Geltungsdrang als Motiv? Mutmaßlicher Trump-Attentäter Crooks soll Mobbing ausgesetzt gewesen sein

Der mutmaßliche Attentäter, der am Samstagabend in Butler, Pennsylvania, US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump töten wollte, wurde von Sicherheitskräften neutralisiert. Über sein Motiv herrscht nach wie vor Rätselraten. Auf X öffnet dies Falschinformationen Tür und Tor.
Ermittler forschen bereits nach dem möglichen Motiv des Schützen.
Ermittler forschen nach dem Motiv des Schützen.Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Von 15. Juli 2024

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Das Attentat auf US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump am Samstag, 13. Juli, während einer Wahlkundgebung in Butler, Pennsylvania, beherrscht weiterhin das öffentliche Leben in den USA. Der Präsident der Jahre 2017 bis 2021 überlebte den Anschlag um Haaresbreite. Ein Zuschauer, der seine Familie schützen wollte, starb; zwei weitere wurden schwer verletzt. Mittlerweile ist auch über die Person des Tatverdächtigen mehr bekannt – allerdings nach wie vor nicht über das Motiv.

Als Schütze identifizierte das FBI aufgrund von DNA-Vergleichsproben den 20-jährigen Thomas Matthew Crooks aus dem eine Autostunde vom Tatort entfernten Bethel Park. Crooks wurde von Beamten des Secret Service erschossen, nachdem er das Feuer eröffnet hatte.

Crooks überdurchschnittlich intelligent – aber sozial isoliert

Polizeilich war der 20-Jährige zuvor zu keiner Zeit in Erscheinung getreten. Auffällig ist auch, dass er in sozialen Medien kaum präsent war. Die einzige Spur in diesem Kontext führt zu einem Account bei der Plattform Discord, die allerdings wenig ergiebig ist. Crooks nutzte diesen nur sporadisch – und in keiner Weise, um politische Ansichten oder Attentatspläne zu offenbaren.

Der Tatverdächtige galt als überdurchschnittlich intelligent und versiert im Bereich der Naturwissenschaften. Dort gewann er sogar einen mit 500 US-Dollar Preisgeld dotierten „Star Award“ für ausgezeichnete Leistungen von der National Math and Science Initiative. Crooks wuchs in einem soliden Mittelklassewohnviertel auf, in dem die politischen Mehrheitsverhältnisse regelmäßig wechseln. Beide Elternteile sind zertifizierte Sozialarbeiter.

Zuletzt arbeitete er in der Essensausgabe des Pflegeheims in Bethel Park. Der Highschool-Absolvent galt als freundlich, aber auch als ruhig und verschlossen. Personen, die Crooks kannten, war dieser offenbar nie durch radikale Ansichten aufgefallen.

„Unangebrachte Witze“ und Versagen am Schießstand

Anfängliche Hinweise auf Alt-Right-Symbolik konnten nicht bestätigt werden. Die entsprechenden Bilder, die in sozialen Medien die Runde machten, waren einer anderen Person zuzuordnen. Allerdings war Crooks im Schützenteam der Highschool nicht aufgenommen worden, weil er bei einem Probeschießen deutlich das Ziel verfehlt hatte.

In diesem Kontext berichtete ein ehemaliger Mitschüler auch gegenüber „Daily Mail“, dass Crooks „unangebrachte“ Witze im Zusammenhang mit der Schießstätte auf dem Schulgelände gemacht haben soll. Die halbautomatische AR15-Waffe war auf seinen Vater zugelassen.

Politisch war Crooks ebenfalls kaum in Erscheinung getreten. Er war als Republikaner in die Wählerliste eingetragen, soll sich bislang jedoch nur an den Midterm-Wahlen 2022 beteiligt haben. Gleichzeitig spendete er am Tag der Amtseinführung von Präsident Joe Biden einmalig 15 Euro an das Progressive Turnout Project. Dabei handelt es sich um eine den Demokraten nahestehende Organisation, die ihr Ziel in der Wählermobilisierung sieht.

FBI sieht bislang keine Hinweise auf ideologisches Motiv

Crooks tauchte auch selten auf Bildern oder in Videos auf. Eines davon zeigte ihn als Teilnehmer eines Computerkurses. In einem an seiner Highschool gedrehten Werbefilm von BlackRock war er kurz als Schüler in einem Wirtschaftskurs zu sehen. Geld hatte er – ebenso wenig wie die anderen darin gezeigten Schüler – von der Investmentgesellschaft nicht bekommen, so BlackRock.

Das FBI untersucht derzeit mögliche Kontakte des Attentäters und geht Hinweisen nach, die auf ein Motiv schließen lassen könnten. Allerdings deutet bislang nichts auf ein ideologisches Motiv für die Tat hin.

Über Freizeitaktivitäten oder darüber, womit sich der spätere Attentäter privat beschäftigt habe, scheint niemand Bescheid gewusst zu haben. Auch der Vater versuche zu klären, „was zum Teufel vor sich geht“, bevor er sich öffentlich äußere, erklärte er gegenüber CNN. Er habe keine Idee darüber, wie sein Sohn an die Waffen gelangt sein könne.

Geltungsdrang als mögliches Motiv von Crooks?

Auch was in Crooks‘ Innerem vorging, scheint niemand bemerkt zu haben. Gegenüber CNN berichteten Schüler, dieser sei aufgrund seines unscheinbaren Äußeren, seiner Kleidung und seines nerdhaften Auftretens gemobbt worden.

Schulische Mobbingerfahrungen waren bislang vor allem eines der verbindenden Elemente zwischen späteren Schul-Amokläufern. Mit politisch motivierten Attentätern wurden sie bislang typischerweise nicht in Verbindung gebracht.

