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"Ein Glück für das Land"

Frankreich bekennt sich wieder offen zu seiner alten „Atom-Liebe“

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einer Rede im Elysée-Palast am 12. Oktober 2021.

Foto: LUDOVIC MARIN/POOL/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 4 Min.

Die Atomkraft ist wieder stark angesagt in Frankreich – und sogar zum positiv besetzten Zukunftsthema im Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl 2022 geworden. Präsident Emmanuel Macron kündigte am Dienstag Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro in den Bau kleiner Atomkraftwerke und neue Technologien für den Umgang mit Atommüll an. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass Frankreich massive Investitionen in Atomkraft ankündigt.
Macron verfolgt bei diesem Thema seine häufig genutzte „Sowohl-als-auch“-Strategie, um keines der Lager zu verprellen: Er will in Atomkraft investieren, aber nebenher sollen auch erneuerbare Energien ausgebaut werden. Dabei geht es ihm um Maßnahmen „gegen Klimawandel“ ebenso wie um den Schutz der heimischen Industrie – und nicht zuletzt um die Strompreise.

Atomindustrie ist „ein Glück für das Land“

Die Atomindustrie sei „ein Glück für das Land“, betonte Macron am Dienstag in einer Rede im Elysée-Palast. Sie ermögliche es Frankreich, „zu den europäischen Ländern zu zählen, die am wenigsten CO2 bei der Stromproduktion ausstoßen“.
Im Vergleich zu Deutschland produziert Frankreich tatsächlich erheblich weniger Kohlendioxid – was vor allem daran liegt, dass 70 Prozent des Stroms aus den emissionsarmen Atomkraftwerken kommt.
Selbst die französischen Grünen schieben den früher vehement geforderten Atomausstieg inzwischen verbal weit in die Zukunft. „Niemand sagt, dass wir morgen die Atomkraftwerke runterfahren“, sagt der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot. Er rechne mit 20 Jahren bis zum Ausstieg. „Und wenn es fünf Jahre mehr sind, dann ist das eben so.“

Atomkraft als „grüne Investition“

In Brüssel versucht Frankreich derzeit, Atomkraft als „grüne Investition“ anerkennen zu lassen. Die Nuklearenergie trage „erheblich zur Unabhängigkeit unserer Energieproduktion bei“, heißt es in einem offenen Brief, den Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Politiker aus neun weiteren EU-Ländern unterzeichneten.
Die Einstufung solle „bis Ende des Jahres“ erfolgen, forderten sie. Dies hätte zur Folge, dass neue Atomkraftwerke Investoren aus der EU anziehen könnten. Dagegen regt sich allerdings Widerstand aus Deutschland und Österreich.
Unterdessen überbieten sich die Präsidentschaftskandidaten mit Atom-Rhetorik. Der konservative Kandidat Xavier Bertrand will mindestens drei neue EPR-Kraftwerke bauen lassen, Marine Le Pen gleich sechs und der „Noch-Nicht-Kandidat“ Eric Zemmour am liebsten zehn.
Dabei geht der einzige Europäische Druckwasserreaktor (EPR), der in Frankreich überhaupt gebaut wird, frühestens 2023 ans Netz – mit elf Jahren Verspätung und nahezu viermal so teuer wie geplant. Und über das geplante Endlager für Atommüll im lothringischen Bure ist auch noch längst nicht endgültig entschieden.

„Unabhängigkeit“ in der Energieproduktion ist entscheidend

Die Mini-Reaktoren (SMR), in die Macron nun investieren will, sind bei weitem nicht produktionsreif. Ein einziges Modell läuft derzeit in Russland. Die französische Atomindustrie hat wenig Interesse an den kleinen Reaktoren, weil sie relativ wenig Strom produzieren und somit herkömmliche Atomkraftwerke nicht ersetzen können.
Die Unabhängigkeit der Energieproduktion – etwa von russischem Gas oder von deutschem Kohlestrom – ist für Macron entscheidend. „Wir dürfen niemals zu abhängig von einer Energiequelle sein, die attraktiv erscheint, wenn die Preise niedrig sind“, sagte er kürzlich am Rande eines EU-Gipfels angesichts der gestiegenen Gaspreise.
Frankreich hat sich verpflichtet, bis 2035 den Anteil des Atomstroms auf 50 Prozent herunterzufahren, ein Dutzend alte Reaktoren abzuschalten und zugleich die erneuerbare Energie auszubauen. Daran werden wohl auch die geplanten Mini-Reaktoren nichts ändern. Im Präsidentschaftswahlkampf könnten sie Macron aber helfen, sich gleichzeitig industriefreundlich und klimabewusst zu zeigen. (afp/dl)

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