Israel: Netanjahu pausiert Justizreform – Biden-Regierung: „Haben keine Proteste bezahlt“

In Israel hat die Aussetzung der Justizreform der Regierung Netanjahu Zeit verschafft. Mit seinem Dialogangebot isoliert der Premier radikale Protestierer.
Trotz des angekündigten Stopps der umstrittenen Justizreform in Israel wollen Gegner der Regierungspläne ihren Protest - wie hier in Tel Aviv - weiterführen.
Trotz des angekündigten Stopps der umstrittenen Justizreform in Israel wollen Gegner der Regierungspläne ihren Protest - wie hier in Tel Aviv - weiterführen.Foto: Ilia Yefimovich/dpa
Von 28. März 2023

Mit seiner Ankündigung, die geplante Justizreform in Israel bis zum Sommer auszusetzen, hat Premierminister Benjamin Netanjahu die Opposition unter Zugzwang gesetzt. Der Chef einer rechts-religiösen Koalitionsregierung mit Vier-Stimmen-Mehrheit in der Knesset hat einen Dialog über das Vorhaben angeboten.

Noch am Montagabend des 27.3.2023 hat Netanjahu ein erstes Gespräch mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Benny Gantz geführt. Es ging dabei in erster Linie um die Rücknahme der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant. Dieser verlor am Sonntagabend sein Amt, nachdem er offen den Stopp des Reformvorhabens gefordert hatte. Allerdings soll er noch keine Entlassungsurkunde erhalten haben.

Gantz bezeichnete Galants Verbleib im Amt als „wesentlich für die nationale Sicherheit“. Ein solcher Schritt könne zur Beruhigung der Lage beitragen.

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Für die Opposition, die im Laufe der vergangenen Wochen an mehreren Tagen zehntausende Menschen zu Kundgebungen mobilisieren konnten, kommt das Angebot ungelegen. Radikal linke Gruppen wollen ihre Aufmärsche fortsetzen. Auch in der Nacht zu Dienstag gab es wieder Blockaden und zum Teil gewalttätige Proteste. Allerdings droht diesen, ein Teil der Basis wegzubrechen.

Die Gewerkschaften, die mit ihrem politisch motivierten Generalstreik am Montag vielfach auf Kritik stießen, haben diesen wieder beendet. Bedingt durch den Aufruf waren am Flughafen Ben Gurion zahlreiche Starts und Landungen ausgefallen. Viele Branchen waren auch von Arbeitsniederlegungen betroffen. Die Arbeitspartei will die Proteste fortführen, sie hat politisch allerdings an Bedeutung eingebüßt.

Auch Oppositionsführer Jair Lapid hat seine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft signalisiert. Er äußerte:

Wenn die Gesetzgebung wirklich und vollständig gestoppt wird, sind wir bereit, einen echten Dialog in der Residenz des Präsidenten zu beginnen.“

Lapid äußerte gleichzeitig Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Angebots. Allerdings hatte er in seiner Regierungszeit als Premierminister selbst erklärt, dass eine Reform der Justiz grundsätzlich erforderlich sei.

 Shapiro: Linke will „Verlust von Kontrolle in Form von reiner Macht“ nicht akzeptieren

Der bekannte US-amerikanische Publizist Ben Shapiro hat sich unterdessen auf Twitter zur Justizreform in Israel zu Wort gemeldet. Er sprach sich für Reformen in Israels Justizwesen aus, unterstrich jedoch auch die Notwendigkeit von Kompromissen.

Shapiro sieht in der 1995 verkündeten „Justizrevolution“ unter Aharon Barak den Kern des Problems. Diese sei von einer weitreichenden Selbstermächtigung gekennzeichnet gewesen. Die israelische Justiz habe seither als „De-facto-Diktatur“ agiert, die ihre eigenen Nachfolger auswähle und ihrer Autorität wenige oder gar keine Grenzen setze. Während die Justiz traditionell eine Domäne der Linken gewesen sei, hätten Likud und religiöse Kräfte in der Gesellschaft selbst an Bedeutung gewonnen. Shapiro erklärt:

Die Rechte hat recht, was die übergroße Macht der Justiz und den Wahnsinn eines Generalstaatsanwalts angeht, der ohne tatsächliche Befugnisse handeln kann. Viele in der Mitte und sogar in der Linken stimmen mit dieser Kritik überein.“

Allerdings seien gerade dort wesentliche Kräfte nicht bereit, einen „Verlust von Kontrolle in Form von reiner Macht“ zu akzeptieren.

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Die derzeitige Pattsituation sei „unhaltbar“, betont Shapiro. Er fordert „schrittweise, ausgehandelte Änderung der Machtstruktur in Israel, um den Aktivismus der Justiz allmählich einzuschränken“. Es bedürfe einer verfahrenstechnischen Teilung der Macht, kombiniert mit mehr Kompromissen in der eigentlichen Politik.

Die Alternative sei eine Situation, in der Linke und Säkulare ihre Agenda mithilfe der Justiz durchdrücken, während die Rechte auf die Demografie setze. Die derzeitige Lage führe dazu, dass die Wähler der Koalition das Vertrauen in die Wahldemokratie verlören. Gleichzeitig würde die Linke darin bestärkt, auf Druck von außen als wirksamste Taktik zu setzen.

Kern der Reform ist es, das Recht auf Ernennung und Entlassung von Richtern des Obersten Gerichtshofs dem Parlament zu übertragen. Eine solche Regelung ist beispielsweise in Deutschland in Kraft – dennoch hat auch die deutsche Regierung Kritik an der geplanten Reform in Israel geübt. Bisher ist ein gemischtes Gremium aus Richtern, Knesset-Abgeordneten und Rechtsexperten dafür zuständig.

Neben der Wahl von Höchstrichtern durch das Parlament sollen dem Reformpaket zufolge die Richter auch stärker ans Gesetz gebunden sein. Bis dato können Höchstrichter Vorhaben der Regierung oder Gesetze auf der Grundlage unklarer Rechtsbegriffe wie „Vernünftigkeit“ vereiteln.

State Department: Zuwendung für NGO habe nichts mit Protesten zu tun

Unterdessen hat die US-Regierung Vorwürfe von Jair Netanjahu, dem Sohn des Premierministers, zurückgewiesen. Dieser hatte der Biden-Administration vorgeworfen, die zum Teil gewalttätigen Proteste in Israel zu finanzieren.

State-Department-Sprecher Vedant Patel erklärte „Arutz Sheva“ zufolge, die US-Regierung habe den „bescheidenen Zuschuss“ für das „Movement of Quality Government“ längst eingestellt. Die Gruppe gilt als eine der tragenden Kräfte der Proteste.

Patel zufolge habe die NGO zuletzt im September 2022 eine Auszahlung erhalten – und damit vor den Wahlen zur Knesset. Die Zuwendung sei auch zweckgebunden gewesen für ein „Bildungsprogramm für Jerusalemer Schulen, das deren Lehrplan für Staatsbürgerkunde ergänzte“. Das Außenministerium betonte:

Jede Vorstellung, dass wir diese Proteste oder ihre Initiatoren unterstützen, ist völlig und nachweislich falsch.“

(Mit Material der dpa)



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