Kiew: Armee unter Druck – Moskau sagt: Ukraine „führt Krieg auf Pump“

Moskau meldet immer neue russische Eroberungen von Orten im Osten der Ukraine. Auch Kiew räumt ein, dass die Lage schwer ist und wendet sich erneut an die Verbündeten. Die Ukraine führe den „Krieg auf Pump", so eine Sprecherin des russischen Außenministeriums, das Land würde westlichen Unternehmen überlassen und am Ende nichts mehr haben, um ihre Schulden zurückzuzahlen.
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, sieht eine schwere Lage für Kiews Truppen an der Front. (Archivbild)
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, sieht eine schwere Lage für Kiews Truppen an der Front.Foto: Ukrainisches Präsidentialamt/Zuma Press/dpa
Epoch Times3. November 2024

Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, hat die derzeitige Offensive der Russen im Donbass als eine der schwerwiegendsten seit Beginn des großangelegten Moskauer Angriffskrieges bezeichnet. Die Armee halte dem stand, aber die Lage an der Front bleibe schwierig, teilte Syrskyj nach einem Treffen mit dem tschechischen Generalstabschef Karel Rehka in seinem Telegram-Kanal mit.

Die Kampfhandlungen an verschiedenen Frontabschnitten erforderten ein ständiges Auffüllen der Ressourcen der ukrainischen Verbände. Experten sprechen von einem brutalen Abnutzungskrieg mit hohen Verlusten auf beiden Seiten.

Syrskyj informierte auch über ein Gespräch mit dem US-Generalstabschef Charles Brown, mit dem er die nächsten Schritte der Militärhilfe besprochen habe. Details nannte er nicht.

„Der Feind greift immer wieder an mehreren Frontabschnitten an, nutzt die Luftüberlegenheit und die weitreichende Feuerkraft und verfügt über einen erheblichen Vorteil beim Artilleriebeschuss“, sagte Syrskyj. Die ukrainischen Streitkräfte müssten dringend so ausgestattet werden, dass sie weiter Angriffe abwehren könnten.

EVP-Chef Weber fordert „Plan B“ zur Verteidigung der Ukraine

Vor der US-Präsidentschaftswahl hat EVP-Chef Manfred Weber die Europäer dazu aufgerufen, sich auf eine stärkere Unterstützung der Ukraine vorzubereiten. „Ich vertraue darauf, dass die Vereinigten Staaten auch unter einem Präsidenten Trump weiter zur Ukraine stehen. Aber wir müssen einen Plan B für die Verteidigung der Ukraine in der Schublade haben“, sagte Weber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Wir müssen notfalls die Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf noch stärker unterstützen. Dazu gehören auch weitere Waffensysteme wie die Taurus-Marschflugkörper. Europa ist in der Lage, die Ukraine so zu ertüchtigen, dass sie diesen Krieg gewinnt.“

Der CSU-Politiker mahnte: „Wenn die Ukraine fällt, rückt der Krieg näher an Deutschland heran. Deswegen müssen wir die Ukraine bestmöglich unterstützen.“

Umgehung von Sanktionen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte einmal mehr die Umgehung der westlichen Sanktionen gegen Russland. Allein im Oktober habe Russland mehr als 2.000 Drohnen gegen die Ukraine eingesetzt. Für eine solch hohe Zahl an Flugobjekten seien mehr als 170.000 einzelne Bauteile notwendig, die Russland nie hätten erreichen dürfen.

„Diese fortlaufende Lieferkette unterstreicht einmal mehr die dringende Notwendigkeit, dass die Welt die Ausfuhrkontrollen für spezielle Komponenten und Ressourcen verschärft“, betonte Selenskyj.

Die Sanktionen müssten verschärft und effektiver werden. Deren Umgehung sei ein Verbrechen gegen die Menschen und die Welt, weil es Russland auf diese Weise gelinge, auch die Regierungen im Iran und Nord Koreas zu stärken.

Polens Außenminister weist Kritik aus Kiew zurück

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski wies indes Kritik der Ukraine an ausbleibenden Kampfjet-Lieferungen aus seinem Land zurück.

„Wir haben unsere eigenen Verteidigungsbedürfnisse“, sagte der liberalkonservative Politiker dem Sender Polsat News. Die Ukraine müsse verstehen, dass auch Polen als „Frontstaat“ den russischen Präsidenten Wladimir Putin abschrecken müsse. Zuvor hatte Selenskyj beklagt, dass Polen wieder einmal einen Grund gefunden habe, keine zusätzlichen MiG-29 Kampfjets an sein Land abzugeben.

Nach Angaben Sikorskis hat das Kabinett in Warschau im Zusammenhang mit der militärischen Hilfe für die Ukraine einen Vorschlag für einen Verteidigungskredit eingebracht. Man hätte es von Anfang an so machen können, argumentierte Sikorski: Die Ukraine könne in polnischen Rüstungsfabriken auf Kredit kaufen und das Geld beim Wiederaufbau zurückzahlen.

Russland: Ukraine „führt Krieg auf Pump“

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kommentierte Sikorskis Worte und meinte, dass die Ukraine schon jetzt den Krieg auf Pump führe, ihr Land westlichen Unternehmen überlasse und nichts mehr haben werde am Ende, um ihre Schulden zurückzuzahlen.

Medienberichten nach zu urteilen, dürfte der polnische Vorschlag auch in Kiew auf wenig Gegenliebe stoßen. Präsident Selenskyj kritisierte jüngst zudem, dass Polen keine russischen Raketen über der Ukraine abschießen wolle. In Warschau wird darauf verwiesen, dass ein solcher Schritt eine gemeinsame NATO-Entscheidung erfordere.

Eroberung eines weiteren Dorfes nahe Pokrowsk

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte am Sonntag mit, „die Siedlung Wischnewe im Anschluss an Offensivmaßnahmen befreit“ zu haben. Wischnewe liegt etwa 20 Kilometer südlich der früheren Bergbaustadt Pokrowsk, ein wichtiger Knotenpunkt für die ukrainische Militärlogistik.

Russland rückt seit Wochen in der ostukrainischen Region Donezk vor. Am Samstag hatte Moskau die Einnahme des Dorfes Kurachiwka nahe der Industriestadt Kurachowe gemeldet. Zudem meldete Russland die Eroberung des Dorfes Perschotrawnewe in der südlichen Region Charkiw.

Die Eroberung Pokrowsks, das mehrere ukrainische Stellungen im Donbass miteinander verbindet, ist eines der Hauptziele Russlands in der Region. In der Stadt befindet sich zudem eine große Kohlemine, die große Bedeutung für die Stahlproduktion für das ukrainische Militär hat.

Russische Soldaten sind bis auf wenige Kilometer auf die Stadt vorgerückt. Über den gesamten Oktober eroberte die russische Armee nach Analysen des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) ein Gebiet von 478 Quadratkilometern in der Ukraine. Es sind die größten Geländegewinne Russlands in der Ukraine seit März 2022. (dpa/afp/red)



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