Frankreich in Aufruhr: Journalisten im Visier – „Gelbwesten“ gegen „Lügenpresse“
Anfeindungen, Rüpeleien und offener Hass: Zwischen „Gelbwesten“ und Journalisten hat sich der Ton in den vergangenen zwei Monaten deutlich verschärft. Die Vorwürfe und das Misstrauen in der französischen Protestbewegung erinnern an die deutsche „Lügenpresse“-Diskussion. Journalisten-Organisationen beklagen massive Übergriffe auf Reporter.
Vor allem Fernsehjournalisten sind ins Visier wütender Demonstranten geraten. In dieser Woche traten Mitarbeiter des Nachrichtensenders BFM-TV vorübergehend in Streik, nachdem ein TV-Team am vergangenen Wochenende bei Protesten in Rouen in Nordfrankreich attackiert wurde und eine junge Journalistin in Paris durch einen Knallkörper eine leichte Verletzung am Bein erlitt.
Die französische Journalistengewerkschaft Syndicat National des Journalistes (SNJ) spricht von massiven Einschüchterungsversuchen:
Reporter werden angegriffen, beleidigt und namentlich auf den sozialen Netzwerken bedroht“, erklärt die Organisation. Zudem würden Journalisten „geschlagen und auf der Straße verfolgt“.
Wie groß die Wut der „Gelbwesten“-Anhänger auf viele Reporter ist, zeigte sich nach Angaben der Gewerkschaft erstmals Ende November in Toulouse im Südwesten Frankreichs. Auf dem zentralen Rathausplatz seien drei Fernsehjournalisten der Privatsender C-News und BFM-TV „einem Lynchversuch“ durch rund hundert Demonstranten entgangen. Die Journalisten wurden nach eigenen Angaben geschlagen, getreten und bespuckt und als „Agenten der Regierung“ beschimpft.
Auch der aus der Nazi-Zeit stammende Ruf „Kollaborateure“ wird gegen Medienvertreter bei Demonstrationen laut. Der Kommunikationsforscher Arnaud Mercier sieht dahinter ein tief sitzendes Misstrauen:
Die Bewegung der ‚Gelbwesten‘ prangert das sogenannte Herrschaftswissen von Journalisten, Politikern und Experten gleichermaßen an“, sagt der Professor von der Universität Paris.
Die Aktivisten aus der französischen Provinz „werfen den Medien vor, sie jahrelang ignoriert und unsichtbar gemacht zu haben“, betont Mercier. Die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter seien für sie „ein Raum der Gegen-Öffentlichkeit“. Seine Analyse erinnert an die deutsche Pegida-Bewegung, die als Facebook-Gruppe begann.
Auf Facebook hat die einflussreiche „Gelbwesten“-Gruppe „Frankreich in Wut“ kürzlich eine Umfrage veröffentlicht. Die Frage „Glaubt Ihr, dass die Medien uns anlügen?“ beantworteten in 48 Stunden 15.000 Anhänger mit „ja“ – nur rund 350 waren nicht einverstanden.
Die „Gelbwesten“ informieren sich aber nicht nur über die sozialen Netzwerke, wo Demonstrations-Aufrufe und Videos über Polizeigewalt massive Verbreitung finden und Äußerungen der Regierung kommentiert werden. Sie wenden sich nach Beobachtung von Kommunikationsforscher Mercier zunehmend auch Medien zu, die sie als „frei“ betrachten.
Dazu gehört die junge Plattform Brut (der Name spielt auf das Etikett „trocken“ bei Weinen an), die ihre Inhalte – vor allem Videos – seit 2017 ausschließlich über die sozialen Netzwerke verbreitet. Dazu zählt aber auch der russische Anbieter RT France, der sich als Alternative zu französischen Medien präsentiert.
Wir bieten den ‚Gelbwesten‘ eine Plattform, um sich zu äußern“, sagt Xenia Fedorova, Präsidentin des Frankreich-Ablegers des russischen Staatssenders RT (früher Russia Today), der ebenfalls 2017 an den Start ging. „Wir behandeln sie mit Respekt, ohne ihnen das Etikett ‚rechtsextrem‘ oder ‚linksextrem‘ anzukleben.“
Das ist ein Seitenhieb gegen die Regierung von Präsident Emmanuel Macron, die die „Gelbwesten“ zunächst in die Nähe von Extremisten gerückt hat, wodurch sich viele Anhänger der Protestbewegung denunziert sehen.
Auch am kommenden Wochenende fürchten viele Reporter wieder Übergriffe. Die Journalistengewerkschaft SNJ hat zu einem „bürgerschaftlichen Ruck“ aufgerufen, um der Gewalt gegen Journalisten Einhalt zu gebieten. (afp)
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