Allerdings spielt bei diesen – ähnlich wie bei Amokläufern – häufig eine Form des Geltungsdrangs eine Rolle, die darauf ausgerichtet ist, mit spektakulären Taten in die Geschichte eingehen zu wollen.

Anschlag auf Trump eine Form des „stochastischen Terrors“?

Der slowakische Premierminister Robert Fico und der frühere brasilianische Ministerpräsident Jair Bolsonaro äußerten, Parallelen zu den gegen sie verübten Attentaten erkannt zu haben. Fico, gegen den sich am 15. Mai ein Schusswaffenattentat richtete, beschuldigt Medien und gegnerische Politiker, Stimmungen anzuheizen, in denen sich labile Einzeltäter zum Handeln veranlasst sehen.

In der Politikwissenschaft hat sich dafür der Begriff „stochastischer Terror“ eingebürgert. Dieser liege vor, wenn eine Person oder Gruppe in einer Weise öffentlich dämonisiert werde, die es als wahrscheinlich erscheinen lässt, dass eines Tages jemand gegen diese Gewalt ausüben werde. Es sei jedoch nicht erkennbar, wer es sein werde und zu welchem Zeitpunkt es geschehe.

Bolsonaro sieht hingegen ein übernatürliches Element in Form einer „Divine Intervention“ als entscheidende Parallele. Sowohl im Fall des 2018 im Wahlkampf gegen ihn verübten Messerattentats als auch im Fall des Trump-Attentats sei „Rettung von oben“ gekommen.

Welche Parallelen und Unterschiede zeigen Tatverdächtige bei Anschlägen auf Trump, Fico und Bolsonaro?

Zwischen den Tatverdächtigen gab es in allen drei genannten Fällen jedoch nur bedingt Ähnlichkeiten. Im Fall Bolsonaros war der später des versuchten Mordes an diesem Angeklagte Adélio Bispo de Oliveira zwar politisch eindeutig der Linken zuzuordnen und hatte in sozialen Medien Bolsonaros Politik wiederholt kritisiert, allerdings diagnostizierte man bei ihm während des Prozesses auch eine „permanente paranoide Wahnstörung“.

Bolsonaro focht den darauf gegründeten Freispruch nicht an. Adélio Bispo de Oliveira war zum Zeitpunkt seiner Tat 40 Jahre alt. Anders als der Bolsonaro-Attentäter hatte sich Thomas Matthew Crooks politisch nicht öffentlich gegen Trump oder dessen Politik positioniert.

Der 71-jährige Fico-Attentäter Juraj Cintula hatte mit Crooks gemein, dass beide Einzelgänger waren und beide teilweise widersprüchlich erscheinende politische Neigungen erkennen ließen. Cintula nannte das von der Opposition kritisierte Rundfunkgesetz als Auslöser für seinen Tatentschluss. Anders als Bispo de Oliveira war Cintula nie wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung.

Mitte der 2010er-Jahre soll er versucht haben, in Reaktion auf ein fremdenfeindlich motiviertes Tötungsdelikt eine Bewegung gegen Gewalt ins Leben zu rufen. Später verfasste er jedoch ein mit rassistischen Untertönen beworbenes Buch über die europaweit Anfeindungen ausgesetzte Volksgruppe der Roma. Crooks war jedoch auch hier nicht annähernd so exponiert wie Cintula, der immerhin aktives Mitglied in einem Schriftstellerklub war. Er war lediglich im Wählerregister als Republikaner registriert, während er Monate zuvor noch einen geringen Betrag an ein Demokraten-nahes Projekt gespendet hatte.

X wird mit Desinformation und Spam überschüttet

Die Spekulationen um die Person des Attentäters und dessen mögliche Motive haben vor allem auf X die Grenzen sozialer Netzwerke bezüglich des Umgangs mit Desinformation offengelegt. Schon wenige Stunden nach Bekanntwerden des Anschlags machten Namen und Bilder vermeintlicher Schützen die Runde.

Dabei wurde unter anderem ein angeblicher italienischer Antifa-Aktivist genannt. Dieser befand sich jedoch zum Zeitpunkt der Tat in Rom. Zum anderen wäre er aufgrund seiner körperlichen Konstitution kaum in der Lage gewesen, in kürzester Zeit ein Dach zu erklimmen.

Später machten weitere vermeintliche Namen des Attentäters oder angeblicher Mitwisser die Runde. Als sich abzeichnete, dass das FBI einen „Thomas Matthew Crooks“ verdächtige, tauchten mehrfach Bilder eines Internettrolls auf, der äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit aufwies. Er meldete sich dann mit einem Video zu Wort, in dem er sich als Crooks ausgab und erklärte, noch am Leben zu sein.

Ein anderes Video, das angeblich Crooks zeigen soll, wie dieser auf hysterische Weise Aktivisten an einem Republikaner-Infostand beschimpft, erwies sich ebenfalls als falsche Fährte. Bei der darin erkennbaren Person handelte es sich nicht um den späteren Trump-Attentäter.

Mittlerweile wird X mit Spambeiträgen zum Suchbegriff „Thomas Matthew Crooks“ überschwemmt. In den identischen Posts wird das angeblich „eindeutigste Video“, das diesen bei den Schüssen auf Trump zeige, angekündigt. Der Ankündigung zufolge soll im Hintergrund eine Frau zu hören sein, die „Crooks, was tust du? Komm hierher“ geschrien haben soll. Die Frage, wer die Frau gewesen sei, wird aufgeworfen. Wer jedoch den Link anklickt, landet auf einer Datingseite. Ähnliches zeigt sich bezüglich eines Videos, das angeblich zeigen soll, wie Secret-Service-Mitarbeiter tatenlos zugesehen hätten, wie Crooks das Feuer eröffnet habe.



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