Fracking-Verbot fällt in Großbritannien – Deutschland mauert noch

Das Kabinett Truss in Großbritannien hat das 2019 verhängte Fracking-Verbot aufgehoben. Energieminister Rees-Mogg begründet dies mit der Energiesicherheit.
Öl und Erdgas aus Fracking.
Öl und Gas aus Fracking.Foto: iStock
Von 22. September 2022

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Großbritanniens Kabinett hat das im Jahr 2019 erlassene Verbot hydraulischer Gasbohrungen, besser bekannt als Fracking, aufgehoben. Damit hat Premierministerin Liz Truss ein Wahlversprechen aus der Zeit des Rennens um den Vorsitz der Konservativen erfüllt. Energie- und Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg begründete den Schritt mit der „absoluten Priorität“, die der Energiesicherheit des Landes zukomme.

Ab Oktober 100 neue Energieprojekte genehmigt

Einen Automatismus zur Genehmigung von Fracking-Anträgen werde es nicht geben, heißt es in mehreren Medienberichten. Das Ministerium werde Vorhaben dieser Art „mit Blick auf die örtliche Unterstützung“ prüfen.

Allerdings äußert die Regierung auch ein eigenes Interesse an der Durchführung weiterer Pilotprojekte. Bislang gibt es drei davon. Einem am Donnerstag (22.9.) vorgelegten Gutachten zufolge reichten die daraus gewonnenen Daten nicht aus, um die Folgen des Frackings umfassend einschätzen zu können.

Das Energieministerium werde Anfang Oktober zudem insgesamt 100 neue Lizenzen zur Erforschung und Ausbeutung neuer Energiequellen unterschiedlicher Herkunft vergeben. Projekte zu Öl und Gas seien darunter ebenso vertreten wie solche zu erneuerbaren Energien. Großbritannien soll nach dem Willen der Regierung bis 2040 zum Nettoexportland für Energie werden.

Bis dato hängen 80 Prozent der britischen Haushalte von Gas ab. Die jüngsten Versorgungsengpässe haben die Energierechnungen für Unternehmen und Privathaushalte auch auf der Insel in die Höhe getrieben. Experten befürchten sogar Ausschreitungen für die Wintermonate, sollte die Regierung die Krise nicht in den Griff bekommen.

Legendenbildung rund ums Fracking

Truss-Vorgänger Boris Johnson hatte 2019 ein Moratorium hinsichtlich der Technik zur Gasbohrung verkündet. Er begründete dies mit einem angeblich erhöhten Erdbebenrisiko, das vom Fracking ausgehen könne. Beim Fracking werden fein verteiltes Gas und Öl in Gesteinsschichten flüssig gemacht. Um die Rohstoffe nutzbar zu machen, ist es erforderlich, die Schichten „aufzubrechen“. Dazu wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in diese hineingepresst.

Die Darstellung, wonach vom Fracking ein erhöhtes Erdbebenrisiko ausgehe, sei erstmals 2011 vom Leiter der BBC-Umweltredaktion, Roger Harrabin, aufgestellt worden. Wie „Spiked-Online“ schreibt, habe dieser damals behauptet, es seien „winzige Explosionen“ erforderlich, um Schiefergas freizusetzen. Diese „kleinen kontrollierten Explosionen“ würden die Gefahr lokaler Erdbeben begünstigen.

Allerdings kommen keine Sprengstoffe bei der Schiefergasbohrung zur Anwendung, stellte 2013 das Ministerium für Energie und Klimawandel klar. Vielmehr sei es Wasserdruck, der das Gestein zum Brechen bringe. Ein Jahr später legten die Royal Society und die Royal Academy of Engineering dem Unterhaus einen Forschungsbericht vor. Darin hieß es, dass „die Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltrisiken [des Frackings] im Vereinigten Königreich durch die Einführung und Durchsetzung bewährter betrieblicher Verfahren wirksam bewältigt werden können“.

Willkürlicher Schwellenwert definiert?

Die Behauptung, Fracking verursache Erdbeben, wurde von den Gegnern der Technologie dennoch aufrechterhalten. Sie verwiesen in Großbritannien auf eine Messung vom November 2011 auf dem Fracking-Testgelände von Cuadrilla in Lancashire.

Es seien im Zusammenhang mit Bohrungen zwei Erschütterungen einer Stärke von 2,3 und 1,5 auf der seismischen Skala verzeichnet worden. Allerdings lagen die Bodenbewegungen damit immer noch deutlich unter dem Schwellenwert von 3,5. Erst von diesem an sei ein Beben auch für Menschen spürbar. Der British Geological Survey zeichnet keine Erdbeben unter 2,0 auf.

