich auf die Privilegien des Jugendstrafrechts stützen.
Wie konnte Terror unbemerkt geplant werden?
Für die Sicherheitsbehörden geht es nun auch um Erkenntnisse darüber, wie viele Personen in die Durchführung und die Vorbereitung des Anschlags involviert waren. Außerdem verlangt die Öffentlichkeit nach Antworten auf die Frage, warum es den Nachrichtendiensten entgangen war, dass ein einschlägig vorbestrafter Terrorsympathisant unbemerkt und offenbar zusammen mit weiteren Mitwissern einen Anschlag dieser Größenordnung planen konnte.
Ermittler hätten der Zeitung gegenüber bestätigt, dass es sich bei der Person, die auf den Instagram-Bildern zu sehen war, mutmaßlich um den Haupttäter handelt. Wie viele weitere Personen an der Tat beteiligt waren, wurde bis dato noch nicht offiziell bekannt gegeben. „oe24“ schreibt von mindestens einem weiteren Täter, der sich nach Mitternacht noch auf der Flucht befunden haben soll.
Auf dem Instagram-Account fand sich ein Bild, das den mutmaßlichen Täter, der von Einsatzkräften erschossen wurde, mit einem Sturmgewehr des Typs Zastava M70, einer Pistole und einer Machete zeigt. Es könnte sich bei den Schusswaffen um jene handeln, die bei dem Anschlag zum Einsatz kamen.
Treueschwur zur Terrormiliz
Der mutmaßliche Haupttäter postete auf Instagram ein Treuebekenntnis gegenüber „Abu Ibrahim“, dem Anführer der Terrormiliz. Ein solches vor Ausführung eines Terroraktes abzugeben, ist bei Anhängern des IS üblich.
Allerdings hatte sich die Terrormiliz auch in vielen Fällen nachträglich zu Anschlägen bekannt, die von Einzelpersonen begangen wurden, von denen sich im Vorfeld noch keine Kontakte zum IS nachweisen ließen.
Am Tattag legte der mutmaßliche Täter mit mehreren Patronen den Schriftzug „Badiqah“. Dabei handelt es sich um eine unter IS-Anhängern verbreitete Grußformel, die zum Ausdruck bringen soll, dass der „Islamische Staat“ auch nach dem Verlust der letzten von ihm gehaltenen Ortschaft im früheren Hauptoperationsgebiet Syrien und Irak weiterbestehe.
Menschen in Wien sollen weiter zu Hause bleiben
Die „Kronen Zeitung“
schrieb zunächst, es solle sich bei dem erschossenen Haupttäter um einen „etwa 30-jährigen Flüchtling“ handeln, der sich „bereits seit zehn Jahren in Österreich aufgehalten“ hatte – dem wurde später durch Innenminister Nehammer widersprochen.
Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Terroranschlag und den Ereignissen in Frankreich gibt, ist unklar. Nach Informationen der „Bild“ habe der mutmaßliche Haupttäter am Montagmorgen zwei Videos an Bekannte geschickt, die Ausschnitte des Angriffs auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Jahr 2015 zeigten. Möglicherweise könnte dies ein Zeichen zum Losschlagen gewesen sein.