Französische Regierung gestürzt: Wie es nun weitergeht

In Frankreich haben das Linksbündnis und der rechtsnationale Rassemblement National gemeinsam die Regierung von Premierminister Michel Barnier zu Fall gebracht. Präsident Macron will ungeachtet aller Rücktrittsforderungen schon bald einen Nachfolger präsentieren.
Im Haushaltsstreit nutzt er einen umstrittenen Verfassungsartikel (Archivbild).
Der gestürzte Premier Michel Barnier. (Archivbild).Foto: Thibault Camus/AP/dpa
Von 5. Dezember 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

In einem seltenen Schulterschluss haben am Mittwoch, 4.12., das Linksbündnis und der rechtsnationale Rassemblement National (RN) Frankreichs Regierung unter Premier Michel Barnier zu Fall gebracht. Mit 331 von 577 Stimmen hat die Nationalversammlung in Paris einem Misstrauensantrag der Linken zugestimmt. Erforderlich waren mindestens 289 Stimmen. Ein Antrag des RN hatte zuvor keine Mehrheit gefunden.

Patt in Frankreich führt zu labilen Regierungen

Seit dem zweiten und entscheidenden Durchgang der Parlamentswahlen gibt es in der Nationalversammlung ein Patt. Das Linksbündnis, dem neben Sozialisten und Grünen auch die populistische Formation „La France Insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon angehört, verfügt über 180 Sitze. Der Rassemblement National und seine Verbündeten kommen auf 142.

Das Mitte-Bündnis von Präsident Emmanuel Macron benötigt, um Gesetze durchbringen zu können, entweder Stimmen von links oder rechtsaußen. Zuletzt hatte sich Barnier vorrangig auf den RN gestützt. Dieser hatte Mehrheiten für Gesetzesbeschlüsse ermöglicht, im Gegenzug gab es Zugeständnisse der Regierung.

Die Konzessionen reichten vom Verzicht auf eine Erhöhung der Stromsteuer und der Zuzahlung für Medikamente bis hin zu Einschnitten bei der Gesundheitsversorgung für Asylsuchende. Am Ende hat sich der RN dennoch dazu entschieden, für den Sturz des Kabinetts zu votieren. Entscheidend dafür war die Vorgehensweise des Premiers, um den Sozialplan von Finanzminister Laurent Saint-Martin durchzubringen.

Verfassungstrick ging für Barnier nach hinten los

Der Artikel 49.3 der französischen Verfassung gibt dem Premierminister das Recht, einen Gesetzesentwurf, der mit Finanzen oder sozialer Sicherheit zu tun hat, zum Gegenstand eines Vertrauensvotums durch die Nationalversammlung zu machen. Sollte es binnen 24 Stunden kein Misstrauensvotum geben, gelte das Gesetz automatisch als angenommen.

Diese als Ultima Ratio betrachtete Option gilt im politischen Betrieb Frankreichs als verpönt. In einer Situation, da der Premierminister über keine eigene Mehrheit verfügt, war ein Scheitern fast schon vorgezeichnet. Die radikal linke „Insoumise“ kündigte umgehend ein Misstrauensvotum an. Auch RN-Fraktionschefin Marine Le Pen sprach von einem „extrem engstirnigen und parteiischen Verhalten“ Barniers.

Parteichef Jordan Bardella kündigte am Montag an, auch der RN werde ein Misstrauensvotum anstrengen, sollte der Regierungschef nicht über weitere Details verhandeln wollen. Er hoffe, so äußerte er jedoch, „weiterhin auf ein Wunder in letzter Minute“. Regierungssprecherin Maud Bregeon erklärte am Montag, Barnier sei weiter „für einen Dialog offen“.

Warnungen vor nachteiligen Folgen für Frankreich

Augenscheinlich redeten beide Teile jedoch aneinander vorbei. Bis zum Mittwoch konnte keine Lösung gefunden werden. Im Vorfeld der Misstrauensvoten nannte Bregeon die Initiatoren „Ingenieure des Chaos“. Barnier selbst warnte vor einem Scheitern des Haushalts 2025 und erinnerte an die mehr als drei Billionen Euro Schulden, die diesen belasteten.

Auch andere Regierungsmitglieder pflichteten ihm bei. Ein Sturz der Regierung durch die Nationalversammlung würde ein Signal der Instabilität aussenden. Frankreich stehe vor einer Wirtschaftskrise, die Ratingagenturen würden das Land herabstufen – dies würde wiederum die Zinssätze explodieren lassen.

Die Initiatoren des Misstrauensvotums beeindruckte dies wenig. Éric Coquerel trat zu Beginn der Parlamentssitzung für „Insoumise“ ans Mikrofon und kündigte an, Barnier werde „in unehrenhafter Weise stürzen“. Er warf dem Premierminister vor, Kompromisse mit der extremen Rechten angestrebt zu haben. Am Ende lasse diese ihn nun fallen. Coquerel forderte Macron auf, die Linke mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Linksbündnis will selbst Regierung bilden

Marine Le Pen erklärte wiederum, Barnier habe einen „entscheidenden Teil“ jener budgetären Maßnahmen unterlassen, die ihre Partei ihm vorgeschlagen habe. Barnier habe „nur eine Lösung angeboten: Steuern, Steuern, Steuern“. Der RN werde ihm das Misstrauen aussprechen. Sollte Barnier stürzen, werde man aber für ein „Sondergesetz“ stimmen, das ein Budget für 2025 sicherstelle und einen Shutdown der Regierung abwende.

Sozialisten-Chef Boris Vallaud forderte ebenfalls einen Premierminister aus den Reihen der Linken. Er erklärte, Barnier habe die Situation selbst herbeigeführt, indem er sein Gesetz einfach am Parlament vorbei durchdrücken wollte. Republikaner-Chef Laurent Wauquiez wiederum forderte die Parlamentarier auf, gegen das Misstrauensvotum zu stimmen. Ein Sturz von Barnier bedeute auch „das Ende der Nothilfe für Bauern“.

Premier Barnier selbst äußerte in einem Redebeitrag während der Debatte, sein Budget wäre „nicht perfekt“ gewesen. Er habe allerdings „auch nur 15 Tage Zeit dafür“ gehabt. Es sei „deutlich verbessert worden durch eure Zusatzartikel“, die er „oft von allen politischen Gruppen genommen“ habe.

Gegenüber dem RN erklärte er, dass „wir nicht die gleiche Vorstellung von Souveränität und Patriotismus haben“. Vor dem Misstrauensvotum habe er „keine Angst“. Auch der frühere Premierminister Gabriel Attal verteidigte die Regierung. Er rief zu „weniger Lärm und mehr Taten“ auf. Der von den Republikanern ausgetretene Éric Ciotti hingegen äußerte, es sei ein „schlechtes Budget… ein sozialistisches Budget“ gewesen.

Umfrage: Mehrheit will Rücktritt von Macron – der sucht schon nach potenziellen neuen Regierungschefs

Einer Elabe-Umfrage von BFM TV aus der Vorwoche zufolge äußerten 63 Prozent der Befragten, im Fall einer Abwahl Barniers solle auch Macron als Präsident zurücktreten. Dieser denkt allerdings nicht daran. Macron, der zum Zeitpunkt des Misstrauensvotums aus Saudi-Arabien zurückreiste, will schnell einen neuen Kandidaten für das Amt des Premierministers präsentieren.

Als mögliche Vorschläge werden der Linkspolitiker Bernard Cazeneuve, der frühere Gesundheitsminister Xavier Bertrand und der amtierende Verteidigungsminister Sébastien Lecornu genannt.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion