Hintergrund: Die komplizierte Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind angespannt. Offiziell sind die beiden Länder zwar Partner. Die Probleme zwischen den beiden Regierungen sind jedoch vielfältig.
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Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und CDU/CSU stimmen am 02.06.2016 im Bundestag in Berlin für die Einstufung der Massaker an den Armeniern 1915/16 durch das Osmanische Reich als Völkermord.Foto: Michael Kappeler/Archiv/dpa
Epoch Times8. September 2016

Ankara/Berlin (dpa) – Die Türkei ist EU-Beitrittskandidat und Nato-Mitglied. Offiziell sind Deutschland und die Türkei Partner. In der Bundesrepublik leben etwa drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Doch an Problemen zwischen Berlin und Ankara mangelt es nicht. Die Konfliktpunkte:

ARMENIEN-RESOLUTION: Im Juni 2016 beschließt der Bundestag eine Resolution, die die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ einstuft. Ankara reagiert empört und zieht den Botschafter aus Berlin ab. Mit der Erklärung, dass die Resolution für sie rechtlich nicht verbindlich sei, entschärft die Bundesregierung vergangene Woche den Streit.

LUFTWAFFENBASIS: Nach dem Bundestagsbeschluss untersagen die türkischen Behörden einem Parlamentarischen Staatssekretär und mehreren Bundestagsabgeordneten den Besuch der Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik. Auch ein Treffen zwischen Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande des Nato-Gipfels in Warschau ändert zunächst nichts daran. Am Donnerstag gibt die Türkei dann aber doch noch grünes Licht.

MILITÄRPUTSCH: Die Türkei ist verärgert darüber, dass sich seit dem gescheiterten Putsch von Teilen des Militärs Mitte Juli noch keine hochrangigen Mitglieder der Bundesregierung haben blicken lassen. In Planung ist nun ein Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Ein konkreter Termin ist noch nicht bekannt.

BÖHMERMANN-AFFÄRE: Ende März 2016 trägt der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann auf ZDFneo eine umstrittene „Schmähkritik“ an Präsident Recep Tayyip Erdogan vor. Der klagt, um das Gedicht komplett verbieten zu lassen und erzielt einen Teilerfolg vor dem Hamburger Landgericht.

FLÜCHTLINGSPAKT: Ankara droht immer wieder damit, die Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingskrise aufzukündigen. Hintergrund ist unter anderem eine EU-Forderung, die Türkei müsse Anti-Terror-Gesetze reformieren, damit sie nicht politisch missbraucht werden. Ohne diese Reform will die EU die Visumpflicht für Türken nicht aufheben – ohne Visumfreiheit aber fühlt sich Erdogan nicht an die Flüchtlings-Abkommen gebunden.

BOTSCHAFTER-RÜCKTRITT: Hansjörg Haber, deutscher EU-Botschafter in der Türkei, tritt im Juni 2016 zurück. Wegen einer kritischen Bemerkung zum Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei hatte ihn das türkische Außenministerium zuvor einbestellt.

IMMUNITÄT: Auf Betreiben Erdogans beschließt das türkische Parlament, vielen Abgeordneten die Immunität zu entziehen. Betroffen ist vor allem die pro-kurdische HDP, der Erdogan Terrorvorwürfe macht. Parlamentariern droht Strafverfolgung – für Kanzlerin Merkel „Grund tiefer Besorgnis“. Nach einem Treffen mit Erdogan sagt sie: „Wir brauchen eine unabhängige Justiz, wir brauchen unabhängige Medien und wir brauchen ein starkes Parlament.“ Das Gesetz ist seit Juni in Kraft.

PRESSEFREIHEIT: Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 151 von 180 Staaten – denn kritische Medien werden auf Regierungskurs gezwungen. Neuester Aufreger: Nach einem Interview mit der Deutschen Welle lässt der türkische Sportminister am Montagabend die Aufnahme konfiszieren.

AUSLIEFERUNG: Ankara fordert von Deutschland die Auslieferung türkischer Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, den die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Neuer Streit ist damit programmiert.



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