Kanzlerin zeigt sich skeptisch zu schnellem Beschluss zu EU-Corona-Hilfen – Conte will schnelle Einigung
Im EU-Finanzstreit um die Corona-Hilfen hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Bezug auf eine schnelle Einigung zurückhaltend gezeigt. "Noch sind die Positionen auseinander; ich vermag nicht zu sagen, ob wir schon am Freitag oder Samstag zu einer Einigung kommen werden."

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am 13. Juli 2020 im Garten von Schloss Meseberg in der Nähe von Gransee, Deutschland, mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte.
Foto: Keuenhof - Pool/Getty Images
Im EU-Finanzstreit um die Corona-Hilfen hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Bezug auf eine schnelle Einigung zurückhaltend gezeigt. „Noch sind die Positionen auseinander; ich vermag nicht zu sagen, ob wir schon am Freitag oder Samstag zu einer Einigung kommen werden“, sagte Merkel bei einer Pressekonferenz mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte am Montag auf Schloss Meseberg. Am Ende der Woche ist ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zum beispiellosen Finanzpaket von insgesamt rund 1,8 Billionen Euro geplant.
Deutschland und Italien seien „mit der Grundstruktur des Fonds einverstanden“, sagte Merkel. Zu den von EU-Ratspräsident Charles Michel gemachten Kompromissvorschlägen habe jedes Land allerdings noch seine „nationalen Interessen hinzuzufügen“. Es sei aber eine gute Idee, mit den einzelnen Staaten Vereinbarungen über die Verwendung der Gelder zu schließen, sagte Merkel.
Conte will schnelle Einigung, um seinem Land zu helfen
Conte pochte auf eine schnelle Einigung, um seinem schwer von der Corona-Pandemie getroffenem Land zu helfen. Merkel lobte die Anstrengung Italiens und appellierte an die Solidarität in der EU. „Deutschland hat genauso wie Italien ein Interesse an einem funktionierenden Binnenmarkt“, sagte die Kanzlerin.
Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen ab Freitag in Brüssel zusammen, um über das beispiellose Finanzpaket von insgesamt rund 1,8 Billionen Euro zu entscheiden. Dabei geht es um den Aufbauplan gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und den nächsten Sieben-Jahres-Haushalt für die Zeit von 2021 bis 2027.
Italien und Spanien werden von den EU-Hilfen besonders profitieren
Die EU-Kommission hat die Aufnahme von 750 Milliarden Euro Schulden zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Rezession wegen der Corona-Krise vorgeschlagen. Profitieren sollen vor allem die am schwersten durch die Corona-Pandemie getroffenen Länder wie Italien und Spanien.
500 Milliarden Euro sollen dabei als Zuschüsse fließen, der Rest als Kredite. Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande wollen dagegen nur Kredite vergeben. Auch bei anderen Details des Vorhabens gehen die Meinungen der Mitgliedstaaten auseinander.
Woher stammen die EU-Mittel?
Doch woher stammen die Mittel des EU-Haushalts: Sie fließen aus verschiedenen Quellen nach Brüssel. Unter anderem trägt jeder Mitgliedstaat mit einen bestimmten Prozentsatz seines Bruttosozialprodukts zur Finanzierung des Haushalts bei. Die EU bezieht aber ihre Einnahmen nicht nur aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten, sondern auch aus den Einfuhrzöllen auf Waren aus dem EU-Ausland. Zudem erhält sie einen bestimmten Prozentsatz der Mehrwertsteuer, die die einzelnen Länder erheben.
In Zahlen bedeutete dies auf das Jahr 2018 bezogen: Dänemark und Deutschland waren, gemessen an dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Staaten, 2018 die größten EU-Nettozahler. Der negative Haushaltssaldo entsprach jeweils 0,39 Prozent des BIP. Darauf folgten Österreich (minus 0,35 Prozent), Schweden (minus 0,32 Prozent) und die Niederlande (minus 0,31 Prozent). Auf der anderen Seite waren die größten Nettoempfänger im Jahr 2018 Ungarn (plus 4,11 Prozent des BIP), Litauen (plus 3,96 Prozent), Lettland (plus 3,31 Prozent), Bulgarien (plus 3,01 Prozent) und Polen (plus 2,59 Prozent).
2018 zahlte Deutschland pro Kopf 161 Euro an Brüssel
Wenn die operativen Haushaltssalden auf die jeweilige Bevölkerung der Mitgliedstaaten bezogen werden ergab sich aus Sicht der Nettozahler folgendes Bild: Mit durchschnittlich 206 Euro pro Kopf zahlten Dänemarks Bürger 2018 so viel wie niemand sonst an Brüssel.
Dann folgte Deutschland (161 Euro) und Österreich (152 Euro). Schweden (149 Euro) und den Niederlanden (142 Euro) lagen dahinter. Hingegen erhielten Litauen, Ungarn und Lettland rein rechnerisch zwischen 505 und 610 Euro pro Kopf von der EU. Und auch in Estland und Polen (408 bzw. 325 Euro) lag der positive Haushaltssaldo 2018 bei mehr als 300 Euro pro Kopf.
Bezogen auf die absoluten Zahlen lag Deutschland im Jahr 2018 erneut auf Platz eins aller EU-Mitgliedstaaten: Der negative Haushaltssaldo Deutschlands lag bei 13,4 Milliarden Euro. Darauf folgten das Vereinigte Königreich (minus 6,9 Mrd. Euro), Frankreich (minus 6,2 Mrd. Euro), Italien (minus 5,1 Mrd. Euro) und die Niederlande (minus 2,5 Mrd. Euro). Auf der anderen Seite waren bezogen auf die absoluten Zahlen Polen (plus 12,3 Mrd. Euro), Ungarn (plus 5,2 Mrd. Euro), Griechenland (plus 3,4 Mrd. Euro), Portugal (plus 3,3 Mrd. Euro) und Rumänien (plus 3,2 Mrd. Euro) die größten EU-Nettoempfänger. (afp/er)
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