„Friedensmission“ wird fortgesetzt: Ungarn unbeeindruckt von Kritik aus Brüssel

Mehrere EU-Außenminister haben den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán scharf für seine „Friedensmission“ im Ukraine-Krieg kritisiert. Allerdings herrscht Uneinigkeit, bei einem Boykottaufruf in Bezug auf das nächste Außenministertreffen in Budapest.
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Der ungarische Außen- und Handelsminister Péter Szijjartó in Budapest, Ungarn, am 23. Mai 2024.Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images
Von 23. Juli 2024

Zum letzten Mal vor der Sommerpause haben sich die Außenminister der EU-Staaten in Brüssel getroffen. Eines der Hauptthemen am Montag war die „Friedensmission“ des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Ukraine-Krieg.

Mehrere EU-Außenminister haben den Regierungschef scharf für seine unabgesprochenen Reisen unter anderem nach Moskau kritisiert. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nannte Orbáns Alleingänge „Egotrips“. Luxemburgs Chefdiplomat Xavier Bettel sagte, Ungarn sei in Europa „isoliert“. Uneins sind sich die EU-Länder allerdings, ob sie das nächste Außenministertreffen in Budapest Ende August boykottieren sollen.

Ungarn fordert Friedensverhandlungen

Der ungarische Regierungschef begründete die Reisen damit, dass es aus seiner Sicht so schnell wie möglich Friedensverhandlungen mit der Ukraine geben müsste. Für die ungarische Regierung ist der Ukraine-Krieg nur auf diplomatische Weise lösbar. Die Befürchtungen einer Ausweitung des Krieges auf Westeuropa wurde von Ungarn bereits mehrfach wiederholt.

Laut Orbán sei auf dem Schlachtfeld kein Sieg möglich. Vielmehr erfordere es offene Kommunikationskanäle und Diskussionen. Eine solche Vorgehensweise forderte auch Ungarns Außenminister Péter Szijjártó bei dem Treffen in Brüssel.

Aus Sicht der EU-Kommission schadet Orbán mit seinen Alleingängen jedoch den Bemühungen der EU, in der Ukraine-Politik geschlossen aufzutreten. Kritisiert werden die Reisen des Staatschefs insbesondere deswegen, da Ungarn derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. EU-Politiker betonten wiederholt, dass Orbáns Moskau-Reisen nicht im Namen der Union stattfinden.

Aktuell steht auch die Frage nach einem Boykott des nächsten Außenministertreffens Ende August in Budapest im Raum.

Szijjártó: Friedensmission funktioniert

In Brüssel verteidigte der ungarische Außenminister das Vorgehen seines Chefs. Die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, dass die Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten „eine echte Lösung“ sein könnte. Orbáns Treffen mit Wladimir Putin, Xi Jinping und Donald Trump seien „notwendig“ gewesen, so Szijjártó.

Er sagte auch, seit den Bemühungen der ungarischen Regierung, habe sich der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis mit dem russischen Außenminister Sergey Lavrov getroffen. Zudem hätten die Verteidigungsminister der USA und Russlands, Lloyd Austin und Andrei Beloussow, miteinander telefoniert und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Ex-Präsident Donald Trump gesprochen.

„Jetzt haben alle begonnen, die diplomatischen Kanäle zu nutzen. Die Einzigen, die behaupten, dies sei unrechtmäßig und dass jene, die für diplomatische Lösungen plädieren, prorussisch seien, sitzen hier in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten“, so Szijjártó in einer Video-Botschaft nach dem Treffen. Nur die Slowakei unterstütze die „ungarische Friedensmission“, so der Minister.

Eine Diskussion auszuschließen, sei keine demokratische Haltung, monierte er in Richtung europäischer Staatschefs. Trotz aller Kritik aus Brüssel hält Ungarn aber an der „Friedensmission“ fest, betonte Szijjártó.

EU-Außenrat von Budapest nach Brüssel verlegt

Wie gespalten die EU in Bezug auf das Verhalten der ungarischen Regierung ist, zeigen die Reaktionen auf einen Boykottaufruf von EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Der Spanier hat den Boykott eines Ministertreffens in Budapest verkündet: Als „symbolisches Signal“ an Orban berufe er das informelle Außen- und Verteidigungsministertreffen Ende August in Brüssel ein, teilte Borrell am Montag mit. Er habe dies nach einer kontroversen und langwierigen Debatte der EU-Außenminister alleine entschieden, betonte er.

