Großbritanniens langer Weg zum „Global Britain“
Für die Zeit nach dem Austritt aus der Europäischen Union hat der britische Premierminister Boris Johnson die Devise eines „Global Britain“ ausgegeben und erhofft sich Vorteile daraus, künftig unabhängig von Brüssel als eigenständige Handelsmacht verhandeln zu können.
Die Verhandlungen mit Brüssel bis zur Einigung auf einen Post-Brexit-Handelsdeal waren äußert zäh und langwierig, bis an Heiligabend der Durchbruch gelang. Auf dem Weg zu einem geregelten Außenhandel mit dem Rest der Welt mit möglichst wenigen Zöllen oder anderen Handelshemmnissen hat die Regierung in London bereits einige Erfolge vorzuweisen. Ein Überblick:
JAPAN
Mit der nach den USA und China drittgrößten Volkswirtschaft der Welt hat Großbritannien im Oktober das erste größere Freihandelsabkommen nach dem Austritt aus der EU unterzeichnet. Künftig bleiben 99 Prozent der zwischen beiden Ländern gehandelten Güter und Dienstleistungen zollfrei. Das soll das Handelsvolumen mit Japan – 2019 waren es rund 30 Milliarden Pfund – um 15,2 Milliarden Pfund (16,5 Milliarden Euro) erhöhen. In weiten Teilen ersetzt die Vereinbarung das EU-Freihandelsabkommen mit Japan, das für Großbritannien noch bis Ende des Jahres gilt.
SINGAPUR
Auch das mit dem südostasiatischen Stadtstaat Mitte Dezember unterzeichnete Abkommen entspricht in weiten Teilen einem Handelspakt der EU mit Singapur, der im November 2019 in Kraft getreten war. Es umfasst den bilateralen Handel mit Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 17 Milliarden Pfund (18,7 Milliarden Euro) und soll außerdem Handelshemmnisse wie etwa unterschiedliche Standards oder Vorschriften abbauen.
Außerdem erhofft sich London dadurch weitere Fortschritte für eine mögliche Mitgliedschaft in der Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP). Die Freihandelszone, die unter anderem die Märkte Australiens, Kanadas, Chiles, Mexikos und auch Japans umfasst, ist der Nachfolger des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP, nachdem die USA unter Präsident Donald Trump aus protektionistischen Gründen ihren Austritt erklärt hatten.
VIETNAM
Ebenfalls Mitte Dezember einigte sich Großbritannien auch mit Vietnam auf ein Handelsabkommen. Der Vertrag soll zum Jahreswechsel in Kraft treten. Er beruht zu großen Teilen auf einem Handelsabkommen der EU mit dem südostasiatischen Staat. Die Regierungen der beiden Länder erhoffen sich von dem Pakt einen Schub für den bilateralen Handel, dessen Volumen sich bereits im vergangenen Jahrzehnt auf 7,5 Milliarden Dollar (6,2 Milliarden Euro) verdreifachte.
USA
Ziel der Regierung in London war es eigentlich, bis zum Ende des Jahres 2020 ein Abkommen zu unterzeichnen. Doch schon vor der US-Präsidentschaftswahl vom 3. November verliefen die Verhandlungen zäh. Schwierig sind die Verhandlungen unter anderem, weil die USA auf einen Marktzugang für sogenannte Chlorhühnchen pochen, die für Verbraucherschützer in Europa zum Symbol für ihrer Meinung nach zu niedrige Lebensmittel- und Tierschutzstandards in den USA geworden sind. Auch in Großbritannien stoßen diese ebenso wie hormonbehandeltes Rindfleisch auf scharfen Protest.
KANADA
Mit Kanada hat sich Großbritannien auf ein provisorisches Handelsabkommen geeinigt. Ab Januar werden zunächst die Bedingungen des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) übernommen. Derzeit beträgt das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern rund 20 Milliarden Pfund (22 Milliarden Euro). Die Übergangsvereinbarung soll die Basis für weitere Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen im kommenden Jahr sein.
AUSTRALIEN UND NEUSEELAND
Mit beiden Ländern hat die britische Regierung im Juni Gespräche aufgenommen. Angepeilt worden war ursprünglich, Freihandelsabkommen möglichst noch bis Ende des Jahres abzuschließen.
ALGERIEN, MEXIKO, TÜRKEI
Gespräche führt London unter anderem auch mit diesen Handelspartnern. London strebt dabei an, die derzeitigen Bedingungen für den Handel nach dem Brexit beizubehalten.
ISRAEL, MAROKKO, SÜDKOREA, CHILE, TUNESIEN, SCHWEIZ
Auch diese Länder gehören zu inzwischen mehreren dutzend Staaten oder Länderblöcken – darunter aber auch vergleichsweise kleine Handelspartner wie Liechtenstein oder die Färöer -, mit denen Großbritannien bereits Handelsabkommen unterzeichnet hat. (afp)
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