Dennoch legte Großbritanniens Regierung für die Bewilligung von Fracking-Projekten einen seismischen Schwellenwert von 0,5 fest. Dieser sei Branchenexperten zufolge 12-mal niedriger als der Grenzwert für Sprengungen in Steinbrüchen und 30-mal niedriger als für einige Bautätigkeiten. Sir Ed Davey, der Vorsitzende der Liberaldemokraten, brüstete sich mit seiner Rolle bei der Festlegung dieser Grenzwerte. Kritiker werten dies als Indiz dafür, dass keine wissenschaftlichen, sondern ideologische Gründe den Schwellenwert bestimmten.

Natürliches Methan mit Fracking in Verbindung gebracht

Gar nicht erst zur Begründung des Frackingverbots herangezogen hatte Großbritanniens Regierung Szenen aus dem 2010 erschienenen Film „Gasland“ des Aktivisten Josh Fox. Die dort gezeigten Sequenzen über vermeintlich brennendes Leitungswasser prägten über Jahre das Bild von Fracking in Europas Öffentlichkeit.

Der Staat Colorado hat die Darstellungen in dem Film untersucht. Dabei ließ sich kein Zusammenhang zwischen Erdöl- sowie Erdgasbohrungen und Berichten über in Brand geratenes Leitungswasser feststellen.

Der Colorado Oil and Gas Conservation Commission (COGCC) zufolge habe sich Methan aus biogenen Quellen entzündet. Dies sei eine Folge von Wasserquellenverunreinigung in Colorado. Für diese sei jedoch nicht die Öl- und Gaserschließung verantwortlich.

Wissenschaftler der Colorado State University erklärten zudem, dass es „keine Beweise dafür gibt, dass wasserbasierte Verunreinigungen in Trinkwasserbrunnen auf einem riesigen Öl- und Gasfeld im Nordosten von Colorado versickern“.

Fracking „heute mit vertretbarem Risiko möglich“

Auch in Deutschland werden mittlerweile Forderungen nach einer Abkehr vom 2017 verhängten Frackingverbot laut. Vor allem aus FDP und CSU kamen jüngst entsprechende Vorstöße.
Das Verbot der Ausbeutung von Gasvorkommen in Schiefer- und Kohleflözschichten wurde ebenfalls mit angeblichen Gefahren für das Grundwasser begründet. Die deutsche Regierung griff außerdem auch auf das Erdbeben-Narrativ zurück.

Der stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Fracking, Holger Weiß, bezweifelte jedoch im August die Stichhaltigkeit der Bedenken. „Man kann das eigentlich nur mit ideologischen Vorbehalten erklären. Einer sachlichen Grundlage entbehrt das“, erklärte er gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Die beim Fracking mittlerweile verwendete Flüssigkeit sei allenfalls mit Spülmittel zu vergleichen, aber kein Gift. Für Weiß steht fest:

Heutzutage kann man Fracking mit einem vertretbaren Restrisiko machen.“

Habeck sperrt sich nach wie vor gegen Gasbohrungen

Rückendeckung bekamen die Fracking-Befürworter auch von anderen Experten. Geologe Christoph Hilgers vom Karlsruher Institut für Technologie erklärte: „Wenn man Fracking richtig macht, ist das Risiko gering. Das ist eine etablierte Technologie.“ Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie, Ludwig Möhring, übte zudem Kritik an Landesregierungen. Diese hätten die Möglichkeit, Probebohrungen zuzulassen – würde diese jedoch von vornherein ablehnen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnt weiterhin Fracking in Deutschland ab, berichtet die „Tagesschau“. Dabei verweist er auf die behauptete Gefahr, negative Folgen für die Umwelt sowie rechtliche Hürden. Umweltaktivisten erklären außerdem, Fracking sei eine ineffiziente Technologie, weil bei der Verflüssigung durch starkes Abkühlen bis zu 25 Prozent des Energiegehalts des Gases eingebüßt würden.

In den USA war der intensive Einsatz von Fracking einer der Gründe für deren Aufstieg in die Gruppe der Netto-Energieexporteure. Mehrere europäische Länder hoffen auf verschifftes Flüssiggas aus den USA, um russisches Pipelinegas ersetzen zu können.

Zu den vehementesten Befürwortern eines umfassenden Frackingverbots gehört auch der BUND. Dieser gehört zu jenen Umweltschutzorganisationen, die jüngst Ziel von Kritik im Zusammenhang mit Stiftungen in Mecklenburg-Vorpommern waren. Vertreter unter anderem des BUND waren dort im Vorstand vertreten. Die Stiftungen erhielten millionenschwere Förderungen vom russischen Staat.



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