Nach Borrells Angaben verurteilten 25 Außenminister Orbans Verhalten scharf. Unterstützung erhielt der Ungar alleine von der Slowakei. Aber auch Borrell erntete mit seinem unabgestimmten Vorstoß zur Absage des Budapester Treffens scharfe Kritik.

„Spanien unterstützt keine Boykotte in der Europäischen Union“, sagte Außenminister José Manuel Albares. Luxemburgs Außenminister Bettel nannte die Boykott-Idee „Schwachsinn“. Er fahre lieber nach Budapest und sage den Ungarn seine Meinung ins Gesicht, betonte Bettel. Auch Deutschland, Frankreich und die Niederlande äußerten sich dem Vernehmen nach ablehnend zu Borrells Vorstoß.

Außenministerin Baerbock reagierte ausweichend auf die Frage des Boykotts. Sie sagte, die Entscheidung liege in den Händen Borrells. Die Grünen-Politikerin gilt nicht als Unterstützerin derartiger Boykotts. So war sie im November anders als mehrere EU-Kollegen zu einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gereist, an dem Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilnahm. Baerbock begründete dies mit der Notwendigkeit, Flagge zu zeigen.

Selbst in der Bundesregierung gibt es keine einheitliche Haltung zu den Boykottaufrufen: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten eigene Ungarn-Reisen zuvor auf den Prüfstand gestellt.

In Brüssel wird nicht ausgeschlossen, dass Borrells Boykottaktion schlussendlich nach hinten losgeht: Zahlreiche Ministerinnen und Minister könnten dem Brüsseler Treffen vom 28. bis 30. August nun aus Protest fernbleiben, hieß es.

Ungarn zeigt sich gelassen

Die Ungarn reagierten gelassen auf den Boykottaufruf. Szijjártó sagte, für ihn spiele der Ort der Veranstaltung keine Rolle. „Wo auch immer es stattfindet, ich werde hingehen“, sagte der ungarische Außenminister.

Es sei viel wichtiger, den Fokus auf die Situation in der Ukraine zu legen. „Wir entfernen uns immer weiter vom Frieden“, betonte er und wandte sich mit offenen Fragen an die Minister der EU-Staaten. „Wie viele Waffen braucht die Ukraine insgesamt, um das Blatt auf dem Schlachtfeld zu wenden? Wie lange werden die ukrainischen Streitkräfte überhaupt noch verfügbar sein? Wie viel kostet diese Kriegspolitik die Menschen in Europa?“

Es sehe mit der jetzigen Strategie keine baldige Lösung des Ukraine-Konflikts. Deshalb müssten die diplomatischen Kanäle wieder geöffnet werden. „Glücklicherweise beginnt die Welt in dieser Hinsicht aufzuwachen“, so Szijjártó.

Ukraine schaltet wichtige Öl-Pipeline ab

In Bezug auf die Ukraine merkte der ungarische Minister zudem die neuen von Kiew verhängten Sanktionen an, wodurch die Öllieferungen des russischen Unternehmens Lukoil nach Ungarn und in die Slowakei abgeschnitten werden.

Ursprünglich hatte die Europäische Union bei entsprechenden Sanktionen bestimmte Ausnahmen gelassen, damit von Russland abhängige Länder ausreichend Zeit haben, um ihre Lieferungen einzustellen. Diese Ausnahmen hat die Ukraine nun ausgesetzt. Ungarn kämpft nun gegen die drohende Gefahr von Stromausfällen und Treibstoffmangel.

Szijjártó sagte diesbezüglich, die Energieversorgung sei keine politische Frage, sondern eine Frage der Infrastruktur. Das Vorgehen Kiews sei ein Verstoß gegen das Kooperationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine. Das Abkommen besagt, dass die Ukraine die Lieferung von Energieprodukten aus ihrem Hoheitsgebiet in die EU-Mitgliedstaaten nicht unterbrechen darf.

Wegen dieses Fehlverhaltens, so der Minister, hätten die Slowakei und Ungarn vorgerichtliche Konsultationen mit der Europäischen Kommission eingeleitet.

Mit Material der Nachrichtenagenturen



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